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Was Hasen Bauchweh macht
25.04.2019: Immer häufiger werden beim Europäischen Feldhasen Erkrankungen des Verdauungstrakts festgestellt. Der Grund sind oftmals Veränderungen der aus Mikroorganismen bestehenden Darmflora, dem sogenannten Mikrobiom. Über die Ursachen dafür war bisher wenig bekannt. Eine soeben erschienene Studie der Vetmeduni Vienna zeigt nun erstmals, dass für die Veränderungen in der Zusammensetzung der Darmbakterien lebensraumbedingte Umweltfaktoren verantwortlich sein könnten.
Das Forschungsteam der Vetmeduni Vienna, welches aus Forschern des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie (Gabrielle Stalder) unter Beteiligung zweier Abteilungen des Instituts für Lebensmittelsicherheit, Lebensmitteltechnologie und öffentliches Gesundheitswesen (Arbeitsgruppen Evelyne Mann-Selberherr und Beate Pinior) besteht, untersuchte im Rahmen der Studie Mikrobiota von drei verschiedenen Hasenpopulationen, die an unterschiedlichen Orten leben.
Umweltfaktoren beeinflussen die Darmflora von Hasen
Wie die Ergebnisse zeigen, haben die geographische Lage und damit potentiell verbundene Umweltfaktoren einen erheblich größeren Einfluss auf die Zusammensetzung der Mikrobiota als Wirtsfaktoren. Dazu Studienleiterin Gabrielle Stalder vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni Vienna: „Die vorliegende Pilotstudie ist von großer wissenschaftlicher Bedeutung, da sich aus den Ergebnissen neue Hypothesen ableiten lassen, welche eine Erklärung dafür geben, welche Populationsschwankungen die Darmgesundheit bei Feldhasen zur Folge haben kann. Unser Ziel war es, eine breite Basis zu schaffen, um Hypothesen an der Schnittstelle von Darmgesundheit und Landnutzung in Bezug auf den Europäischen Feldhasen und potentiell anderer Arten zu generieren, die von einer schnellen Änderung oder intensiven Nutzung ihres Lebensraums betroffen sind. Dabei handelt es sich um Informationen, die bisher fehlten, aber sehr wichtig sind, um zu verstehen, wie sich Umweltfaktoren auf das Mikrobiom und damit auf die Gesundheit von Europäischen Feldhasen und generell von Wildtieren auswirken können.“
Der Europäische Feldhase – weit verbreitet, aber regional bedroht
Der Europäische Feldhase (Lepus europaeus) ist eine weit verbreitete und wichtige Wildtierart in ganz Europa. Trotz der Einstufung ihres Populationsstatus als „am wenigsten besorgniserregend“ durch die Internationale Union zur Bewahrung der Natur (IUCN, International Union for Conservation of Nature) wurde in den letzten 50 bis 60 Jahren ein mancherorts signifikanter Populationsrückgang festgestellt, der zu einem „nahezu bedrohten“ oder „bedrohten“ Status auf nationalen Roten Listen führte. Eine Reihe von Faktoren wie ungünstige klimatische Bedingungen, Fressfeinde sowie mehrere Krankheitsepidemien haben zu dieser unerfreulichen Entwicklung beigetragen. Die wahrscheinlich größte Bedrohung für diese Art ist jedoch die intensive moderne Landwirtschaft – eine Vermutung, die nun in der Studie der Vetmeduni Vienna Anhaltspunkte findet.
„Die Fragmentierung von Lebensräumen, die Mechanisierung der Landwirtschaft, Monokulturen, die unvorhersehbare Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln sowie die Verwendung von Pestiziden und Düngemitteln könnten sich auf Arten wie den Europäischen Feldhasen besonders stark auswirken, da sie sich bei der Auswahl ihrer Nahrung auf wenige, sehr energiereiche Pflanzenarten beschränken. Darüber hinaus ist bekannt, dass Hasen sehr empfindlich auf Futterveränderungen und -ungleichgewichte reagieren, was eine Störung der Darmflora und Magen-Darm-Erkrankungen zur Folge hat, die sogar zum Tod führen können“, so Gabrielle Stalder.
Bakterien im Darm: Wichtig für die Gesundheit von Wirbeltieren
Jüngste Forschungen in der Human- und Veterinärmedizin haben gezeigt, wie sehr das Mikrobiom, also die Zusammensetzung aller Mikrobiota im Darm, die Gesundheit ihres Wirtstieres beeinflussen. So ist beispielsweise bekannt, dass eine Vielzahl spezifischer Faktoren wie Alter, Geschlecht, Körperzustand, Genetik und Wirtsphylogenie die Mikrobiota in einem Individuum prägen. Außerdem wirken sich Umweltfaktoren wie Lebensstil, Ernährung, Klima und Lebensraumbedingungen sowie Änderungen in der Landnutzung auf die mikrobielle Zusammensetzung im Gastrointestinaltrakt aus. Dieses von Haus- und Labortieren bekannte Wissen kann jedoch nicht ohne weiteres auf wildlebende Tiere übertragen werden. Die vorliegende Studie der Vetmeduni Vienna liefert deshalb einen wesentlichen Beitrag, um das Mikrobiom von Wildtieren besser zu verstehen.