Tierschutzombudsstelle Wien und Vetmeduni warnen vor Folgen ungesicherter Fenster und Balkone
02.06.2021: Mit der Temperaturanzeige am Thermometer steigt auch das Unfallrisiko für Wohnungskatzen: Jedes Jahr stürzen in Österreich Tausende Katzen aus ungesicherten Fenstern, von Dachterrassen und Balkonen. Alleine an der Veterinärmedizinischen Universität Wien werden zwischen April und Oktober bis zu 140 betroffene Stubentiger behandelt. „Schwere Verletzungen und hohe Tierarztkosten können die Folge sein, wenn KatzenhalterInnen der gesetzlichen Pflicht, ihre Fenster zu sichern, nicht nachkommen“, warnen Eva Persy, Leiterin der Tierschutzombudsstelle Wien, und Lea Liehmann, Weichteilspezialistin für Kleintiere an der Vetmeduni Vienna.
Schwerwiegende Verletzungen
Bereits bei Stürzen aus dem zweiten oder dritten Stockwerk können Katzen Traumata und Verletzungen erleiden, die in der Tiermedizin als „High-Rise Syndrom“, kurz HRS, bekannt sind. Aus großer Höhe können die Samtpfoten eine Fallgeschwindigkeit von bis zu 100 Stundenkilometer erreichen. Wird diese Geschwindigkeit erreicht, führt ein spezieller Reflex dazu, dass die Tiere die Beine horizontal vom Körper weg strecken. Dies bremst zwar die Fallgeschwindigkeit und führt zu einer gleichmäßigeren Verteilung der Krafteinwirkung beim Aufprall. Gleichzeitig kommt es dadurch jedoch häufiger zu Verletzungen des Kopfes und des Körperstamms, vor allem des Brustkorbs. Zusätzlich können die Bauchorgane wie Leber, Milz, Harnblase oder Bauchspeicheldrüse betroffen sein.
„Am häufigsten treten Verletzungen im Bereich des Kopfes und des Brustkorbs sowie Frakturen der Extremitäten auf“, wissen Lea Liehmann und Tierarzt Felix Wolf. Wolf arbeitet aktuell an seiner Doktorarbeit an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, in der er sich speziell mit den oft schwer akkurat zu diagnostizierenden Verletzungen im Gesichts- und Maulbereich beschäftigt. Mit der Etablierung einer speziellen Computertomographie soll es in Zukunft besser möglich sein, unerkannte Verletzungen in diesen Bereichen zu erkennen und den Patienten noch effektiver helfen zu können. Liehmann betont: „Der Fenstersturz ist lebensgefährlich, die meisten Katzen sind nach dem Aufprall im Schockzustand und müssen sofort zu einem Tierarzt beziehungsweise zu einer Tierärztin gebracht werden“.
Tür- und Fenstersicherungen als Schutz
Die meisten Unfälle passieren in den warmen Monaten, da die TierhalterInnen dann Fenster und Balkontüren häufiger öffnen. Eine frühere Erhebung der Tierschutzombudsstelle Wien hat ergeben, dass im Sommer in Wien rund 15 Katzen täglich in Folge von Fensterstürzen medizinisch behandelt werden müssen. Aktuelle Zahlen der Vetmeduni Vienna und aus tierärztlichen Ordinationen bestätigen auch heuer ein hohes Aufkommen an Sturzopfern. „Dieses Leid ist absolut vermeidbar, wenn die HalterInnen Fenster und Türen richtig sichern“, so Eva Persy. Neben der Sicherungspflicht ist auch die richtige Beschäftigung mit der Wohnungskatze wichtig, um Langeweile vorzubeugen. Denn: Oftmals ist der Absturz die Folge des missglückten Versuchs der Katze, einem draußen vorbeifliegenden Vogel nachzujagen. Persy: „Interaktive Beutespiele, zum Beispiel mit Spielangeln oder Bällen, befriedigen das Jagd-Bedürfnis des Stubentigers. Intelligenzspiele, etwa in Form von Fummelbrettern oder Snackspielzeugen, lasten die Katze auch geistig aus.“
Das Anbringen von geeigneten Schutzvorrichtungen ist gesetzlich vorgeschrieben. KatzenhalterInnen, die dieser Pflicht nicht nachkommen, begehen Verwaltungsübertretungen und müssen mit Strafen bis zu 7.500 Euro rechnen. Ebenfalls teuer kann die medizinische Behandlung werden. „Viele BesitzerInnen sind erschrocken über die entstehenden Kosten, die bei stark verletzten Tieren – bedingt durch die intensive Betreuung und die Operationen, die notwendig sind, um das Leben der kleinen Lieblinge zu retten – rasch auf mehrere Tausend Euro anwachsen können“, so Liehmann.
So können Fenster und Balkone gesichert werden:
- Generell sollte Volieren-Draht oder ein drahtverstärktes Netz (Katzennetz) zum Einsatz kommen.
- Fenster: Kleben Sie mit dem Netz bespannte Holz- oder Alurahmen mit einem starkhaftendem (!) Klettklebeband an den Außenrahmen des Fensters. Eine weitere Möglichkeit ist es, die Rahmen mit Hilfe von Metallwinkeln an das Fenster zu klemmen oder zu verschrauben (Verschrauben nur mit Einverständnis der Hausverwaltung!). Ein Fensterkeil verhindert zudem, dass die Katze beim gekippten Fenster in die Fensterspalte rutscht.
- Loggia: Bringen Sie in den Ecken feststellbare Teleskopstangen oder Latten an (klemmen, schrauben, spannen oder am Geländer mit Kabelbindern oder Schrauben fixieren), und befestigen Sie daran mit Haken oder Kabelbindern das Netz.
- Balkon: Idealerweise bauen Sie einen für den jeweiligen Balkon passenden Rahmen, den Sie anschrauben, einklemmen oder kippsicher hinstellen. Das Netz kann mit Haken oder Kabelbindern am Rahmen befestigt werden.
Neben der Eigenbau-Variante gibt es die Möglichkeit, fertige Katzenschutzsysteme im Fachhandel zu kaufen oder sich individuelle Lösungen von auf Absturzsicherungen spezialisierten Firmen erstellen zu lassen. „Bitte beachten Sie, dass Installationen, die mit „baulichen Veränderungen“ verbunden sind, also etwa Bohrungen in Fensterrahmen oder der Hausfassade, unbedingt vorher von der Hausverwaltung oder dem/der EigentümerIn genehmigt werden müssen und nur von Fachleuten ausgeführt werden sollten“, betont Persy.