- Startseite /
- Universität /
- Infoservice /
- Presseinformationen /
- Presseinformationen 2019 /
- IHS-Studie: „Tierärztliche Versorgung in Österreich"
IHS-Studie: „Tierärztliche Versorgung in Österreich“
13.06.2019: Die Ergebnisse geben Einblick in die veterinärmedizinische Ausbildung, den Ist-Stand, die zukünftigen Herausforderungen und in den Strukturwandel des Berufsfelds.
Im Rahmen eines Pressegespräches präsentierte Kurt Frühwirth, Präsident der Österreichischen Tierärztekammer (ÖTK) gemeinsam mit Petra Winter, Rektorin der Vetmeduni Vienna und Ulrich Herzog, Leiter der Gruppe B „Veterinärmedizin und Veterinärwesen, Lebensmittelsicherheit“ des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (BMASGK) sowie Martin Unger, Leiter „Higher Education Research“ des IHS, heute die Ergebnisse der Studie zur „Veterinärmedizinischen Versorgung in Österreich“:
Im Mittelpunkt der von den drei genannten Institutionen in Auftrag gegebenen Studie, steht die Ausbildung und Praxis von VeterinärmedizinerInnen, wobei in der Untersuchung auf die (regionale) Versorgung im Allgemeinen und die Nutztierpraxis im Speziellen eingegangen wurde.
Beruf in Zukunft frauendominiert
Die Veterinärmedizin leistet einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft, indem sie für das Wohlergehen von Tier und Mensch sowohl durch präventive als auch kurative Maßnahmen und akute Seuchenbekämpfung sorgt. Damit sind die Tierärzte und Tierärztinnen Garanten der Lebensmittelsicherheit. Im Jahr 2017 gab es etwa 3.100 aktive TierärztInnen hier zu Lande, und damit um 300 mehr als noch im Jahr 2010. Mit 0,36 TierärztInnen pro 1.000 Einwohner liegt die TierärztInnendichte in Österreich (Stand 2014) geringfügig unter dem europäischen Durchschnitt von 0,38. In Deutschland liegt der Wert bei 0,33.
Aus Sicht des Berufsstandes und der Praxis nimmt Kurt Frühwirth, Präsident der Österreichischen Tierärztekammer Stellung zu den Ergebnissen: „Wie auch in den meisten europäischen Ländern ist der Frauenanteil auch unter den TierärztInnen in den letzten Jahren stark gestiegen: Der tierärztliche Berufsstand war bis in die 1990er Jahre männerdominiert. Schließlich verändert der (nicht nur in Österreich) kontinuierlich steigende Frauenanteil im tierärztlichen Beruf die Berufspraxis nachhaltig.“ 2017 waren bereits 58% der TierärztInnen Frauen und 80% der AbsolventInnen des Diplomstudiums Veterinärmedizin sind Frauen. Tierärztinnen sind unter den Freiberuflern und im Nutztierbereich allerdings noch unterdurchschnittlich repräsentiert.
Beruf dominiert durch Selbstständigkeit
„Obwohl der Anteil an selbstständigen Tierärzten in Österreich 65% erreicht und im Vergleich gesunken ist, liegt er im europäischen Durchschnitt bei 35% und ist damit weiterhin sehr hoch“, so Studienautor Martin Unger.
Herausforderungen im Nutztierbereich
Problematisch sieht Frühwirth die Rekrutierungsprobleme im Nutztierbereich: „Etwa ein Drittel der VeterinärmedizinerInnen arbeitet in Nutztier- und Gemischtpraxen. Österreichweit ist der Großteil der NutztierärztInnen vor allem in Rinderbetrieben tätig.
Im Nutztierbereich wird die aktuelle Versorgung von den VeterinärmedizinerInnen in allen Bundesländern dennoch als eher unterversorgt eingeschätzt. Es ist nicht auszuschließen, dass es in manchen Spezialisierungsbereichen und schwer erreichbaren Gebieten Probleme mit der Versorgung geben wird. Schwierigkeiten zeigen sich außerdem besonders bei der Besetzung von Not- und Bereitschaftsdiensten.“ Als Gründe dafür, so Frühwirth, geben TierärztInnen die mangelnde Attraktivität des Arbeitsplatzes an. „Sorge bereiten unserem Berufsstand die anstehende Pensionierungswelle und damit auch insbesondere die Schwierigkeiten, TierärztInnen in ländlichen und infrastrukturschwachen Regionen zu rekrutieren. Den Umfragedaten zufolge ist im Nutztierbereich aufgrund des relativ hohen Alters vieler NutztierpraktikerInnen in den nächsten 5 bis 10 Jahren mit einer hohen Anzahl an Pensionierungen zu rechnen.“ Die Nutztierpraxis werde oft, aufgrund der ständigen Erreichbarkeit, Einsatzbereitschaft und schwierigen Vereinbarkeit von Beruf und Familie, unter TierärztInnen mehr als „Lebensform“ und nicht als Beruf beschrieben. Doch der Wandel und Paradigmenwechsel in der Einstellung der TierärztInnnen sei spürbar.
