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Forschung
Im Stall geht’s heiß her – Wie Hitzestress Nutztiere beeinflusst
Durch die Klimakrise werden die Temperaturen immer extremer. Im Sommer äußert sich dies durch Perioden von heißen Tagen. Mensch und Tier leiden unter dieser Hitze. Doch wann genau wird aus heiß zu heiß? Die Abteilung für Physiologie und Biophysik der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersucht, wie HITZESTRESS entsteht, wie Tiere darauf reagieren und wie dieser bekämpft werden kann.
Alles ist anstrengend, und der Tag soll nur vorbei sein. So geht es vielen Menschen in Dachgeschosswohnungen im Sommer. Der Schweiß rinnt und die Flucht aus der unfreiwilligen Sauna ist oberste Priorität. Schnell mit dem Cabrio zum See fahren, hineinspringen und danach ein kühles Eis schlecken. Hauptsache, man kann sich abkühlen. Können wir uns nicht rechtzeitig abkühlen, fühlen wir uns ausgelaugt oder können einen Hitzschlag erleiden. Vielen Tieren geht es an heißen Tagen ähnlich. Sie suchen Wasserstellen und verstecken sich im Schatten. Schwieriger wird es bei Tieren, die im Stall leben, wie landwirtschaftliche Nutztiere, die diese Wahlmöglichkeit nicht haben. Schweine (39 °C), Rinder (38 °C) und Geflügel (41 °C) haben zwar eine ähnliche Körpertemperatur wie Menschen (37 °C), aber nur einige Arten können ansatzweise so gut schwitzen wie wir. Erzeugt ein Tier mehr Wärme, als es an die Umwelt abgeben kann, entsteht Hitzestress. Die Abteilung für Physiologie und Biophysik hat daher untersucht, welche Faktoren die Entstehung von Hitzestress begünstigen, wie diese Tierwohl und Leistungsfähigkeit beeinträchtigen und wie man das Problem bekämpft.
Die Entstehung von Hitzestress
Spielen, Fressen und jede Bewegung erzeugen Wärme. Aber selbst bei absoluter Ruhe erzeugen alle Organe des Körpers ständig Wärme. Dies ist bei Nutztieren besonders stark, da sie zur bestmöglichen Lebensmittelproduktion mehr fressen und ihre Körper deswegen intensiver wachsen und arbeiten. Eine Milchkuh gibt ca. 30 Liter Milch pro Tag und produziert so doppelt so viel Wärme wie im Ruhezustand. Wo der Mensch im Sommer auf dem Sofa dahinschmelzen kann, betreibt die Milchkuh auch ruhend Extremsport. Durch Hecheln, aber auch durch Wärmeabgabe an die Luft und durch Strahlung an die umgebenden Bauteile können die Tiere diese Wärme abgeben. Ein Stall für Mastschweine benötigt dabei für jedes Tier ungefähr 100.000 Liter Luft pro Stunde, um diese warme Luft durch kühlere Außenluft zu ersetzen. Die Kühlung der Tiere funktioniert dabei umso besser, je kühler die Stallluft ist. Hier zeigt sich aber ein Problem. „Durch die hohe Tierdichte und Wärmeproduktion der Nutztiere ist der Stall immer um mindestens 3 °C wärmer als die Umgebung“, erklärt Günther Schauberger, Leiter der Arbeitsgruppe Umweltgesundheit. Damit die Tiere im Winter nicht frieren, werden Ställe gedämmt. Im Sommer kann die Wärme deswegen aber nur über eine intensive Lüftung des Stalls abtransportiert werden. Bereits Außentemperaturen von 20 °C führen daher zu einer Temperaturbelastung der Tiere. Durch Sonneneinstrahlung auf Wände und Dächer entsteht dabei zusätzliche Wärmebelastung.
Die Folgen von Hitzestress
Kurzfristigen Hitzestress können die Tiere durch Anpassung der Körperaktivität abfedern. Sie fressen weniger, liegen und schlafen mehr. Wird die gesundheitliche Belastung zu groß, kann dies auch zum Tod führen. Hitzestress sorgt für eine gesundheitliche Belastung bei den Tieren, die gleichzeitig auch eine wirtschaftliche Belastung der Landwirtschaft darstellt. Tiere, die nicht fressen, wachsen schließlich auch nicht. Gleichzeitig führt Hitzestress zu einer höheren Sterblichkeit.
Bedrohung durch die Klimakrise
Die globale Erwärmung verschärft dabei das Problem für Nutztiere. Durch höhere Durchschnittstemperaturen und insbesondere durch mehr Stunden mit mindestens 25 Grad erhöht sich der Stress auf die Tiere. Günther Schauberger verdeutlicht: „Am Beginn der 1980er-Jahre traten im Stall etwa 175 Stunden im Jahr auf, die über 25 °C lagen. 40 Jahre später hat sich die Zahl auf mehr als das Doppelte, auf 375 Stunden, erhöht.“ Um das Wohlergehen der Tiere und deren Leistungsfähigkeit also auch in Zukunft zu sichern, müssen Maßnahmen entwickelt werden, die den Temperaturausgleich von Nutztieren unterstützen.
Wärmeresistente Tiere und Bestandsmanagement
Um den Hitzestress zu senken, bieten sich Methoden in der Tierhaltung, Bestandsmanagement und technologische Entwicklungen an. Bei geringerem Tierbestand auf gleicher Fläche stände theoretisch jedem Tier mehr Luft für die Wärmeabgabe zur Verfügung. Alternativ könnten hitzeresistentere Nutztierrassen wie Hühnerarten aus den Tropen oder Piau-Schweine aus Brasilien importiert werden, die Temperaturen in Europa verkraften könnten. Diese Rassen sind jedoch ineffizienter in der Lebensmittelproduktion verglichen mit ihren europäischen Pendants. Beide Gedankenexperimente würden daher grundsätzlich funktionieren, aber höhere wirtschaftliche Anforderungen an die Landwirt:innen stellen und sind damit praktisch nicht nutzbar. Auch herkömmliche Nutztierrassen könnten gezielt temperaturresistenter gezüchtet werden, um Umgewöhnung und Anpassungen der Landwirtschaft zu minimieren. Dieser Prozess ist langsam und könnte gegebenenfalls nicht mit den Dynamiken der Klimaerwärmung mithalten.
Der Stall der Zukunft
Durch technologische Entwicklungen kann die Wärmeabgabe der Tiere ebenfalls unterstützt werden. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass nicht nur der Sommer eine Herausforderung ist, sondern auch der Winter. Im Winter muss für die Vermeidung von Kältestress eine ausreichend hohe Stalltemperatur gewährleistet werden. Eine technologische Lösung muss daher ganzjährig den Temperaturhaushalt der Tiere unterstützen. Ebenfalls beeinflussen Luftfeuchtigkeit und -geschwindigkeit, wie gut Wärme an Luft abgegeben werden kann. In der Infografik auf den folgenden Seiten werden aktuelle Technologien erklärt und gegeneinander abgewogen. Die Technologien arbeiten mit unterschiedlichen Mechanismen und bieten Vor- und Nachteile. Für Günther Schauberger ist aber klar: „Eine energiesparende Luftaufbereitung in Stallungen könnte den Hitzestress um etwa 60 bis 90 Prozent reduzieren.“ Zusammen mit der Landwirtschaft arbeitet er an Lösungen, um die Belastungen für die Tiere zu verringern.
Hitzestressentwicklung in Österreich
Text: Patrick Müller
Dieser Artikel erschien in VETMED 03-04/2022