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Universität

Kampfläufer: Ein einziges Gen im Supergen steuert männliche Phänotypen

Der Kampfläufer (Calidris pugnax) ist ein Zugvogel, der in Sümpfen und Feuchtwiesen in Nordeuropa und Asien brütet und in großen Schwärmen in der ganzen Welt überwintert. Bei Kampfläufern gibt es drei männliche Phänotypen – auch „Morphen“ genannt –, die genetisch bedingt sind und sich in ihrem Sexualverhalten unterscheiden. Die residenten Männchen - auch "Independent" genannt – sind territorial und balzen, die „Satelliten“ sind nicht aggressiv, nehmen aber an der Balz teil, während die „Faeders“ wie Weibchen aussehen und versuchen, sich bei jeder Gelegenheit heimlich zu paaren. Eine aktuelle in „Science“ veröffentlichte internationale Studie unter Beteiligung der Veterinärmedizinischen Universität Wien hat nun herausgefunden, dass ein Gen, das den Stoffwechsel des wichtigsten Androgens, des Testosterons, reguliert, für die Unterschiede zwischen den männlichen Phänotypen dieser Schnepfenart verantwortlich ist.

Zwei Kampfläufer-Vögel auf der Wiese
Foto: MPI for Biological Intelligence/Axel Griesch

Androgene sind pleiotrop – das bedeutet, dass sie mehrere physiologische Prozesse steuern - und spielen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung und Veränderung des sexuellen Phänotyps. In ihrer Studie konnten die Wissenschafter:innen nun zeigen, dass die Unterschiede in den zirkulierenden Androgenen der drei männlichen Paarungsmorphen bei Kampfläufern mit dem Enzym 17-beta-Hydroxysteroid-Dehydrogenase 2 (HSD17B2) zusammenhängen, die von einem Gen innerhalb des Supergens kodiert wird, das die Morphen bestimmt.

Ein einziges Gen führt zu zahlreichen Variationen

„Eine Kombination aus evolutionären Veränderungen in der Regulierung, Sequenz und Struktur eines einzigen Gens führt zu endokrinen Variationen, die den reproduktiven Phänotypen zugrunde liegen“, betont Studien-Coautor Leonida Fusani, Leiter des Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Vetmeduni. Insgesamt deuten laut Fusani die Ergebnisse darauf hin, dass eine Kombination von Veränderungen in der Regulierung und der kodierenden Sequenz des HSD17B2-Gens zu einer erhöhten Testosteronumwandlung in den beiden nicht-aggressiven Morphen führt. Die durch das Supergen verursachte Unterdrückung der Rekombination beschleunigt weiters vermutlich die Evolution dieser beiden abgeleiteten Morphen.

Eindeutiger Zusammenhang: Expression von HSD17B2 und Testosteronspiegel

Bei Männern mit niedrigem Testosteronspiegel war die Expression von HSD17B2 im Blut und in Gehirnbereichen, die mit sozialem Verhalten und der Testosteronproduktion in Zusammenhang stehen, höher als bei Männern mit hohem Testosteronspiegel. Abgeleitete HSD17B2-Isoenzyme, die bei Männchen mit hohem Testosteronspiegel fehlen, aber bei Männchen mit niedrigem Testosteronspiegel bevorzugt exprimiert werden, wandelten zudem Testosteron schneller in Androstendion – ein Steroid, das ein schwächeres Androgen als Testosteron ist – um als das ursprüngliche Isoenzym.

Der Artikel „A single gene orchestrates androgen variation underlying male mating morphs in ruffs“ von Jasmine L. Loveland, Leonida Fusani, Clemens Küpper et al. wurde in „Science“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel


Rückfragekontakt:
Univ.-Prof. Leonida Fusani, PhD
Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV)
Leonida.Fusani@vetmeduni.ac.at