Vetmeduni Vienna startete Initiative für ländliche Regionen
Um weiterhin österreichweit eine bestmögliche flächendeckende veterinärmedizinische Versorgung, auch in abgelegenen Regionen, zu gewährleisten, hat die Vetmeduni Vienna die Initiative VetmedRegio ins Leben gerufen: „Studierende sollen frühzeitig – etwa durch Praktika und durch wissenschaftliche Arbeiten – mit den ländlichen Regionen vernetzt werden, um sie darin zu bestärken, sich nach ihrem Studium dort niederzulassen“, so Petra Winter, Rektorin der Vetmeduni Vienna. Im Zuge der Initiative wurde bereits eine intensive Kooperation mit dem Land Kärnten ins Leben gerufen. Auch mit den weiteren Bundesländern strebt man eine vertiefte Zusammenarbeit an.
Als einzige veterinärmedizinische Hochschule in Österreich bildet die Vetmeduni Vienna Studierende aus allen Bundesländern aus: Knapp zwei Drittel kommen aus ländlichen Gebieten, davon kehrt bereits jetzt ein großer Teil als AbsolventInnen in ihre Herkunftsbundesländer zurück. Im Rahmen des Studiums erfahren die Studierenden eine breite Ausbildung, die neben den veterinärmedizinischen Grundlagen ein clinical hands-on Training in den auf fünf verschiedene Tierarten spezialisierten Kliniken umfasst. Besonderer Wert wird außerdem auf die Vermittlung unternehmerischer und kommunikativer Fertigkeiten gelegt.
Tierärztliche Versorgung in Österreich auch in Zukunft gesichert
„Die IHS-Studie belegt, dass es derzeit und in Zukunft ausreichend viele von der Veterinärmedizinischen Universität Wien ausgebildete TierärztInnen gibt und geben wird und dass lediglich ihre Verteilung in Österreich eine Herausforderung darstellt“, erklärt Petra Winter, Rektorin der Vetmeduni Vienna. Das im Jahr 2005/2006 eingeführte Aufnahmeverfahren führte zu einer markanten Erhöhung der Abschlussquote, die im Jahr 2018 bereits 82% betrug. Seit dem Studienjahr 2010/11 beginnen jährlich rund 200 Personen mit einem veterinärmedizinischen Studium, während es von rund 154 Personen (mit steigender Tendenz) jährlich abgeschlossen wird.
Wichtig sei es, die hohen Qualitätsstandards der veterinärmedizinischen Versorgung in Österreich auch in Zukunft aufrechtzuerhalten, sind sich die VertreterInnen der ÖTK, der Vetmeduni Vienna und des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz einig: „Damit VeterinärmedizinerInnen nach ihrem Abschluss in ihrem Beruf tätig bleiben, braucht es verbesserte Rahmenbedingungen“, erklärt Petra Winter, Rektorin der Vetmeduni Vienna.
Von der Lebensform zum Beruf
„War die Arbeitspraxis früher noch stark individualistisch geprägt und durch sogenannte Einzelkämpfer und die Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit von praktischen TierärztInnen gekennzeichnet,“ so Frühwirth und meint weiter: „so sind heute vermehrt (enge) Kooperationen zwischen Einzelpraxen sowie eine vermehrte Gründung von Gemeinschaftspraxen verbreitet.“ Die hohe Arbeitsbelastung könne durch eine arbeitsteilige Gestaltung der Arbeitspraxis verringert werden. Zudem steht der Wunsch nach Spezialisierungen innerhalb von Kooperationen, geregeltem Arbeitsaufwand, sozialer Absicherung und besseren Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, im Vordergrund, erklärt Frühwirth und sagt: „Inwiefern sich die Tendenz zu mehr Kooperationen und Gemeinschaftspraxen in Zukunft auch in alpinen und weniger tierintensiven Regionen entwickelt, wird sich zeigen.“
Die Studie zeigt zudem auch eine zunehmende Verschiebung von freiberuflich tätigen „Einzelkämpfern“ zu angestellten TierärztInnen. „Diese Entwicklung erfordert eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen und eine Neuorganisation der Notfallversorgung für Heim- und Nutztiere“, erklärt Ulrich Herzog vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz. „Außerdem sind gezielte Maßnahmen erforderlich, um amtliche Tätigkeiten, wie die Schlachttier- und Fleischuntersuchung, die für die Gesellschaft von höchster Wichtigkeit sind, z.B. durch eine sozialrechtliche Absicherung attraktiver zu gestalten.“
Beruf im Gemeinwohlinteresse
Eine gemeinsame Strategie aller Verantwortlichen, so Frühwirth, solle es geben, wenn es um Lebensmittelsicherheit, das Gemeinwohl und die Gesundheit von Mensch und Tier geht. Es seien alle gefordert, die hohen Qualitätsstandards in unserem Land mit aufrecht zu erhalten und Verantwortung zu übernehmen – „das wird der Berufsstand alleine nicht schaffen“, betont Frühwirth.
Masterplan Tierarzt/Tierärztin 2030
Für die Zukunft hebt Frühwirth besonders hervor: „Wir stehen vor der Herausforderung, dass trotz hoher TierärztInnenzahlen nicht genügend VeterinärInnen in Bereichen der tierärztlichen Versorgung arbeiten können oder wollen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Dementsprechend kann dieses Problem auch nicht mit einer Maßnahme gelöst werden, sondern benötigt ein Bündel an vielfältigen Ansätzen – vielmehr einen Masterplan, der zwingend gesamtheitlich umgesetzt werden muss. Um Wirkung zu entfalten, dazu braucht es aber auch einen Schulterschluss zwischen Bund, Länder, Gemeinden und der Universität.“