Springe zum Hauptinhalt

21.08.2024: Ein internationales Team von Wissenschafter:innen hat einen Mechanismus entdeckt, durch den Zellen der akuten myeloischen Leukämie (AML) ihr Wachstum aufrechterhalten. 

Forscher:innen des Baylor College of Medicine in Houston, der Veterinärmedizinischen Universität Wien und des Josep Carreras Leukämie-Forschungsinstituts in Barcelona entdeckten, dass AML-Zellen die Synthese von Proteinen, die ihr Wachstum unterdrücken, verhindern, indem sie die mRNAs, die für solche Proteine kodieren, in sogenannten P-bodies zwangsweise isolieren. Diese Erkenntnisse, die in „Nature Cell Biology“ veröffentlicht wurden, bieten eine neue Perspektive auf die Überlebensmechanismen von AML-Zellen sowie Möglichkeiten für neue Krebstherapien.

„Trotz bedeutender Fortschritte in der Krebsforschung ist die Prognose für die meisten AML-Patienten nach wie vor schlecht“, so Co-Autor Bruno Di Stefano, Assistenzprofessor für Molekular- und Zellbiologie und Mitglied des Stem Cells and Regenerative Medicine Center (STaR) am Baylor College of Medicine. „Unser Ziel war es, neue Schwachstellen von Leukämiezellen, die bei AML möglicherweise therapeutisch angegangen werden könnten, zu identifizieren und mechanistisch zu verstehen.“

Frühere Studien haben gezeigt, dass Leukämiezellen den Prozess der Übersetzung von mRNAs in Proteine in einer Weise stören, die ihr Wachstum begünstigt. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind bislang jedoch nur unzureichend geklärt.

„Unsere erste Erkenntnis darüber, wie Leukämiezellen die normale Translationskontrolle aushebeln könnten, war die Entdeckung, dass sie mehr P-bodies als ihre normalen Gegenstücke beherbergen“, so Di Stefano, Mitglied des Dan L Duncan Comprehensive Cancer Center. „Spannenderweise waren P-bodies für das Wachstum von Leukämiezellen essentiell, nicht aber von normalen Blutzellen, was auf eine mögliche AML-spezifische Abhängigkeit hindeutet.“

P-bodies sind eine Art biomolekulares Kondensat, die Proteine und Nukleinsäuren wie RNA in Zellen konzentrieren. P-bodies dienen als Speicher, die bestimmte mRNAs von der zellulären Maschinerie, die sie in Proteine umwandelt, abschirmen. „Wir betrachten P-bodies als Speichereinheiten für RNA“, so Di Stefano.

Die Forscher:innen erstellten Profile der mRNAs in den P-bodies von AML-Zellen. „Wir entdeckten, dass Leukämiezellen mRNAs, die für Tumorsuppressorproteine kodieren, in P-bodies ablagern“, sagte Di Stefano. „Besonders wichtig ist, dass diese mRNAs nicht abgebaut werden. Durch die forcierte Auflösung der P-bodies konnten wir außerdem feststellen, dass die mRNAs in Proteine übersetzt werden können, die die AML eindämmen.“

„Die Beseitigung von P-bodies durch die Entfernung von DDX6, einem der für ihre Bildung verantwortlichen Proteine, löste in verschiedenen Modellen menschlicher AML den Tod von Krebszellen aus, und zwar bei mehreren verschiedenen Subtypen und Mutationen“, so Co-Autor José L. Sardina, Principal Investigator am Josep Carreras Leukämie-Forschungsinstitut. „AML ist eine heterogene Krankheit, und die Entdeckung eines molekularen Weges, der eine konservierte Achillesferse darstellen könnte, ist sehr aufregend. Ebenso wichtig ist, dass der Verlust von P-bodies kaum Auswirkungen auf die Produktion normaler Blutzellen hat, was das Potenzial eines gezielten Eingriffs in die P-body-Bildung bei AML weiter unterstreicht.“

„Die Entdeckung, dass AML-Zellen von P-bodies und von den zugrundeliegenden molekularen Mechanismen abhängen, hat mehrere wichtige Implikationen“, so Co-Autor Florian Grebien, Professor für Medizinische Biochemie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. „Erstens bietet sie neue Einblicke in den wenig untersuchten Mechanismus der kontrollierten mRNA-Translation im Zusammenhang mit der Krebsentwicklung. Und zweitens ist das DDX6-Protein ein pharmakologisch gut handhabbares Molekül. Unsere Arbeit eröffnet neue Wege für die Entwicklung von Krebsmedikamenten, die auf diesen Mechanismus abzielen.“

 

Der Artikel "RNA sequestration in P-bodies sustains myeloid leukaemia" wurde in Nature Cell Biology veröffentlicht.
 

Wissenschaftlicher Artikel