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Revierverteidigung bei Pfeilgiftfröschen: Erfahrung zahlt sich aus
13.05.2020: Erfahrung macht den Unterschied – das ist das wesentliche Ergebnis einer soeben veröffentlichten, von der Vetmeduni Vienna geleiteten, Studie zum Verteidigungsverhalten von Pfeilgiftfröschen (Allobates femoralis, eine in Amazonien verbreitete Art). Entgegen der Annahme, dass vor allem die Reaktionsgeschwindigkeit die Genauigkeit der Verteidigungs-Attacken beeinflussen würde, ist laut den ForscherInnen das Alter der Tiere und damit ihre Erfahrung hinsichtlich Revierverteidigung der relevante Erfolgsfaktor.
Männliche Pfeilgiftfrösche sind hoch territorial und jeder rufende Eindringling wird aggressiv aus dem Territorium gejagt. Jeder dieser Revier-Verteidigungsangriffe muss jedoch mit Vorsicht erfolgen. Denn Kämpfe sind energetisch kostspielig und das Risiko von Verletzungen oder einer Attacke auf ein falsches Tier – das auch eine potenzielle Partnerin sein könnte – ist hoch. Eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit ist jedoch – entgegen bisheriger Annahmen – nicht mit einer höheren Zahl an fehlerhaften Angriffsentscheidungen verbunden. Entscheidend ist vielmehr das Alter der Tiere. Dazu Studienleiterin Eva Ringler vom Messerli Forschungsinstitut der Vetmeduni Vienna: „Jüngere Frösche machen bei ihren Angriffen häufiger Fehler als ältere. Das deutet darauf hin, dass die Erfahrung eine wesentliche Rolle bei der Identifizierung und Unterscheidung konkurrierender Tiere spielt, wenn es um das Verteidigen von Territorien geht.“
Von Vorteil: Zuwarten und Hirn einschalten
Den Hintergrund der Studie bildet ein wesentlicher Faktor in der Tierwelt: Viele Verhaltensprozesse bei Tieren sind von dem antagonistischen Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Genauigkeit geprägt. Tiere, die vor einer Verhaltensreaktion mehr Zeit damit verbringen, Informationen zu sammeln, weisen geringere Fehlerraten auf als Individuen, die schneller handeln. Dieser sogenannte Kompromiss zwischen Geschwindigkeit und Genauigkeit hat zur Folge, dass Geschwindigkeit und Genauigkeit bei der Entscheidungsfindung nicht gleichzeitig maximiert werden können. Konkrete Auswirkungen hat dieser Kompromiss beispielsweise auf den Schutz vor Fressfeinden, die Nahrungssuche und die Auswahl von Nistplätzen. In Bezug auf das territoriale Verhalten war über diesen Kompromiss bislang jedoch wenig bekannt.
Erfahrung macht Attacken erfolgreicher
Die ForscherInnen untersuchten deshalb in ihrer Studie den Kompromiss zwischen Geschwindigkeit und Genauigkeit im Zusammenhang mit der männlichen Territorialität während der Brutzeit des Pfeilgiftfrosches Allobates femoralis. In ihrem Experiment präsentierte das Forschungsteam den untersuchten Fröschen den Anzeigeruf eines unsichtbaren „bedrohlichen“ Eindringlings zusammen mit einem sichtbaren „nicht bedrohlichen“ Eindringling. Bei Letzterem handelte es sich um ein naturgetreu nachgebildetes Modell dieser Froschart, um ein Weibchen bzw. ein nicht-rufendes Männchen zu simulieren. „Entgegen unserer Vorhersage bestimmten weder die Reaktionszeit noch die Annäherungsgeschwindigkeit der getesteten Frösche die Wahrscheinlichkeit fehlerhafter Angriffe auf das Modell. Jüngere Individuen griffen das nicht bedrohliche Froschmodell jedoch häufiger an als ältere“, so Ringler.
Angriffe erfolgen generell mit großer Vorsicht
Die Ursache sehen die ForscherInnen darin, dass ältere A. femoralis-Individuen erfahrener sind und daher vermutlich gelernt haben, visuell zwischen bedrohlichen Eindringlingen und nicht bedrohlichen Individuen sowie zwischen Männchen und Weibchen zu unterscheiden. Weitere wichtige Erkenntnis: Die allgemein niedrige Angriffsrate der Frösche von weniger als 20 Prozent entspricht der allgemeinen Annahme, dass Kämpfe energetisch kostspielig sind und das Risiko von Verletzungen bergen.