Springe zum Hauptinhalt

Universität

Mikrobiomforschung im Klassenzimmer

Im Schulterschluss zwischen Wissenschaft und Bildung unterstützt das österreichische Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) unter der Leitung des OeAD (Österreichs Bildungsagentur) das ambitionierte Projekt „Micro-Tramper: Mikrobielle Dynamiken entlang der Lebensmittelkette“. Federführend dafür ist Evelyne Selberherr, assoziierte Professorin am Zentrum für Lebensmittelwissenschaften und öffentliches Veterinärwesen der Vetmeduni.

Mikrobiomforschung im Klassenzimmer
Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni

Laborkittel anziehen und Ärmel hochkrempeln hieß es im letzten Jahr für mehr als 300 Schüler:innen aus fünf höheren (Bundes-)Lehranstalten in Österreich. Im Rahmen des Forschungsprojekts „Micro-Tramper“ führten sie unter fachkundiger Anleitung mikrobiologische Untersuchungen direkt an der Quelle zu Hause und in landwirtschaftlichen Betrieben durch: Käsereifungsprozesse, vegetarische Fleischersatzprodukte, Rindfleisch und Betriebsanlagen standen unter dem kritischen wissenschaftlichen Blick der jungen Forscher:innen. Mittels handlicher MinION-Sequenzierer, die im Klassenzimmer eingesetzt werden, extrahierten sie eigenhändig das Erbgut von Lebensmitteln, analysierten deren Mikrobiom und gewannen daraus mikrobielle Isolate.

Käsereifung unter der Lupe

„Die Erkenntnisse zur Bergkäsereifung zeigten sich als herausragend: Dank der gemeinsamen Anstrengungen konnten die Schüler:innen metabolisch aktive Mikroben isolieren, die als Schlüsselmikroben für eine perfekte Reifung identifiziert wurden – aber auch jene, die unerwünschte Käsefehler verursachten“, sagt die Mikrobiomforscherin Evelyne Selberherr. Dazu zählten neben Schmierbildung, roten Flecken und Schimmelbildung auch Geruchs- und Geschmacksabweichungen. In Challenge-Testungen wird nun gemeinsam mit dem K1-Zentrum FFoQSI nach einem Up-Scaling-Verfahren der selbst hergestellten, betriebseigenen, neuen Schmierkulturen geprüft, ob Bakterien, welche für diese Käsefehler verantwortlich waren, mit Schlüsselmikroben der perfekten Käsereifung unterdrückt werden können. Mit den gewonnenen mikrobiellen Isolaten, darunter Brevibacterium linens, Staphylococcus equorum und Corynebacterium casei, wurden bereits innovative Schmierkulturen entwickelt, die auf ihre positive Wirkung bei der Reifung getestet wurden. „Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend und deuten darauf hin, dass diese speziell angepassten Schmierkulturen einen vorbeugenden Effekt auf die Käserinde ausüben können und somit das Potenzial zur Optimierung der Reifeprozesse haben“, erklärt Selberherr.

Sensibilisierung für Lebensmittelverluste

Parallel dazu zielten die Untersuchungen auch auf Organismen ab, die für den Verderb von Nahrungsmitteln verantwortlich sind. Sogenannte Verderbsorganismen stellen entlang der gesamten Produktionskette eine große Herausforderung für die Lebensmittelsicherheit und -qualität dar. Die Jungwissenschafter:innen stellten diese Mikroben beispielsweise in Kühlschränken, auf Fleisch oder in vegetarischen Fleischersatzprodukten sicher und untersuchten diese genauer. Für Milchsäurebakterien wie Leuconostoc mesenteroides und Latilactobacillus sakei bestimmten sie die mikrobielle DNA. Ergebnis: Die genetischen Profile einiger Bakterien weisen auf eine Beteiligung bei der Bildung von Verderbsmetaboliten, wie Diacetyl und Acetoin, hin. Diese Verbindungen können in hohen Konzentrationen zu Off-Flavors (Fehlgeschmack) führen, welche auch die Haltbarkeit von Lebensmitteln verkürzen. Zudem konnten die Schüler:innen Gene in den Bakteriengenomen identifizieren, die für die Produktion von 2,3-Butandiol und 3-Hydroxy-2-butanon verantwortlich sind – Verbindungen, die mit unangenehmen Gerüchen und Geschmäckern assoziiert werden.

Wissen für zuhause mitnehmen

Für die Schüler:innen sind diese selbst erhobenen Daten eine Art Werkzeug, um etablierte Hygienemaßnahmen daheim und in Betrieben zu hinterfragen und diese eventuell zu verbessern. Zudem können sie gemeinsam Gründe für Lebensmittelverluste überdenken und durch sinnvolle Adjustierungen reduzieren. Kommunikationsworkshops in den Schulen sollen die Jugendlichen bestärken, ihre eigenen Forschungsaktivitäten weiterzugeben und in Veranstaltungen wie Online-Micro-Partys und Micro-Flashmobs vorzustellen. „Die Ausstattung der am Projekt beteiligten Schulen mit den tragbaren Sequenziergeräten soll die didaktische Praxis bereichern und langfristige Möglichkeiten für praxisnahe Forschung im Unterricht bieten. In pädagogischen Workshops erhalten die Lehrkräfte das nötige Rüstzeug, um den Einsatz dieser Technologie im Klassenzimmer zu meistern“, so Evelyne Selberherr.
 

„Das Projekt ist ein bedeutender Schritt in Richtung der Umsetzung von SDG 2, indem es das Bewusstsein für Lebensmittelsicherheit und -hygiene stärkt und die nächste Generation von Wissenschafter:innen und Verbraucher:innen bildet.“ Evelyne Selberherr


Über das Projekt „Micro-Tramper“

Im Rahmen von „Sparkling Science 2.0“ fördert der OeAD qualitativ hochwertige Citizen-Science-Forschungsprojekte.


Partnerschulen: HBLFA Francisco Josephinum (Wieselburg) | HBLFA Tirol (Rotholz) | HBLA Elmberg (Linz) | HBLA Ursprung (Salzburg) | HLA Graz-Eggenberg (Graz)

Projektpartner: Bernhard Weingartner (ARGE Wissenschaftskommunikation)


Weiterführende Informationen über „Micro-Tramper“

 

Der Beitrag ist in VETMED 02/2024 erschienen