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Computation Medicine: Vom Datenfriedhof zu Praxiserkenntnissen
Peter M. Roth, neuer Professor für Computational Medicine der Vetmeduni, sieht auf dem Campus seine Leidenschaften Tierwohl, Landwirtschaft, Medizin, Mathematik, Vernetzung und Lehre optimal vereint. Gerne möchte er die Black Box der Künstlichen Intelligenz öffnen und erklären, warum wir auch in der Medizin diesem System vertrauen können. Tatsächlich ist die Methodologie aber für viele Aufgabenstellungen adaptierbar.
„Probleme sind in Mathematik und Informatik nicht schlimm oder entmutigend. So heißt schlicht eine konkrete Aufgabenstellung mit Herausforderungen, die schneller und exakter gelöst werden soll“, betont der studierte Mathematiker und Computerwissenschafter. Als seine wichtigste Fähigkeit nennt er „Probleme zu abstrahieren und auf ähnliche mathematische Fragestellungen zurückzuführen“. Dann tritt die Art der Daten in den Hintergrund. Im Bereich Mustererkennung hat er bereits mit Bildern, Texten und technischen Daten gearbeitet. Es galt, Züge, Gesichter, Essen, Autos oder Ereignisse sicher zu identifizieren, zu erkennen, zu verfolgen und zu verarbeiten. „Die Methodologie ist für viele Aufgabenstellungen adaptierbar“, erklärt Roth weiter. Auch wenn er zuvor nie konkret mit Tierärzt:innen gearbeitet hat, sieht er viele Ansatzpunkte für Digitalisierung in der Veterinärmedizin. Viele Vorgespräche dazu hat er bereits von April bis Dezember 2021 als Senior Scientist an der Vetmeduni geführt. An gemeinsamen Projektideen mangelt es für seine Arbeit in den nächsten Jahren sicher nicht.
"Ich sehe mich als Schnittstelle zwischen Kliniken und Tierhaltung, wenn es darum geht, Daten zu erheben, sodass sie verarbeitet oder abgespeichert werden können, um später darauf zuzugreifen und sie auszuwerten."
„Am Campus mitten in Wien riecht es nach Pferd und Kuh – das gefällt mir“, so Roth, der selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen ist. Zunächst führten die Eltern einen Mischbetrieb, dann eine Schweinemast mit Forstwirtschaft. 2014 nahm er ein Sabbatical und zog sich ein Jahr in die heimatliche Landwirtschaft zurück, um Abstand zu gewinnen und sich – auch die Wurzeln berücksichtigend – über die berufliche Zukunft klar zu werden. Seine Bilanz: „Im akademischen Umfeld bin ich glücklicher.“ Was bleibt, ist der Respekt vor dem Beruf und der Aufgabe von Landwirt:innen. Im Berufsbild Wissenschafter sieht er die Grenzen zwischen Arbeit, Hobby und Freizeit auf eine gute Art verschwimmen. Die Felder in Mooskirchen hat er an seinen Nachbarn verpachtet, der einen biologischen integrierten Schweinebetrieb inklusive Futter- und Weidewirtschaft führt. Auf den kleinen Flächen, die von ihm bewirtschaftet werden, baut er Kürbisse und Kartoffeln für den Eigenbedarf an. Auch im Forstbetrieb wird man von ihm das Kommando „Baum fällt“ nicht hören. Er überlässt die Wertholzgewinnung den Holzarbeitsprofis. Stattdessen durchforstet er seinen Wald und schneidet Heizmaterial für den Eigenbedarf heraus. „Man muss seine Grenzen kennen“, sagt er lapidar.
Aktuelle Ergebnisse im Hörsaal und an die Praxis weitergeben
Eine Professur war nicht sein Masterplan und der akademische Weg nicht immer leicht. In der Industrie würde ein Informatiker mit seiner Erfahrung sicher tolle Angebote bekommen, aber er brennt dafür, „meine Erfahrungen und mein Wissen in der Lehre weiterzugeben. Mich interessiert nicht Forschung zum Selbstzweck, sondern Ergebnisse aufs Feld und in den Stall zu bringen. Ein wenig Weltverbesserung durch Forschung zu bewirken, indem wir das Tierwohl verbessern, und neue technische Entwicklungen auch in die Veterinärmedizin einbringen.“ Während viele Jugendliche über Computerspiele in die Informatik hineinrutschen, hat er bereits als Teenager auf seinem ersten i386 programmiert. Mit seinem fachlichen Profil als Hardcore-Mathematiker mit Spezialisierungen in Mustererkennung, Bildverarbeitung und Machine Learning sieht er sich breit aufgestellt. Viele der Ideen, die er im Lauf der wissenschaftlichen Karriere entwickelt hat, sind in vielen Bereichen gut anwendbar, und „andere Fachrichtungen von der Coolness der Lösungen zu überzeugen, treibt mich an“. Kaum ein Bereich entwickelt sich so schnell wie die Informatik. So hält er sich in Bezug auf das eigene Fachwissen und die Lehrinhalte an den IT Grundsatz der konstanten Verbesserung in Versionen, als Ausgleich zur Arbeit am Monitor liest er gerne Bücher. Sein Faltrad begleitet ihn zwischen Mooskirchen, Graz, München und Wien. Und eine kleine Motorsäge in den Wald.
Text: Astrid Kuffner
Fotos: Michael Bernkopf/Vetmeduni
Dieser Artikel erschien in VETMED Magazin 01/2022