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Verhaltensbiologie im Klitzekleinen – Doris Wilflingseder im Porträt
Doris Wilflingseder, Professorin für Infektiologie, ist Spezialistin für Zellkulturen als Alternative zu Tierversuchen. Nach vielen Jahren in Innsbruck wechselt sie als Vertreterin der Vetmeduni an das Ignaz Semmelweis Institut, den interuniversitären Zusammenschluss medizinischer Universitäten zum Thema Infektiologie.
Große Tierliebe und Naturverbundenheit motivierten Doris Wilflingseder einst zu ihrem Zoologiestudium. Sie wollte Verhaltensforschung betreiben und im Feld arbeiten. Man könnte also fragen, ob sie als Spezialistin für Infektiologie und Immunologie nicht vom Weg abgekommen sei. Oder man könnte einfach den Maßstab verändern und sie immer noch genau am Schnittpunkt ihrer beiden Leidenschaften vorfinden: „Im Lauf des Studiums habe ich ein großes Interesse an Zellbiologie und Signaltransduktion entwickelt und der Arbeitsplatz dafür ist nun einmal das Labor. Man könnte sagen, dass ich mich in der Verhaltensforschung einfach auf sehr kleine Organismen und Organsysteme verlegt habe.“
Zudem ist die Innsbruckerin ausgewiesene Expertin für Alternativen zu Tierversuchen, wofür sie 2021 mit einem Staatspreis ausgezeichnet wurde. Den Reiz des Klitzekleinen eröffneten ihr Kurse zu Mikroskopie und Elektronenmikroskopie. Dass sie Forschen zum Beruf machen wollte, stand schnell fest und fasziniert sie seit bald 30 Jahren. „Ich schätze das eigenständige und kreative Arbeiten an der Universität. Die Industrie wäre kein Platz für mich.“ Infektiologie als Spezialgebiet kam mit dem Postdoc an der Medizinischen Universität Innsbruck in ihr Leben, als sie mit HIV arbeitete, einem Virus, das sehr gefinkelt den Wirt austrickst. In diesem Kontext fiel ihr auch auf, dass es keine guten Zellkulturmodelle für Humanpathogene gibt. Der Startpunkt eines weiteren Spezialgebiets, das sie schon lange begleitet: Zellkulturmodelle entwickeln, optimieren und standardisieren. Denn die Ergebnisse von Experimenten sind nur so vertrauenswürdig und verlässlich wie das Ausgangsmaterial. Es scheint ein typischer Wilflingseder-Move zu sein: Wenn etwas fehlt oder nicht passt, kümmere dich darum. In Innsbruck war sie nebenbei auch als Konzertveranstalterin tätig, weil in den Clubs nicht die Bands eingeladen wurden, die sie mochte.
Immer neue Eintrittswege
Hat man nach so vielen Jahren in der Wirt-Pathogen-Interaktion irgendwann alles gesehen oder ist die Beziehungsanbahnung immer anders? Abhängig von der Art des Pathogens, zum Beispiel Virus oder Gift, gibt es einige allgemeine Signalwege, die immer aktiviert werden, berichtet die Forscherin. Und dann gibt es spezifische Wege, die aktiviert oder gehemmt werden, je nach den beteiligten Rezeptoren. Insgesamt zeigt sich also eine Fülle von Antworten der Zelle beim Erstkontakt. In der Forschung möchte sie in Wien jedenfalls die vergleichende Infektiologie weiterverfolgen und humane Barrieremodelle entsprechend an klassische Zwischenwirte, wie Schwein, Fledermaus oder Vogel, anpassen. Mit den Modellen zum Beispiel aus dem Respirationstrakt kann sie sich genau ansehen, was bei einer Tröpfcheninfektion an der Eintrittspforte passiert. Ein Pathogen tritt immer durch die Haut oder die Schleimhaut ein und löst dort Immunreaktionen aus. Um das zu verhindern, muss man diese Prozesse kennenlernen.
Einstieg am Infektiologie-Hub
An das neu gegründete Ignaz Semmelweis Institut, den intrauniversitären Infektiologie-Hub, wurde sie als Gründungsprofessorin berufen. Die Ausschreibung der Vetmeduni passte so genau auf ihr Profil, dass sie den Sprung in die Bundeshauptstadt wagte: „Ich arbeite seit Jahrzehnten an der Wirt-Pathogen-Interaktion, und was ich über menschliche Zellen erfahren habe, lässt sich sehr gut in andere Spezies mit Fokus auf Zoonosen umsetzen.“ Oft zeigen sich im tierischen Wirt kaum Probleme und erst das Überspringen führt zu heftigen Komplikationen, siehe HIV und SARS-CoV-2.
Seit Juli ist sie fix in Wien, wo sie im Labortiermodul jedenfalls weiterhin Alternativen zu Tierversuchen unterrichten wird. Schließlich ist sie auch im Vorstand der Austrian RepRefRed Society, die vom Bund beauftragt ist, alle zwei Jahre die Austrian 3R Days umzusetzen – zuletzt 2023 in Innsbruck, im Mai 2026 dann in Wien. „Ich bringe gerne Farbe ins Leben“, kommentiert Doris Wilflingseder ihren ausgefallenen und bunten Stil, den sie immer wieder ändert. Diese Gewohnheit stammt noch aus der Zeit, als ihre Schwester Friseurlehrling war und sie ihr Modell stand. Auch in konservativeren Umfeldern überzeugte sie letztlich immer damit, dass sie ihre Sache beherrscht, und konnte deshalb so bleiben, wie sie ist.
alle Fotos: Michael Bernkopf/Vetmeduni
Text: Astrid Kuffner
Der Beitrag ist in VETMED 03/2024 erschienen.