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Forschung

Fasziniert vom Borstenvieh – Moritz Bünger im Porträt

Mykoplasmen, zellwandlose Bakterien, sind in schweinehaltenden Betrieben allgegenwärtig. Doch obwohl sie eine Reihe unerfreulicher Krankheiten verursachen können, erkranken längst nicht alle Schweine daran. MORITZ BÜNGER, Assistenzprofessor für Schweinemedizin mit Fokus auf Infektionskrankheiten, möchte herausfinden, welche Faktoren eine aktive Infektion begünstigen.

Moritz Bünger im Portrait
Fotos: Michael Bernkopf/Vetmeduni

Der berühmte Blitzschlag, die Erkenntnis „Das ist es!“, traf Moritz Bünger im Hörsaal. Als in einer Lehrveranstaltung ein paar Schweine eintrudelten, wurde dem damaligen Veterinärmedizinstudenten schlagartig klar, in welche Richtung er sich am liebsten spezialisieren wollte. „Vorher war ich mir da unsicher“, erinnert er sich. „Obwohl mein Herz eigentlich schon lange für Nutztiere geschlagen hat.“ Was für einen Städter wie ihn, aufgewachsen in einem Vorort von München, vielleicht etwas ungewöhnlich klingt. Prägend dürften jedoch die alljährlichen Familienurlaube im ländlichen Bayern gewesen sein. „In diesen Wochen bekamen mich meine Eltern kaum zu Gesicht, denn ich war von früh bis spät am Bauernhof nebenan.“

Neigung trifft auf Gunst der Stunde

Bis zum fertigen Schweinemediziner und -forscher sollte es nach der kindlichen Bauernhof-Begeisterung und der wegweisenden Hörsaal-Begegnung mit dem Borstenvieh allerdings ein wenig dauern. „Es hat schon noch ein paar Schubkräfte gebraucht“, sagt der 32-Jährige, der seinen bisherigen Karriereweg als eine Verkettung glücklicher Zufälle beschreibt. Stets habe er im richtigen Moment interessante Vorschläge bekommen. Wie etwa die Karenzvertretung in der Schweineklinik der Vetmeduni gegen Ende seines Studiums. Oder später die Gelegenheit, sein anfängliches Dissertationsthema Ferkelkastration auf Grundlagenfragen zu Mykoplasmen umzuändern. Danach, frisch promoviert, bot sich in der Schweineklinik eine Postdoc-Stelle mit Laufbahnoption. Er bewarb sich mit Erfolg. Aber auch auf seinem Weg zum Tierarztstudium scheint die Glücksgöttin Fortuna die Hände im Spiel gehabt zu haben. Den ersten Impuls gaben seine Eltern, die ihn wie geschaffen dafür hielten, doch zunächst bekam er keinen Studienplatz. Die daraufhin ergriffene Ausbildung zum Tiermedizinischen Fachangestellten fachte seinen
Studienwunsch dann so richtig an. Gerade als er übermächtig wurde, traf er an seiner Lehrstätte Tierärzte, die ihn auf die Aufnahmsprüfung an der Wiener Vetmeduni aufmerksam machten. Wo er letztendlich nicht nur seine Liebe zu Schweinen entdeckte, sondern auch zur Forschung. Seit Kurzem ist er hier Assistenzprofessor für Schweinemedizin mit Fokus auf Infektionskrankheiten.

„Es ist kein Geheimnis, dass Schweine schlau sind, trotzdem werden sie meist unterschätzt“, bricht er eine Lanze für seine Forschungsobjekte. „Die meisten Leute assoziieren sie mit dem sprichwörtlichen Saustall, mit Gatsch und Dreck, dabei sind sie total reinlich, wenn sie die Chance dazu haben. Sie sind neugierig, hochsozial und so intelligent, dass man sie dressieren kann. Menschen können mit ihnen eine ähnliche Beziehung aufbauen wie mit einem Hund.“

Fokus auf Infektionskrankheiten

Die Schweinemedizin an der Vetmeduni sei sehr infektionskrankheitenlastig, erzählt der 32-Jährige, „und besonders in puncto Viren erstklassig abgedeckt“. Es treffe sich daher gut, dass er die Bakterienseite verstärke. Sein Fokus sind Bakterien namens Mykoplasmen. „Sie sind auf fast allen Betrieben der Welt anzutreffen und besiedeln die Nasenschleimhaut nahezu aller Tiere. Probleme machen sie nur bei einem Teil davon.“ Je nach Mykoplasmen-Art können diese jedoch gravierend sein. Im Gegensatz zum häufigsten Erreger, Mycoplasma hyopneumoniae, der Lungenentzündung verursacht, gibt es gegen Mycoplasma hyorhinis und Mycoplasma hyosynoviae noch keine in der EU zugelassenen Impfungen.

Auf die beiden Letzteren konzentriert sich Moritz Bünger. Mycoplasma hyosynoviae betrifft den Bewegungsapparat und löst Polyarthritis aus: Die Schweine lahmen und trippeln plötzlich, haben Schmerzen, fressen und wachsen schlecht. Mycoplasma hyorhinis hingegen kann verschiedene Körperteile infizieren. „Das können die Atemwege und die Lunge sein, aber auch Gelenke, Brust- oder Bauchhöhle oder das Gehirn.“ Er möchte herausfinden, warum diese omnipräsenten Keime nur manche Tiere krank machen und andere nicht. Sind Stämme unterschiedlicher Pathogenität am Werk? Oder Umstände wie etwa eine parallel verlaufende Virusinfektion? „Wir vermuten eine Mischung aus beidem.“

Aktuell wertet er Proben aus, die sein Team im Frühjahr zweiwöchentlich aus der Nase drei Monate alter Schweine genommen hat, um deren Erstkontakt mit dem Erreger zu erheben. Zudem sollen Blutproben aus derselben Periode Aufschluss darüber geben, wie sich ihre Immunantwort im Verhältnis zu diesem Zeitpunkt entwickelt hat. Für seine frühere Passion, das Laientheaterspiel, fehle ihm inzwischen die Zeit, bedauert er. „Aufführungen der Vedmeduni-Theatergruppe lasse ich mir aber nie entgehen.“ Aktiv ist er nach wie vor im Vetmeduni-Fußballverein und hier und da geht sich sogar sein Hobby, das Fischen, aus.

alle Fotos: Michael Bernkopf/Vetmeduni

Text: Uschi Sorz

Der Beitrag ist in VETMED 03/2024 erschienen.