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MMTV- und HIV-Virus: Wie sich Retroviren zur Wehr setzen
10.04.2019: Menschen verfügen über eine Reihe von angeborenen hochwirksamen Immunitätsfaktoren. Dazu zählen unter anderem die sogenannten APOBEC3-Enzyme, die bei der Bekämpfung von Retroviren eine große Rolle spielen. Ein Forschungsteam der Vetmeduni Vienna konnte nun erstmals im Mausmodell anhand des Mausvirus MMTV erklären, mit welchem Mechanismus sich die Retroviren gegen diesen Angriff des Immunsystems ihres Wirtskörpers wehren. Eine Entdeckung, die für den Menschen von großer Relevanz ist, etwa für das Verständnis und die Therapie der Immunerkrankung AIDS.
Die angeborene Immunität ist bei Menschen ein wichtiger Akteur in der täglichen Verteidigung gegen Krankheitserreger einschließlich Viren. Eine Klasse der angeborenen Immunitätsfaktoren besteht aus Mitgliedern der APOBEC3-Familie. Dabei handelt es sich um Cytidin-Deaminase genannte Enzyme, die in der Lage sind, das Genom von angreifenden Viren zu mutieren.
Eine besonders hohe Aktivität zeigen diese Enzyme bei Retroviren, wie man sie vom mit dem HIV-1-Virus infizierten Menschen kennt, oder beim Maus-Mammatumor-Virus MMTV, einem Retrovirus, das bei bestimmten Maus-Stämmen Tumoren der Brustdrüsen auslösen kann. Ihre Wirksamkeit entfalten die APOBEC3-Enzyme, indem sie während eines wesentlichen Prozesses im Retrovirus-Lebenszyklus – der reversen Transkription, also der Umwandlung von viraler RNA in virale DNA – Cytidine abspalten.
Am Anfang stand ein naturwissenschaftliches Rätsel
Um APOBEC3-Enzyme zu neutralisieren, haben Retroviren eine Reihe von Mechanismen entwickelt. Dazu gehören auch spezielle Zusatzproteine wie Vif aus HIV-1, welches APOBEC3-Proteine abbaut, oder Bet, die den Kontakt mit den reversen Transkriptionsvirusgenomen verhindern. Die meisten Retroviren codieren jedoch kein Vif- oder Bet-ähnliches Zusatzprotein. Die Frage, wie sie sich vor APOBEC3 schützen, war deshalb bisher ein Rätsel.
Mechanismus gefunden, wie sich Retroviren schützen
Die in PLOS Pathogens erschienene Studie eines Forschungsteams der Vetmeduni Vienna liefert nun erstmals eine Erklärung. Dazu Stanislav Indik vom Institut für Virologie der Vetmeduni Vienna und Studienleiter: „Im Rahmen unserer Arbeit beschreiben wir einen neuen Mechanismus, welchen die Mehrheit der Retroviren nutzt und zwar insbesondere jene, welche keine Vif- und Bet-ähnlichen Proteine erzeugen.“
Mausmodell liefert Erklärung
Beschrieben wird dieser Mechanismus von den WissenschafterInnen im Mausmodell anhand MMTV: Da APOBEC3-Proteine ein Zwischenprodukt der reversen Transkription (Einzelstrang-DNA) angreifen, können sie ihre antivirale Funktion nur während eines begrenzten Zeitraums ausüben – und zwar dann, wenn DNA in der einzelsträngigen Form vorliegt, also noch bevor der zweite DNA-Strang synthetisiert wird. „Wir haben herausgefunden, dass MMTV eine Reverse Transkriptase (RT) besitzt, die die DNA-Synthese mit einer hohen Geschwindigkeit katalysiert, wodurch APOBEC3-Proteine von einer ausgedehnten Mutation des MMTV-Genoms abgehalten werden. Die Abnahme der Kinetik der reversen Transkription führt zu einer höheren Sensitivität von Retroviren gegenüber APOBEC3-Proteinen und zu einer erhöhten Frequenz der Mutationen“, so Indik.
Entdeckung von hoher Relevanz für den Menschen, etwa bei der Therapie von HIV
Die von den ForscherInnen beobachtete erhöhte Frequenz der Mutationen ist von großer Bedeutung für das Verständnis und die medikamentöse Behandlung von mit Retroviren assoziierten Erkrankungen wie z.B. AIDS. Demnach erhöhen Bedingungen, die die reverse Transkription verlangsamen – dazu zählt die Verwendung von Anti-Retrovirotika in niedrigen/nicht optimalen Konzentrationen –, das Risiko der Entwicklung von Virus-Mutationen.
Neue Resistenzen durch Mutationen wirksam verhindern
Die AutorInnen der Studie empfehlen deshalb: „HIV-1-Patienten sollten das Niveau der Antivirotika, d.h. der Inhibitoren der reversen Transkriptase, in ihrem Blutkreislauf hochhalten. Wenn ihr Niveau abnimmt, steigt die Zahl von HIV-1 Mutationen durch die Immunantwort mit APOBEC3-Enzymen. Dies führt zur Bildung von resistenten mutierten Viren, wodurch PatientInnen AIDS entwickeln und letztendlich versterben.“ Die vorliegende Arbeit liefert vor diesem Hintergrund einen wichtigen Beitrag, um zu erklären, welche Mechanismen zur Etablierung von medikamentenresistenten Mutationen bei PatientInnen beitragen können – und wie sich dies wirksam verhindern ließe.