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Physiologie: Zelltraining zur Sehnenheilung
Janina Burk-Luibl, neue Professorin für Physiologie, hat ihren Schwerpunkt in regenerativer Medizin mit dem Einsatz von multipotenten Vorläuferzellen in der Orthopädie. In der Petrischale versucht sie, die Bedingungen einer verletzten Sehne möglichst naturgetreu nachzustellen, um biologische Therapeutika für den Einsatz optimal vorzubereiten.
Das Forschungsobjekt ist fast nicht unfallfrei auszusprechen, also nehmen wir lieber die gängige Abkürzung. Janina Burk-Luibl, Veterinärphysiologin mit Fachgebiet Regenerationsmedizin, arbeitet im Bereich Orthopädie mit multipotenten mesenchymalen Stromazellen (kurz MSC). Für ihre Versuche verwendet sie Vorläuferzellen, die aus fast jedem Gewebe entnommen werden können. Im konkreten Fall stammen ihre MSC aus dem Fettgewebe, weil das verschiedene Vorteile bringt. Obwohl es ihr vordergründig um die Heilung von Sehnenverletzungen bei Pferden geht, hat sie bei ihren In-vitro-Versuchen MSC von gleich vier Spezies am Start: Pferd, Mensch, Schaf und Hund. Diese unterscheiden sich in den Details, aber wenn sich Erfolge zeigen, könnten die Ergebnisse von Nutzen für alle Wirbeltiere sein.
Alle Axolotl jetzt?
Die Vision der regenerativen Medizin hat große Hoffnungen geweckt. Werden sich Tiere und Menschen also bald ein Beispiel an Eidechse und Axolotl nehmen, die ganze Körperteile nachwachsen lassen können? Der Idee einer raschen Wunderheilung muss die Forscherin eine Abfuhr erteilen. Herkömmliche Medikamente sind oft Moleküle mit bestimmten Andockstellen. Schon in diesem Fall ist es eine komplexe Aufgabe, eine gezielte, intendierte Wirkung zu erreichen. Bei den biologischen Therapeutika, mit denen sie arbeitet, muss man beachten, „dass diese leben und reagieren. Wir versuchen, die Zellen für die Regeneration am Einsatzort Sehnenverletzung vorzubereiten. Es kann dennoch sein, dass sie sich dort anders verhalten als in der Petrischale“. Die Veterinärphysiologin (40) erforscht speziell die Kontextabhängigkeit der MSC, also welchen Einfluss die Umgebung auf die Wirkung der multipotenten mesenchymalen Stromazellen hat: „Das ist eine Nische, die noch zu wenig beachtet wird. Wir untersuchen, wo sich die MSC wohlfühlen und ‚trainieren‘ sie für ihre Regenerationsaufgabe. Wir bemühen uns, die In-vitro-Modellemöglichst naturgetreu zu gestalten.“ Im Labor arbeitet sie mit 3D- und dynamischen Zellkulturen oder mit Ko-Kulturen, in denen auch andere Zelltypen vorkommen, die das Milieu in einer verletzten Sehne bereichern. Erst mit diesen Vorerfahrungen sollte ein verletztes Tier experimentell behandelt werden: „Ich bin überzeugt davon, dass die regenerative Zelltherapie Potenzial hat. In einigen Bereichen, wie mit hämatopoetischen Stammzellen in der Humanmedizin, die sich zu Blutzellen differenzieren, ist sie bereits gut etabliert.“
Die große Hürde beim Transfer von In-vitro-Experimenten zu klinischen Studien mit aussagekräftigen Ergebnissen sieht sie – nach wie vor – in geringen Fallzahlen. Ein gutes Kollektiv mit einheitlichem Krankheitsbild zusammenzustellen ist in der Tiermedizin schwieriger als in der Humanmedizin. Bald wird sie dennoch die Ergebnisse einer verblindeten Studie zur Feldtherapie von Sehnenerkrankungen veröffentlichen. Unter den Physiolog:innen „bin ich sicher sehr interdisziplinär vorgeprägt“. Zuletzt hatte sie eine Forschungsprofessur an der Pferdeklinik der Justus-Liebig-Universität in Gießen (Deutschland) inne. Nun freut sie sich darauf, als Professorin an der Vetmeduni eine Weiterentwicklung in Forschung und Lehre mit anzustoßen: „Ich schätze den Modernisierungswillen hier im Haus, die Bereitschaft, zukunftsweisende Konzepte umzusetzen.“
Das Warum hinter den Lehrinhalten
Auch hier braucht es einen langen Atem. Das Fach Physiologie ist umfangreich und für die Arbeit von Tierärzt:innen unverzichtbar. Sie engagiert sich bereits in den Arbeitsgruppen zum Curriculum, wo Inhalte aktualisiert und noch besser abgestimmt werden sollen. Seit 2011 hat sie immer wieder – von Grundlagenkursen bis zu Kleingruppen in Pathophysiologie und regenerativer Medizin – unterrichtet und gutes Feedback bekommen: „Oberste Priorität hat das Veterinärwissen, aber ich bringe auch gerne forschungsorientierte Inhalte ein. Mir ist wichtig, dass den Studierenden das ‚Warum‘ der Lerninhalte klar ist. Ich verdeutliche früh, wofür ein Inhalt gelernt werden muss, etwa den Zusammenhang zu Krankheitsbildern, dem Gesamtorganismus, der Wirkweise von Medikamenten. Das ist in Wien als Konzept schon sehr gut integriert.“ Zudem möchte sie Digitalisierung in der Lehre vorantreiben, wo es sinnvoll ist. Also eine Mischung aus Präsenz und Selbstlerninhalten mit Podcasts, Videos, Arbeitsblättern, geeigneten Settings für kleine und größere Gruppen – wobei es immer die Möglichkeit geben soll, Fragen zu stellen.
