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Schnelle geschlechtsspezifische Anpassung an hohe Temperaturen bei Drosophila
26.02.2020: Obwohl sie fast die gleichen Gene haben unterscheiden sich Männer und Frauen in vielen Merkmalen – so auch bei Fruchtfliegen. Ein Team der Vetmeduni Vienna hat in einer soeben in eLife erschienenen Studie gezeigt, dass diese Unterschiede wichtig für Anpassungen an neue Umweltbedingungen sein können. In Evolutionsexperimenten im Labor haben Drosophila Männchen und Weibchen unterschiedliche Eigenschaften entwickelt, nachdem sie einer hohen Umwelttemperatur ausgesetzt waren. Doch anstelle von neuen Genmutationen werden vorrangig bestehende geschlechtsspezifische Variationen zur Genregulation genützt. Durch diesen Mechanismus sind schnellere evolutionäre Reaktionen möglich – eine neue Erkenntnis von großer Relevanz, auch für den Menschen.
Nicht erst seit dem Bestseller von John Gray „Männer sind vom Mars. Frauen von der Venus“ sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern in jedermanns Munde. Auch Evolutionsbiologen haben das Phänomen untersucht und sind zu der Schlussfolgerung gekommen, dass dieser Geschlechtsdimorphismus durch Anpassungen an die geschlechtsspezifischen Bedürfnisse entstanden ist. „Im Tierreich brauchen Weibchen z.B. die Voraussetzungen viele Nachkommen zu bekommen und aufzuziehen - Männchen hingegen sollten viele Nachkommen zeugen,“ führt der Erstautor der Studie, Sheng-Kai Hsu, aus. Das Besondere ist, dass sich die Bedürfnisse der Geschlechter manchmal diametral entgegenstehen. So stellt sich die Frage, wie geschlechtsspezifische Anpassungen geschehen können, obwohl Männchen und Weibchen fast die identischen Gene haben. Evolutionsbiologen sind davon ausgegangen, dass die Auflösung dieser sexuellen Konflikte typischerweise sehr lange dauern und bis dahin ein Kompromiss zwischen den Anforderungen der Geschlechter gefunden werden muss.
Rasche evolutionäre Anpassung an höhere Temperaturen
Ein Team um Christian Schlötterer, Leiter des Instituts für Populationsgenetik der Vetmeduni Vienna, untersuchte in einer aktuellen Studie anhand von Taufliegen (Drosophila; auch als Fruchtfliegen bekannt) die Auswirkungen von Umweltveränderungen auf Anpassungsprozesse. Dazu Christian Schlötterer: „Ursprünglich sind wir davon ausgegangen, dass beide Geschlechter von Umweltänderungen im gleichen Ausmaß betroffen sind. Daher waren wir extrem überrascht zu sehen, wie schon nach 100 Generationen Männchen und Weibchen sich in entgegengesetzte Richtung entwickelt haben“.
Geschlechtsspezifische genetische Variationen als Turbo der Evolution
Unterstützt durch Computersimulationen gehen die ForscherInnen davon aus, dass eine veränderte geschlechtsabhängige Genregulation aufgrund einer bestehenden genetischen Variation anstelle von neuen Mutationen der Motor für eine schnelle geschlechtsspezifische Anpassung ist. Diese Annahme wird durch die breite Palette von Phänotypen belegt, die sich bei Männchen und Weibchen finden. Damit konnten die ForscherInnen erstmals einen Mechanismus der Evolution identifizieren, der gegenüber Genmutationen eine deutlich schnellere Anpassung an veränderte Umweltbedingungen ermöglicht.
Beleg für den Nutzen von Gendermedizin beim Menschen
Mit ihren Ergebnissen unterstreicht die vorliegende Studie die Bedeutung der experimentellen Evolution. Denn die neuen aus der Grundlagenforschung gewonnenen Erkenntnisse haben laut Schlötterer eine große Relevanz, auch für die praktische Anwendung und neue Therapien in der Humanmedizin: „Unsere Entdeckung umweltbedingter unterschiedlicher funktioneller Anforderungen von Männchen und Weibchen hat wichtige Auswirkungen – vermutlich auch auf geschlechtsspezifische medizinische Therapien. Konkret nehmen wir an, dass unsere Ergebnisse einen tiefgreifenden Einfluss auf die biomedizinische Forschung und die medizinischen Behandlungen haben werden, die die gewaltigen Unterschiede zwischen beiden Geschlechtern berücksichtigen müssen, insbesondere in Bezug auf Umweltstressfaktoren, die von der Ernährung bis hin zu klimatischen Bedingungen reichen.“