27.05.2024: Umweltveränderungen und ihre Folgen für Tier und Mensch standen am 24. Mai im Fokus der 3. Mallnitzer Tage, die seit 2019 in Kooperation zwischen der Veterinärmedizinischen Universität Wien, dem Land Kärnten und dem Nationalpark Hohe Tauern stattfinden.
Die 3. Mallnitzer Tage ergänzten die Erkenntnisse der Wildtiertagung „Auswirkungen des Klimawandels auf Wildtiere“, die im Jahr 2022 im Nationalpark Hohe Tauern stattgefunden hatte. Dabei wurden insbesondere Aspekte wie Lebensraumzerschneidung und Lichtverschmutzung eingebracht, die neben dem Klimawandel zu den wesentlichsten Umweltveränderungen zählen.
Je vorhersagbarer, desto weniger dramatisch
Während Wandlungsprozesse an sich eine fundamentale Eigenschaft der Umwelt sind, sind viele der aktuell beobachteten Veränderungen vom Menschen beeinflusst. Dabei gilt: Je vorhersagbarer und langsamer der Wandel, desto weniger dramatisch die Konsequenzen. Der Wechsel von Tag und Nacht stellt Tiere schließlich ebenso wenig vor Probleme wie die schrittweise Veränderung der Tageslänge im Jahresverlauf. Das plötzliche Auftauchen eines neuen Krankheitserregers oder das Versiegen einer wichtigen Nahrungsquelle kann demgegenüber dramatische Folgen für Individuen, Populationen und sogar ganze Arten haben.
Erkenntnis dank GPS-Daten: Wildtiermanagement im Nationalpark Hohe Tauern
Johannes Huber vom Nationalpark Hohe Tauern gewährte spannende Einblicke in die laufenden Forschungsprojekte des Nationalparks in Kärnten: Im Rahmen des Rotwild-Telemetrieprojekts im Seebachtal wurde 2023 eine neue Lebendfalle direkt im Sommereinstand des Rotwildes installiert, um eine größere Anzahl an Tieren mit Sendern auszustatten. Somit ist es möglich, detaillierte Daten über das Raumnutzungsverhalten des Rotwilds im Nationalpark zu sammeln.
Huber berichtete außerdem über ein weiteres Projekt in Heiligenblut, in dessen Rahmen bereits fünf Stück Gamswild erfolgreich mit GPS-Sendern versehen werden konnten. Besonders faszinierend ist in diesem Zusammenhang das Verhalten von zwei jungen Böcken, die eindrucksvoll demonstrieren, wie intensiv der Lebensraum in den ersten Lebensjahren erkundet wird. Neben der Telemetrie spielen auch die jährlichen Zählungen des Gamswildes in diesem Untersuchungsgebiet eine entscheidende Rolle im Projekt.
Sind Wildschweine Gewinner des Klimawandels?
Die Zahl der Wildschweine in Österreich nimmt stetig zu, was zu einer Ausbreitung bis in alpine Lebensräume führt. Ist diese Art also ein Gewinner der Klimakrise? Dieser Frage ging Claudia Bieber mit ihren Kolleg:innen vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Veterinärmedizinischen Universität Wien Wien nach und erklärte dabei sowohl Aspekte der Populationsökologie als auch die Physiologie der Tierart. Grundlegende Prozesse zu verstehen, ist für sie ein wichtiges Instrument, um sinnvolle Managementpläne entwickeln zu können. Dabei geht es nicht nur um Regulation des Bestands, sondern langfristig auch um den Erhalt gesunder und zukunftsfähiger Wildtierpopulationen.
Verändertes Brutverhalten durch Lichtverschmutzung?
Licht bestimmt den Lebensrhythmus nahezu aller Organismen. Aber der natürliche Tag- und Nacht-Zyklus wird durch die rasant ansteigende Zahl künstlicher Lichtquellen zunehmend verzerrt – mit teils dramatischen Folgen. Erst in den letzten Jahrzehnten wurden die Auswirkungen von Lichtverschmutzung auf die Physiologie, das Verhalten und die Gesundheit von Lebewesen erkannt und erforscht. Katharina Mahr bot Einblicke in die diesbezügliche Forschung an der Veterinärmedizinischen Universität: Um besser zu verstehen, wie sich Lichtverschmutzung auf das Fortpflanzungsverhalten von Singvögeln auswirkt, untersucht sie im Rahmen eines FWF-Projektes Auswirkungen auf das Brutverhalten von Haussperlingen.
Wandern als Anpassung an den Klimawandel
Nicht nur der Klimawandel, der sich im Alpenraum vergleichsweise stark auswirkt, sondern auch zunehmende Freizeitaktivitäten in den Bergen bringen Tiere in Bedrängnis. Matthias Loretto berichtete, dass sich viele Arten durch vertikale Wanderungen an die starken saisonalen Unterschiede im Gebirge anpassen, es aber immer mehr Einschränkungen und immer weniger Rückzugsmöglichkeiten gibt.
