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Hate speech & Co: Was Bauern auf Facebook erleben
06.05.2019: „You should be slaughtered“ – laut einer soeben veröffentlichten Studie der Vetmeduni Vienna nur eine der verbalisierten Aggressionen, mit denen sich TierhalterInnen auf Facebook konfrontiert sehen. Das ist natürlich nicht das Feedback, das sich LandwirtInnen wünschen würden, nützen viele von ihnen den Social Media Dienst nicht nur aus wirtschaftlichen Motiven, sondern auch um aufzuklären und die öffentliche Akzeptanz für die Viehhaltung zu verbessern.
„Mörder“, „Tierquäler“, „Ausbeuter“ oder „Krimineller“ – LandwirtInnen gaben im Rahmen einer soeben von der Vetmeduni Vienna veröffentlichten Studie an, dass die Kritik, die sie auf Facebook erhalten, ziemlich radikal ausfallen kann. Weitere typische Beschimpfungen und Vorwürfe sind z.B., dass die LandwirtInnen „die Kühe zwangsschwängern und vergewaltigen.“ Immer wieder gibt es auch „Holocaustvergleiche“. Nicht selten geht die Kritik auch ins Persönliche, so gab eine der befragten Landwirtinnen beispielsweise an: „Mir wurde vorgeworfen, empathielos und eine schlechte Mutter zu sein, weil ich Kühe habe und ihnen die ‚Babys‘ wegnehme.“
Bei anderen LandwirtInnen kam es sogar zu Beschimpfungen oder Drohungen gegenüber ihren Kindern. Wörtliche Zitate lauten etwa „Deine Kinder sollen auch gebraten werden“ oder die „Kinder sollen an Krebs verrecken.“ Studienautor Christian Dürnberger von der Abteilung Ethik der Mensch-Tier-Beziehung des Messerli Forschungsinstituts resümiert: „Die Studie zeigt, dass nutztierhaltende LandwirtInnen, die ihre Arbeit in sozialen Netzwerken präsentieren, auf Grund ihres Berufes häufig mit „Hate speech“ konfrontiert sind.“
Soziale Netzwerke – ein untaugliches Kommunikationsmedium?
Dieses Ergebnis ist vor allem auch deshalb problematisch, da sich NutztierhalterInnen nicht nur dazu aufgefordert sehen, tiergerechtere Standards zu erfüllen, sondern auch neue Wege der Kommunikation zu finden – vor allem im Sinne eines direkteren Dialogs mit VerbraucherInnen und BürgerInnen. Studien, Bücher und Institutionen, die Kommunikationsmaßnahmen für die Landwirtschaft diskutieren, raten vor diesem Hintergrund denn auch zur Verwendung „Sozialer Netzwerke“ wie Facebook oder Twitter. „Obwohl soziale Netzwerke und hierbei besonders Facebook vielfach wissenschaftlich analysiert werden, und obwohl es zahlreiche Studien und Erhebungen zu landwirtschaftlichen Akteuren gibt, wurde die Rolle von LandwirtInnen auf Facebook wissenschaftlich bisher kaum untersucht“, erklärt Dürnberger die Motivation für seine Forschungsarbeit.
Motive der TierhalterInnen
Die Studie erhob auch die Motive der LandwirtInnen: Warum präsentieren sie ihre Arbeit auf Facebook? Die Motive erschöpfen sich nicht in unmittelbaren ökonomischen Zielsetzungen, vielmehr geht es den LandwirtInnen auch um eine grundsätzliche Information und einen Dialog über Landwirtschaft bzw. Nutztierhaltung. Auf diesem Weg soll die Deutungshoheit in landwirtschaftlichen Diskursen zurückgewonnen werden und das Wissen über landwirtschaftliche Praxis allgemein gesteigert werden.
Dialog oder Belehrung?
Das hierbei zutage tretende Verständnis von „Dialog“ ist jedoch nicht unproblematisch, denn: Auch wenn viele LandwirtInnen im Rahmen der Studie den Begriff „Dialog“ verwenden, ist damit in aller Regel weniger ein Austausch auf Augenhöhe zwischen verschiedenen Akteuren gemeint, als vielmehr ein Belehren von Laien (= BürgerInnen) durch ExpertInnen (= LandwirtInnen). „Es ist fraglich, inwieweit ein solches Dialogverständnis ausreichend ist, um in sozialen Netzwerken gerade mit kritischen Anfragen adäquat umzugehen“, ortet Dürnberger bei den in den Sozialen Netzwerken aktiven LandwirtInnen einiges an Verbesserungspotenzial.
Konstruktive Kommunikation als mögliche Lösung
„Die Studie zeigt, dass es nicht genügt, wenn z.B. die Politik von LandwirtInnen fordert, verstärkt den direkten Dialog mit BürgerInnen und VerbraucherInnen zu führen. Wenn dieser direkte Kontakt zwischen NahrungsmittelproduzentInnen und KonsumentInnen in der Tat gesellschaftlich erwünscht ist, dann muss auch analysiert werden, wie dieser Dialog tatsächlich abläuft. Und es muss gefragt werden, inwieweit dieser Dialog konstruktiver gestaltet werden kann“, so Dürnberger.