Infektionskrankheiten mit Socken bekämpfen
Wie angewandte Forschung im kleinstrukturierten Betrieb aussehen kann, erklärt Lorenz Khol anhand seines Spezialgebiets Paratuberkulose. Die Paratuberkulose ist eine unbehandelbare Darmerkrankung, bei der sich Kälber anstecken, aber nicht einfach diagnostiziert werden können. Die erwachsenen Rinder erkranken, sind aber davor schon infektiös. Der Erreger führt zu chronischem Durchfall, bei dem die Rinder verhungern, obwohl sie laufend fressen.
In Tirol läuft seit mehreren Jahren ein erfolgreiches Präventionsprogramm des Tiroler Tiergesundheitsdiensts, bei dem möglichst viele infektiöse Kühe gefunden, aber auch unbetroffene Betriebe sorgfältig erhoben werden. Dafür kommen alle zwei Jahre „Sockentupfer“ zum Einsatz, die Lorenz Khol nicht erfunden, aber für den Zweck mitetabliert hat. Beim tierärztlichen Routinebesuch wird eine „Riesensocke“ für die Arbeit im Stall angezogen, die sich mit Kot vollsaugt. Der Tupfer kann im Labor gut analysiert werden und wenn es infektiöse Tiere gibt, kann im nächsten Schritt die einzelne Kuh identifiziert und eine Ansteckung der Kälber verhindert werden. Das ist es, was der Fachtierarzt für Rinder meint, wenn er von praktikablen Problemlösungen spricht. Er selbst sieht sich als Generalist innerhalb der Wiederkäuermedizin, denn an der Uniklinik hat er täglich mit Schafen, Ziegen, Rindern, aber auch Lamas und Alpakas zu tun – denn „die Neuweltkamele erlebten einen Boom in den vergangenen zehn Jahren“. In der Forschung sind Infektionskrankheiten sein Spezialgebiet und die größte fachliche Tiefe erreicht er hierin bei der Paratuberkulose.
Wiederkäuer in aller Welt
Nun wäre noch die Frage zu klären, wie der Städter auf die Wiederkäuer gekommen ist. „Eigentlich wollte ich mich auf Pferde spezialisieren. Da ich nicht vom Land komme, aber der Meinung bin, dass ein Tierarzt selbst melken können muss, war ich mit 20 einen Sommer in Salzburg auf einer Alm mit Kühen. Mit meiner damaligen Freundin, die heute meine Frau ist. Bei beiden bin ich geblieben“, lacht er. Er wollte immer in die tierärztliche Praxis, griff aber stets beherzt zu, wenn sich Chancen boten, wie beim Doktorat an der Wiederkäuerklinik, bei Forschungsvorhaben, Lehre oder letztlich der Habilitation. So ist er „hängengeblieben“ und hat sich unversehens viele Jahre auf seinen aktuellen Job vorbereitet.
Nicht nur in Österreich, auch beim klinischen Praktikum an der Washington State University (USA), wo die Betriebsgrößen schon mal zwei Zehnerpotenzen größer sind. Bei Studienaufenthalten an der Tierärztlichen Hochschule in Hannover und dem Referenzlabor für Paratuberkulose in Brno (Tschechien). Oder einem Sabbatical an der University of Florida im Fachbereich Large Animal Clinical Sciences, konkret den Food Animal Reproduction and Medicine Services (FARMS) in Gainesville. Was sieht man da, jenseits des Tellerrands? „Ich kann es nur empfehlen, den Schritt hinaus zu wagen. Die Ausbildung an der Vetmeduni kann überall mithalten. Was die Bestandsbetreuung angeht, wird bei den US-Betriebsgrößen jedenfalls viel wirtschaftlicher gedacht als in kleinstrukturierten Betrieben, wo bei zwölf Tieren jedes einen Namen hat sowie Elterntiere und der Charakter bekannt sind“, sagt Lorenz Khol. Der Reiz eines beruflichen Auskommens in dieser Arbeitsumgebung soll nun eben in der Tiroler Außenstelle vermittelt werden.
Kühe als tierärztliche Herausforderung
Kühe sind für Khol in sich ruhende Wesen, die Kraft ausstrahlen. Gerade ihr duldsames Wesen bewirkt, dass sie in sich hinein leiden: „Wenn ein Pferd eine Kolik hat, ist das unübersehbar. Die Kuh senkt den Kopf und wird immer stiller. Ich muss also sehr genau hinschauen und mich bemühen, um ihr rechtzeitig zu helfen“, beschreibt er seine gerne angenommene Herausforderung. Es ist kein Geheimnis, dass nicht alles, was aus Wien kommt, in Tirol spontan Anklang findet. Aber Lorenz Khol schafft Fakten auf der Sachebene und macht mit direkter Kommunikation gute Erfahrungen. Die Stiftungsprofessur ist zunächst auf fünf Jahre eingerichtet und er freut sich darauf, das Thema mit diesem Rückhalt auf ein neues Level zu heben. Wie der Familienrat im tierfreundlichen Wiener Haushalt mit Nachwuchs im Alter von 7, 11 und 14 Jahren weiter entscheidet, ist noch offen: „Wir haben in Wien ein Aquarium, Meerschweinchen und eine ständige Diskussion über einen Hund. Der Hund und das allseits beliebte Skifahren wären Argumente, die ganze Familie nach Tirol zu übersiedeln.“ Lorenz Khol macht jetzt jedenfalls einmal den Anfang.