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Forschung

Koexistenz von Wolf und Mensch – neue Einblicke

Foto: Rooobert Bayer/WSC, Vetmeduni
Foto: Rooobert Bayer/WSC, Vetmeduni

Das Verhältnis des Menschen zum Wolf reicht von der historischen Ausrottung in weiten Teilen Europas bis zum heutigen Schutz und der damit verbundenen Rückkehr in viele Regionen. Sobald sich Wölfe niederlassen, führt dies allerdings häufig und rasch zu ausgeprägt negativen Einstellungen. Um auf diese Problematik Antworten zu finden, untersucht eine aktuelle Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien in Zusammenarbeit mit der Universität Wien die Rolle des Unbewussten bei der Koexistenz von Wolf und Mensch. Ziel ist es, durch ein besseres Verständnis dieses Miteinander zu verbessern.

Einst in der nördlichen Hemisphäre weit verbreitet, hat die Verfolgung durch den Menschen die Wölfe in Europa fast ausgerottet. Weniger als zwei Jahrhunderte später haben neue umweltpolitische Perspektiven und Schutzgesetze die Rückkehr von Wolfsrudeln in weite Teile ihres früheren Verbreitungsgebietes ermöglicht. Diese Wiederbesiedlung hat jedoch eine Kontroverse ausgelöst. Die Meinung darüber, ob der Wolf gefährlich ist oder das Recht hat, mit uns zusammenzuleben, spaltet die Massen – ein wichtiger Faktor sind dabei unsere Überzeugungen. „Die Untersuchung dieser Einstellungen – also, ob man Wölfe als positiv oder negativ wahrnimmt – ist daher entscheidend für ein nachhaltiges Management für Mensch und Wolf“, betont Studien-Erstautorin Svenja Capitain vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Vetmeduni.

Nähe zum Wolf verändert Einstellungen drastisch

Zwar sagen die meisten Menschen, dass sie die Rückkehr der Wölfe für eine gute Entwicklung halten. Diese Ansicht ändert sich jedoch oft drastisch, wenn sich Wölfe in der Nähe niederlassen. Menschen, die Gefahr laufen, Nutz- oder Haustiere an Wölfe zu verlieren, sind wenig begeistert von deren Anwesenheit. „Sie berichten oft von einer erdrückenden psychischen Belastung, die über den direkten Verlust hinausgeht und auf ständiger Wachsamkeit und Angst um ihre Lebensweise beruht. Aber auch Menschen, die augenscheinlich nichts von Wölfen zu befürchten haben, berichten von ähnlichen Einstellungen“, so fasst das Autorenteam die bisherige Studienlage zusammen. Wichtig ist laut den Wissenschafter:innen, dass diese Einstellungen nicht selten mit dem Gefühl der Ausgrenzung aus der generell wolfsfreundlichen Öffentlichkeit einhergehen, was das Misstrauen gegenüber Politik und Wissenschaft fördert. Diese Entfremdung kann den Widerstand gegen Managementvorschläge verschärfen, wird umgekehrt aber oft als irrational abgetan.

Ein besseres Miteinander durch mehr Verständnis für Befürworter:innen und Gegner:innen

Trotz dieses grundlegenden Wissens zur polarisierten Haltung gegenüber Wölfen gibt es bis dato zu wenig Erkenntnisse über die zugrundeliegenden Mechanismen. Insbesondere die Rolle unbewusster Prozesse ist kaum erforscht. Hier könnten laut den Forscher:innen die Einstellungstheorie und psychosoziale Modelle einen Erklärungsrahmen schaffen. Svenja Capitain erklärt: „Basierend auf dem Zusammenspiel von bewussten und unbewussten Einstellungen, der Stärke dieser Einstellungen und deren inneren Widersprüchen (Ambivalenz) könnten wir in diesem Rahmen nicht nur die polarisierten Einstellungen über Wölfe besser verstehen. Auch der oft berichtete, rasche Wandel der Einstellung ins Negative, sobald sich Wölfe in einem Gebiet niederlassen, könnte sich mit diesem Ansatz erklären lassen.“ Dieser Erklärungsrahmen gilt es in der Praxis zu prüfen. Die Wissenschafter:innen plädieren deshalb nicht nur für eine verstärkte Erforschung dieser zugrundeliegenden Faktoren, sondern schlagen auch vor, dass dieses Bewusstsein zu mehr Verständnis und Empathie auf beiden Seiten – also Befürworter:innen und Gegner:innen – beitragen könnte. Das Team erhofft sich, dass dadurch wiederum der Diskurs über den Wolf als ökologische Art anstelle von Auseinandersetzungen über seine Symbolik erleichtert wird. Das nun präsentierte Paper ist das erste Ergebnis eines vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Forschungsprojekts zwischen der Arbeitsgruppe Domestikation an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, geleitet von Professor Friederike Range, und Psycholog:innen der Universität Wien unter der Leitung von Professor Claus Lamm (Fakultät für Psychologie), um die zugrunde liegenden Faktoren im Verhältnis von Mensch und Wolf besser zu verstehen.


Der Artikel „Uncovering the full potential of attitude measures in navigating human-wolf coexistence“ von Svenja Capitain, Claus Lamm, Sarah Marshall-Pescini und Friederike Range wurde in „Biological Conservation“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel



Rückfragekontakt:
Svenja Capitain, MSc.
Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltesforschung
Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni)

Svenja.Capitain@vetmeduni.ac.at