Springe zum Hauptinhalt

Universität

Assistenzprofessur Wildtierphysiologie: Abhärtung für Wachtel-Teenager

Valeria Marasco, neue Assistenzprofessorin für Wildtierphysiologie, erforscht, wie Wildtiere auf widrige Umweltveränderungen reagieren. Gerade im Wachstum sind sie nicht nur verletzlich, sondern auch physiologisch formbar. Resilienz und Lebenszyklusstrategien werden im Klimawandel auch für Nutztiere an Bedeutung gewinnen.

Valeria Marasco beschäftigt sich mit Lebenszyklusstrategien. Foto: Michael Bernkopf/Vetmeduni
Foto: Michael Bernkopf/Vetmeduni

Valeria Marasco, Assistenzprofessorin fÃŒr Wildtierphysiologie, Forschungsarbeit am Modelltier Gemeine Wachtel (Coturnix coturnix)

Valeria Marasco, neue Assistenzprofessorin für Wildtierphysiologie am Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI), brennt für Feldforschung: „Ich bin so gerne draußen. Ein Tier ganzheitlich in seiner Nische zu beobachten, kann man nicht zu 100 Prozent simulieren“, schwärmt sie. Natürlich: Das Verhalten der Lebewesen ist nur begrenzt vorhersagbar, es gibt eine Menge Zwänge, der Zeitaufwand ist hoch, die Logistik aufwändig …, deswegen hat sie auch viel Forschung im Labor gemacht, wo Experimente und Langzeitstudien einfacher durchzuführen sind. Eine Wildtierforscherin braucht aber immer einen Plan B und C. Seit sie denken kann, hat die Süditalienerin immer gerne Tiere beobachtet. Aufgewachsen in einer Küstenstadt mit Katzen, Hunden, Ameisen und Spinnen als Anschauungsobjekt. Sie studierte Environmental Biology an der Universität Bologna und im Master Wildlife Management in Florenz. Ähnlich wie ein Zugvogel durchquerte sie Europa weiter von Süd nach Nord für den PhD an der University of Glasgow und landete als Marie-Curie-Postdoctoral-Fellow 2017 am Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) in Wien.

Aufwachsen und überleben

Die Ökophysiologin erforscht im breiteren Kontext, wie Tiere auf Veränderungen in ihrer Umwelt reagieren und wie verschiedene Einflussfaktoren ihren Lebenszyklus beeinflussen. Gerade in der Jugend sind Organismen nicht nur vulnerabel, sondern eben auch formbar: „Wie Jungtiere aufwachsen und welchen Stressoren sie ausgesetzt sind, bestimmt ihr weiteres Leben mit, wie ihren Alterungsprozess oder ihren Fortpflanzungserfolg. Ich will mit interdisziplinären Ansätzen verstehen, welche Plastizität Tiere in Hinblick auf Umweltveränderungen haben. Wie sie Resilienz aufbauen und wieweit sie sich etwa an den Klimawandel anpassen können.“ Dazu sammelt sie Daten: vom Molekül über die Physiologie und den Stoffwechsel bis hin zur Langzeitbeobachtung des Gesamtorganismus. Eine zentrale Erkenntnis ihrer bisherigen Forschungsarbeit ist, dass Jungvögel, die mit widrigen Einflüssen umgehen mussten, später im Leben resilienter waren. Sie konnten mit Veränderungen umgehen und hatten Anpassungen entwickelt.

In Schottland erforschte sie sesshafte, asaisonale Vögel, die keine jahreszeitenspezifischen Muster zeigen. In Wien ging sie erstmals der Frage nach, ob Zugvögel, die für ihre Langstreckenflüge viel Energie brauchen, ihre Physiologie anpassen können, um einen schlechten Start ins Leben auszugleichen. Am KLIVV hatte sie mit der Gemeinen Wachtel (Coturnix coturnix) gearbeitet: „Ein gutes Modell zu finden, war eine Herausforderung. Die Wachteln zeigen auch in Gefangenschaft die Anpassungen in Physiologie und Verhalten, ziehen aber nicht weg. So können wir die Einflüsse des Aufwachsens ab dem Ei gut studieren.“ Es zeichnet sich ab, dass es nicht darum geht, Jungtiere in Watte zu packen. Eine gewisse Abhärtung scheint ihnen gut zu bekommen. Am FIWI will Marasco künftig mit ihren Kolleg:innen die Themen Plastizität und Sensitivität vergleichend bearbeiten: „Vögel und Säugetiere haben mehr gemeinsam, als wir denken. Winterruhe und Zugverhalten sind unterschiedliche Strategien, erfordern aber als physiologische Anpassung das Einlagern von Reserven. Beide Gruppen regulieren ihre Körpertemperatur, was sie besonders empfindlich gegenüber hohen Temperaturen macht.“

Transfer in die angewandte Veterinärmedizin

Der Job als Forscherin erlaubt ihr, „täglich Neues zu lernen und mich dabei manchmal immer noch wie damals als Kind bei meinen Naturbeobachtungen zu fühlen“. Neben der Begeisterung für Feldforschung will sie in der Lehre vermitteln, dass Grundlagenforschung eine gute Schule ist. Zum Beispiel für das Design von Experimenten und weil sie Wissen generiert, das auch in Wildlife Management, Schutzstrategien oder Tierwohl einfließen kann. Valeria Marasco hat auch in Schottland an einer Veterinärmedizinischen Fakultät geforscht, was sie als wunderbare Verknüpfung zur angewandten Forschung sieht. Im Kontext von „One Health“ plant sie einen Ökophysiologie-Kurs, der die Reaktion von Wildtieren auf Umweltveränderungen und dabei ablaufende physiologische Prozesse beleuchtet. Mit der zentralen Frage, wie basale Mechanismen und flexible Strategien auch für Farmtiere genutzt werden könnten. Mehr Resilienz werden in Zukunft nämlich viele Lebewesen brauchen.

alle Fotos: Michael Bernkopf/Vetmeduni

Text: Astrid Kuffner


Der Beitrag erschien in VETMED 03/2023