Vom OP ins Labor und zurück
Janina Burk-Luibl wuchs nahe Gießen in Mittelhessen mit eigenen Tieren, konkret Hund und Pferden, auf. In der Oberstufe traf sie für sich die Entscheidung, dass ihr Wunschberuf jedenfalls „die Arbeit mit dem Kopf und den Händen vereinen sollte“. In der Tiermedizin wollte sie zunächst Chirurgin werden, arbeitete als Studierende im Fachbereich mit und absolvierte Praktika in Pferdekliniken. Das universitäre Umfeld, geprägt vom intensiven Kontakt mit Studierenden, gefiel ihr. Die Faszination für ihr Spezialgebiet Regenerationsmedizin erwachte beim Besuch eines Wahlpflichtfachs. Für die Dissertation wechselte sie deshalb in ein Labor an der Universität Leipzig. Ihren Doktorvater, Großtierchirurg Walter Brehm, bezeichnet sie heute als ihren Mentor. Dank erfolgreich eingeworbener Drittmittel konnte sie zudem rasch eigene Forschungsideen verfolgen. Für ihre Forschung erweist sich diese Verknüpfung aus Klinikerfahrung und In-vitro-Passion als hilfreich. Beide Denkweisen, Anforderungen, Einschränkungen und Arbeitsalltage zu kennen, erleichtert es, Ergebnisse aus der Forschung in die klinische Anwendung zu überführen. In kleinen Schritten können oft anwendungsnahe Verbesserungen zum Beispiel bei der Aufbereitung des Zellmaterials umgesetzt werden.
Rückkehr nach Wien
An die Vetmeduni bringt sie neben dem Schwerpunkt MSC-Zelltherapie und -physiologie viele Erfahrungen mit verschiedenen Arbeitsgruppen an unterschiedlichen Standorten mit. An der Pferdeklinik ergänzt sie die Arbeitsgruppe von Professorin Florien Jenner sehr gut und auch die räumliche Nähe erleichtert eine Zusammenarbeit. Auch wenn sie sich in der Petrischale mit der Regeneration von Sehnen befasst, kann sie sich vorstellen – je nach Expertise vor Ort –, auch andere Krankheitsbilder und Organsysteme zu beforschen. Am Institut für Physiologie will sie ihr Wissen um naturgetreue In-vitro-Modelle einbringen und den Fokus so nicht nur auf Mausmodelle richten: „Wenn wir translationsnahe Forschung anstreben, ist die Maus noch sehr am Anfang des Prozesses und für vieles gar nicht so repräsentativ, gerade in der Orthopädie.“ Wien kennt sie bereits aus ihrer Postdoc-Zeit 2017, als sie am Department für Biotechnologie der Universität für Bodenkultur Wien forschte. Sie freut sich über die Rückkehr und darauf, länger bestehende Arbeitsbeziehungen wieder besser pflegen zu können. Die neue Physiologie-Professorin ist ein deklarierter Stadtmensch: „An Wien mag ich besonders die Donau mit ihren hunderten Badestellen und ich liebe das Essen.“ Kaiserschmarren, Schnitzel und Tafelspitz gehen ihr ganz leicht über die Lippen.