Herausforderungen veterinärmedizinischer Projekte mit Wildtieren
Über die besonderen Herausforderungen, die die Arbeit mit Wildtieren mit sich bringt, berichtete Friederike Pohlin. Denn Unterschiede zu Haustieren in Anatomie und Physiologie erfordern spezielle Kenntnisse und Techniken. Die Arbeit im Freien, oft unter ungünstigen Wetterbedingungen, stellt zusätzliche Anforderungen an die Wildtierärzt:innen. Ihr Vortrag bot daher wertvolle Einblicke in die praktischen und wissenschaftlichen Aspekte der Arbeit mit Wildtieren und unterstrich die Bedeutung spezialisierter Forschung und Ausbildung in diesem Bereich.
Feuersalamander in Bedrängnis?
Die Umweltveränderungen, die sich besonders auf Amphibien auswirken, standen im Fokus von Carolin Dittrich. Am Beispiel des heimischen Feuersalamanders wurden Lebensraumveränderungen, etwa durch Waldbewirtschaftung oder Klimawandel, thematisiert. Des Weiteren wurde auf die Gefahr des sich ausbreitenden Hautpilzes (Batrachochytrium salamandrivorans) hingewiesen, welcher in kürzester Zeit ganze Populationen in die Knie zwingen könnte. Durch geeignete Hygienemaßnahmen kann die Verbreitungswahrscheinlichkeit des Pilzes allerdings gesenkt werden.
Stress als Veränderungsmotor
Die Evolution hat Tiere an ihre durchschnittliche Umwelt angepasst, aber auch viele Mechanismen entwickelt, mit deren Hilfe sich Tiere an Umweltveränderungen anpassen können. Dies kann ganz unmittelbar passieren, wie z. B. durch verringerte Aktivität oder Wachstum bei akuter Nahrungsknappheit. Tiere können sich aber auch „vorausschauend umprogrammieren“ mit dem Ziel einer besseren Anpassung an eine veränderte Umwelt. So schlägt z. B. vorgeburtlicher Stress der Mutter auf den Fötus durch und verändert dauerhaft dessen Physiologie und Verhalten, wobei diese Veränderungen stabil über die gesamte Lebenszeit fortbestehen und sogar über mehrere Generationen weitergegeben werden können. Diese Mechanismen können Tierarten dabei helfen, sich an neue Umweltbedingungen anzupassen, haben aber auch ihre Grenzen und ihren Preis, wie Andreas Berghänel in seinem Vortrag darlegte.
Von Chrommatographie bis Vogelnest: ein buntes Rahmenprogramm für Kinder
Auch für die Jüngsten hielten die Mallnitzer Tage spannende Entdeckungen bereit: Denn am Vormittag wurden an aufgebauten Stationen von Alba Hykollari Prinzipien der chromatographischen Trennung auf einfache und bunte Weise erklärt. Außerdem führte man ein farbenfrohes Experiment durch, das Proteine sichtbar macht. Anhand von Utensilien wurden schließlich auch Struktur und Vorkommen von Molekülen erläutert. Last but not least hatten die Kinder - unter der Anleitung von Valeria Marasco - auch die Gelegenheit, ins Leben der Vögel einzutauchen und zu erforschen, welche Nahrung von ihnen bevorzugt wird und wie die Elterntiere die Nester vorbereiten, um die Eier bestmöglich zu schützen.
Otto Doblhoff-Dier, Vizerektor für Forschung und internationale Beziehungen der Veterinärmedizinischen Universität Wien: „Die Mallnitzer Tage finden heuer bereits zum dritten Mal statt und haben sich als wichtige Austauschmöglichkeit zwischen universitärer Wildtierforschung und praktischem Wildtiermanagement im Nationalpark Hohe Tauern bestens etabliert. Ich freue mich sehr, dass unsere VetmedRegio-Initiative auf so großes Interesse in Kärnten stößt.“
„Der Klimawandel ist im Lebensraum der Alpen besonders deutlich spürbar. Die Auswirkungen auf unseren ohnedies eingeschränkten Lebensraum sind mittlerweile mehr als deutlich wahrzunehmen. Meist übersehen wir dabei jedoch, dass dieser sehr massiv auch den Lebensrhythmus und die Verbreitung vieler unserer Tier- und Pflanzenarten beeinflusst und negativ schädigt. Die Sorge um die Artenvielfalt ist trotz mancher Neuansiedlungen berechtigt und wirkt sich letztlich immer auch auf den Menschen aus“, erklärte Bgm. Günther Novak anlässlich der 3. Mallnitzer Tage.
Nationalparkdirektorin Barbara Pucker zeigte sich ob des vielfältigen Programms der diesjährigen Mallnitzer Tage begeistert und unterstrich die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit tiefgreifenden Umweltveränderungen: „Der Nationalpark Hohe Tauern ist ein lebendiger Forschungsraum und die vielfältigen Projekte, die hier durchgeführt werden, tragen hoffentlich dazu bei, Bewusstsein für die Bedeutung von Schutzmaßnahmen zu schaffen“, resümierte sie.
Für die Kärntner Jägerschaft bedeuten die neuen Lebensbedingungen des Wildes auch eine Anpassung des Weidwerks: „Die Jagd aus heutiger Sicht steht im Zeichen der Weiterbildung. Wenn wir die sich ändernden Bedürfnisse des Wildes frühzeitig erkennen, ist es uns rechtzeitig möglich, gesunde Wildbestände zu erhalten und damit zum Schutz der artenreichen Fauna und Flora beizutragen.