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Nanopartikel auf Basis von Lentiviren – ein neuer Ansatz in der Genomchirurgie
19.08.2020: Unter Genome Editing bzw. Genomchirurgie werden all jene molekularbiologischen Techniken zusammengefasst, die zur zielgerichteten Veränderung von DNA, einschließlich des Erbguts von Pflanzen, Tieren und Menschen dienen. Ein limitierender Faktor in der Anwendung dieser Technologie sind derzeit nicht ausreichend sichere und effiziente Methoden. Ein an der Vetmeduni Vienna entwickeltes und soeben vorgestelltes neues System könnte dies nun ändern.
Die Anwendung und die Skalierbarkeit von Genome-Editing-Technologien ist derzeit durch das Fehlen sicherer und effizienter Methoden zur Abgabe von RNA-gesteuerten Endonukleasen an Zielzellen begrenzt. Denn die bisher angewandten Methoden zur Abgabe von DNA weisen eine begrenzte Zelltypspezifität auf und sind mit Nebenwirkungen verbunden, wie z.B. der Integration in unerwünschte chromosomale Stellen, der Immunogenität oder der Limitierung der Größe. Die Aufmerksamkeit der Wissenschaft richtet sich daher zunehmend auf die direkte Applikation von vormontierten Cas9-Protein/sgRNA-Komplexen (RNPs) an Zellen, bei denen der schnelle Umsatz von RNPs die Exposition des Genoms gegenüber Nukleasen begrenzt und dadurch Effekte außerhalb des Ziels abgeschwächt werden. Darüber hinaus wird angenommen, dass das vorübergehende Auftreten von RNPs in Zellen nur minimale angeborene und adaptive Immunantworten hervorruft. Trotz der Vorteile der RNP-Abgabe ist die Verwendung dieses Ansatzes bisher auf Zelltypen beschränkt, die nicht unter einer verminderten Lebensfähigkeit der Zellen oder phänotypischen Veränderungen leiden. Darüber hinaus ist die Technologie sehr aufwändig und es fehlt die Gewebe- und Zellspezifität. Daher besteht ein dringender Bedarf an einem vielseitigeren, sichereren, zellselektiveren und einfacher nutzbaren System.
Robustes, wirkungsvolles System
In ihrer nun präsentierten Studie beschreiben Ivana Indikova und Stanislav Indik vom Institut für Virologie der Vetmeduni Vienna das von ihnen entwickelte neuartige System für die gemeinsame Abgabe des Cas9-Proteins und eine Vorlage für sgRNA in lentivirusbasierten „Nanopartikeln“. Die Idee hinter der neuen Technologie basiert auf Erkenntnissen, dass Lentiviren gleichzeitig Fremdproteine und eine episomale virale DNA abgeben können, die durch reverse Transkription aus dem Vektor-RNA-Genom erzeugt wird.
Dazu Stanislav Indik: „Wir haben diesen Ansatz erweitert, um zu zeigen, dass episomale DNA als Vorlage für die Transkription von sgRNA dienen kann, die mit dem gemeinsam abgegebenen Cas9-Protein einen Komplex bildet und die Nuklease auf eine bestimmte Stelle im Genom richtet. Diese Strategie führt zu einer robusten Editieraktivität, die mit der für die direkte Abgabe von Cas9-Protein/sgRNA-Komplexen an Zellen vergleichbar oder sogar überlegen zu sein scheint.“ Laut dem Forschungsteam kann der nun präsentierte Ansatz als eine neue Plattform für die effiziente, dosisgesteuerte und gewebespezifische Abgabe von Genombearbeitungsenzymen an Zellen dienen und für die gleichzeitige endogene Genbeeinflussung und Transgenabgabe geeignet sein.
Neue Technologie erweitert die bisherigen Einsatzmöglichkeiten auf neue Anwendungen
Im Gegensatz zur chemischen Transfektion oder Elektroporation ist die virusvermittelte Abgabe zudem rezeptorvermittelt, sodass die Verwendung von Pseudotypen, die natürliche oder manipulierte Hüllproteine tragen, einen selektiven Transfer auf im Wesentlichen jede Zielzellpopulation ermöglichen kann. „Dieser Ansatz kann sogar das Repertoire der Zelltypen, die bearbeitet werden können, auf klinisch relevante nicht teilende Zellen (z. B. Neuronen, Hepatozyten, ruhende Lymphozyten und hämatopoetische Stammzellen) erweitern“, so Indik.