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21.10.2024: Im Alter ab acht bis zehn Monaten fangen Kleinkinder an, zwischen einem interessanten Objekt und einer anderen Person hin- und herzublicken. Diese Fähigkeit wird von der Wissenschaft als grundlegend für die Entwicklung komplexer sozial-kognitiver Fähigkeiten angesehen. Eine in „Animal Cognition“ erschienene Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien, der Universität Wien und der Universität Bern liefert den Nachweis, dass diese Fähigkeit nicht auf Menschenkinder beschränkt ist. Auch Hundewelpen zeigen diese Gabe bereits im Alter von wenigen Wochen.

Gut sozialisierte Hundewelpen zeigen laut der Studie bereits im frühen Alter von sechs bis sieben Wochen Blickwechsel in zwei Kontexten. Demnach wechselten 69,4 % der Welpen in einem Test mit einem unbekannten Objekt und 45,59 % der Welpen während einer unlösbaren Aufgabe mindestens einmal ihren Blick zwischen dem Gesicht einer menschlichen Person und dem Objekt.

Hundewelpen erfolgreich im Blick-Test

Untersucht wurden in der Studie insgesamt 83 Hundewelpen (Canis familiaris) von acht verschiedenen Rassen aus zwölf Würfen, davon waren 48 Vierbeiner weiblich und 35 männlich. Die Häufigkeit der Blickwechsel wurde in zwei Subtests gemessen, während einer Problemlöseaufgabe und in einem Test mit einem neuen Objekt. Im ersten Durchgang der Problemlöseaufgabe konnten die Welpen einen Becher umwerfen und so an darunter liegende Futterstücke kommen. Im zweiten (für die Auswertung relevanten) Durchgang war der Becher fixiert, so dass das Futter unerreichbar blieb. Beim neuen Objekt handelte es sich um ein batteriebetriebenes Katzenspielzeug, welches sich auf der Stelle bewegte.

„Unsere Vorhersage lautete, dass junge Welpen in beiden Kontexten Blickwechsel zeigen und dass die Häufigkeit der Blickwechsel zwischen den Situationen korrelieren würde. Diese Annahmen konnten wir durch unsere Studie bestätigen“, erklärt Studien-Erstautorin und Studienleiterin Stefanie Riemer vom Messerli Forschungsinstitut der Vetmeduni. „Junge Welpen winseln außerdem sehr häufig. Falls die Blicke eine kommunikative Funktion haben, würden wir eine Korrelation mit der Dauer des Winselns (einer anderen Kommunikationsform) erwarten. Tatsächlich war die Häufigkeit der Blickwechsel in beiden Situationen positiv mit der Dauer des Winselns korreliert“, so Stefanie Riemer weiter.

Zudem war die Anzahl der Blickwechsel in beiden Situationen korreliert; individuelle Welpen unterschieden sich also in ihrer Tendenz, Blickkontakt zum Menschen aufzunehmen. „Die Motivation ist in beiden Kontexten jedoch vermutlich unterschiedlich“, so Riemer. Einmal handelt es sich um ein neues und potenziell unheimliches Objekt – vielleicht sucht der Welpe in dieser Situation soziale Unterstützung. Eine frühere Studie hat außerdem gezeigt, dass Hundewelpen die Reaktion des Menschen auf ein neues Objekt beobachten und ihr Verhalten demnach anpassen, etwas durch eine schnellere Annäherung an das Objekt, wenn der Mensch positive Emotionen zeigt. Die Problemlöseaufgabe ist hingegen frustrierend. Erwachsenen Hunde nützen Blickkontakt, um Unterstützung zu erlangen, wenn sie ein Problem nicht selbst lösen können. Auch bei den Welpen ist dies eine mögliche Interpretation.

Blickkontakt zu Menschen vermutlich genetisch angelegt

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Hunde schon sehr früh in der Ontogenese genetisch darauf vorbereitet sind, mit Menschen über Blickkontakt zu kommunizieren. Allerdings benötigen sie laut Riemer offenbar engen Kontakt mit dem Menschen, um diese Fähigkeit zu entwickeln. In früheren Studien mit Welpen, welche mit weniger menschlichem Kontakt aufwuchsen, wurden Blickwechsel nämlich erst deutlich später beobachtet. Dies unterstreicht das Zusammenwirken von Domestikation und Umweltfaktoren auf die Verhaltensentwicklung bei Hunden. Darauf deutet auch der Umstand hin, dass Haushunde ähnlich wie Menschen, aber anders als Menschenaffen oder Wölfe, schon in einem frühen Entwicklungsstadium Blickwechsel zeigen, wenn sie gut sozialisiert sind.

 

Der Artikel „Evidence for the communicative function of human-directed gazing in 6- to 7-week-old dog puppies“ von Stefanie Riemer, Alina Bonorand und Lisa Stolzlechner wurde in „Animal Cognition“ veröffentlicht.



Wissenschaftlicher Artikel