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Forschung

Ein Ziegenbaby im Garten, ein Alpaka auf der Wiese: Nutztiere als Hobby

Immer mehr Menschen interessieren sich dafür, neben, Hund, Katze oder Pferd auch Nutztiere wie Schafe, Minipigs oder Lamas als Hobbytiere zu halten. Welche Fragestellungen damit insbesondere in Bezug auf Nachwuchs oder bei der Jungenaufzucht einhergehen, beantwortet Jörg Aurich, Leiter der Klinischen Abteilung für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie, im Gespräch mit VETMED.

Foto: Stephanie Scholz/Vetmeduni

VETMED: Welche Nutztiere werden vermehrt als Hobbytiere gehalten?

Jörg Aurich: Wo ein größerer Garten zur Verfügung steht, werden gerne ein paar Schafe und Ziegen als Freizeitbeschäftigung gehalten. Oft fällt die Wahl dabei auf regionale und seltene Rassen dieser Tierarten. Auch Lamas und Alpakas, in ihrer südamerikanischen Heimat reine Nutztiere, finden bei uns als Hobbytiere immer mehr Bedeutung. Alpakas werden in Europa wegen ihrer Wolle, aber auch für Vorführungen gehalten und Lamas begleiten ihre Besitzer:innen auf ausgedehnten Trekkingtouren. Schweine oder Rinder sind als Tiere für die Freizeitgestaltung eher selten, aber das Interesse von Hobbylandwirten an ursprünglichen Rinderrassen trägt wesentlich zum Erhalt solcher seltenen Rassen bei, ein Beispiel hierfür ist das Tuxer Rind. Wenn Nutztiere als Hobby gehalten werden, bleiben sie aber rechtlich trotzdem Nutztiere und unterliegen z.B. bei der Tierseuchenbekämpfung den gleichen Auflagen wie Tiere in landwirtschaftlichen Betrieben. Das ist den Hobbytierhalter:innen nicht immer bewusst.

Was ist der große Unterschied zur Haltung in einem landwirtschaftlichen Umfeld?

Aurich: Hobbytiere sind für ihre Besitzer:innen keine Einnahmequelle und ihre Haltung erfolgt nicht unter primär wirtschaftlichen Aspekten. Damit werden oft auch teurere tierärztliche Maßnahmen gewünscht und durchgeführt, die in einem kostenorientierten landwirtschaftlichen Betrieb kaum noch in Frage kommen. Speziell für die Reproduktionsmedizin stellen sich bei Hobbytieren auch neue Aufgaben. Während im Nutztierbetrieb eine möglichst gute Fruchtbarkeit angestrebt wird, soll die Hobbyherde manchmal nicht zu groß werden. Von der Tiermedizin wird dann eine Trächtigkeitsverhütung, ähnlich wie bei Hunden oder Katzen, gewünscht.

Ab und zu steht auch Nachwuchs ins Haus, manchmal ungeplant. Was gibt es dabei zu beachten?

Aurich: Wichtig ist es, Störungen der Geburt zu erkennen und rechtzeitig tierärztliche Hilfe zu holen. Landwirt:innen, die schon viele Geburten begleitet haben, erkennen Probleme, können auch selbst eingreifen und wissen, wann sie ihre Tierärztin oder ihren Tierarzt hinzuziehen sollten. Hobbytierhalter:innen sind hier oft überfordert. Hier sollte das Vorgehen bei Problemen mit der Tierärztin oder dem Tierarzt rechtzeitig abgesprochen werden, damit bei Geburtsstörungen keine Zeit verloren wird.

Welche Komplikationen sind besonders häufig?

Aurich: Geburtskomplikationen bei Nutztieren in Hobbyhaltung unterscheiden sich nicht von denen in landwirtschaftlichen Betrieben. Aber bei Hobbytierhalter:innen steht die Gesundheit des Einzeltieres mehr im Vordergrund, während es in landwirtschaftlichen Betrieben zunehmend um die Prophylaxe von Bestandsproblemen geht. Die Kosten eines Kaiserschnitts und damit verbundene Wirtschaftlichkeit ist beim Hobbytier darum kaum ein Thema.

Was sind deutliche Anzeichen dafür, das Mutter- oder ein Jungtier in die Tierklinik zu bringen?

Aurich: Wenn Muttertiere viel liegen, nicht mehr fressen und wenn die Geburt einsetzt, aber nicht voranschreitet, sollte umgehend tierärztliche Hilfe angefordert werden. Gleiches gilt, wenn Nutz-Jungtiere nicht innerhalb von einer Stunde nach der Geburt stehen können und im Verlauf der nächsten Stunde am Euter der Mutter zu saugen beginnen. Hier ist es schnell zu spät und die Besitzer:innen dürfen nicht erwarten, dass sich das Problem von selbst löst. Nutztierkliniken sind Lehreinrichtungen an veterinärmedizinischen Universitäten oder Fakultäten und darum nicht überall verfügbar. Nutztiere in Hobbyhaltung werden darum vor allem in der tierärztlichen Praxis behandelt. An der Geburtshilfe der Vetmeduni in Wien werden auch Nutztiere zur Geburtsüberwachung aufgenommen. Dieses Angebot wird zunehmend von Hobbylandwirt:innen wahrgenommen, die es sich nicht zutrauen, Geburtskomplikationen oder Probleme bei Neugeborenen zu erkennen und kompetent einzugreifen. Zusammen mit den Studierenden bieten wir hier einen Service, der über die Möglichkeiten der Nutztierpraxis hinausgeht.   

Zur Person

Jörg Aurich ist Professor für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie an der Vetmeduni. Er hat an der Tierärztlichen Hochschule in Hannover studiert, dort seine Dissertation über neugeborene Kälber angefertigt und sich zur Endokrinologie der Geburt bei Rind und Schwein habilitiert. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Cornell University in den USA ist er seit 1997 in Wien tätig.

Interview und Fotos: Stephanie Scholz

Dieser Artikel erschien in VETMED Magazin 01/2022