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Forschung
Parasitenbelastung bei Zugvögeln: Fitness-Check beim Stopover
Der erste Rastplatz nach der Sahara heißt Merzouga. Viele Zugvögel tanken hier nach der Wüstenquerung auf ihrem Rückweg nach Europa Kraft. Im Rahmen des One-Health-PhD-Programms wird eine Doktorandin ab Frühjahr 2024 genauer untersuchen, ob und wie eine Parasitenbelastung die Fitness wandernder Vogelarten beeinflusst
Vierzig bis fünfzig europäische Singvogelarten überfliegen jedes Jahr die Sahara auf dem Weg in ihre afrikanischen Winterquartiere. Im Frühjahr, zwischen März und Mai, kehren Zugvögel wie Nachtigall, Fitis oder Rotkopfwürger aus der Sahelzone, dem tropischen West- oder Südafrika, zurück. Der erste Stopover nach dem Überfliegen der Wüste ist für viele Arten auf ihren bewährten Flugrouten Merzouga im Südosten Marokkos ein inzwischen trockengefallener See mit seinen umgebenden Sträuchern und Tamarisken. Ein Hotspot für Vogelfreund:innen und Vogelforscher:innen, die hier gleichermaßen auf der Lauer liegen. Die Forschenden nutzen die Gelegenheit, die Zugvögel beim Stopover kurz zu untersuchen. Im Projekt „Ökophysiologie von wandernden Singvögeln bei der Rast nach der Wüste“, das für das One-Health-PhD-Programm der Vetmeduni ausgesucht wurde, wird erforscht, wie Parasitenbelastung und Zugverhalten zusammenhängen. Dafür wird eine Doktorandin die Vögel ab Frühjahr 2024 in ihrem natürlichen Verhalten beobachten, mit standardisierten Methoden fangen, vermessen, beringen, eine Blutprobe nehmen und ein paar Minuten später wieder freilassen.
„Wir wissen, dass die Hälfte der Zugvögel Parasiten in sich trägt“, erklärt Ivan Maggini, Ornithologie am Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung. Er ist einer der beiden Betreuer des Projekts. Da sich die Wildvögel meist über Jahrtausende an „ihre“ Parasiten angepasst haben, erkranken sie nicht offensichtlich. Eine spezielle Gruppe sind die aviären Hämosporidien (auch Vogelmalaria genannt), die über Insekten übertragen werden. Viele dieser Erreger haben sich auf eine einzige Vogelart spezialisiert. Zur Erkrankung oder zu Todesfällen kommt es also nur, wenn nichtangepasste Spezies befallen werden. „Pinguine sind sehr vulnerabel“, erklärt Herbert Weißenböck vom Institut für Pathologie der Vetmeduni.
Für die Geflügelhaltung in Mitteleuropa „stellen die hier vorkommenden Vogelmalariaerreger kein Problem dar“, gibt er Entwarnung. Ein Forschungsziel ist, in Merzouga einen besseren Einblick zu bekommen, welche Parasiten wandernde Arten aus ihren Winterquartieren mitbringen und in sich tragen. Ivan Maggini: „Wir wollen zudem verstehen, ob und wie ihr Zugverhalten dadurch beeinträchtigt wird. Im Frühjahr müssen sie so schnell wie möglich ziehen, um rechtzeitig ihr Territorium zu besetzen. Weiterführend wollen wir wissen, ob sie ihre Strategien anpassen können oder müssen, wenn sie weniger Wasser zur Verfügung haben oder der Rastplatz verloren geht.“
Forschen zwischen Oase und Wien
Am Rande der Wüste wird von kurz vor Sonnenaufgang bis mittags beobachtet und geforscht. Dann wird es brütend heiß. Mensch und Tier flüchten in den Schatten. Die zweite Schicht geht von 16 Uhr bis Sonnenuntergang. Dann wird es stockfinster. An anderen Standorten wurde bereits nachgewiesen, dass die Parasitenbelastung einen Einfluss auf die Regenerationsdauer der Vögel hat. Mit kleinen Geräten, vergleichbar der Blutzuckermessung, werden im Feld Metaboliten im Blut bestimmt und so ein Bild vom Ernährungszustand der Tiere gewonnen. Die Blutproben zur Bestimmung von Menge und Art der Parasiten werden auf Objektträgern vorbereitet und im Labor von Herbert Weißenböck in Wien bestimmt. „Am Institut für Pathologie beschäftigen wir uns seit mehr als einem Jahrzehnt mit diesem Thema. Unsere Kernkompetenzen sind das Barcoding, also die molekulare Identifikation verschiedener Entwicklungslinien aviärer Hämosporidien, sowie der Nachweis von Entwicklungsstadien der Parasiten in Gewebeproben. Damit konnten wir vielfach zeigen, dass manche dieser Erreger für den Vogel nicht so harmlos sind, wie von manchen Wissenschafter:innen bisher angenommen.“
Merzouga ist interessant, weil die wandernden Singvögel hier gerade eine Etappe von 2.000 Kilometern hinter sich gebracht haben und Kraft tanken für die Etappe über das Mittelmeer. Solche Rastgebiete sind unverzichtbar für die Wildtiere und durch die zunehmende Erwärmung und Wüstenausbreitung gefährdet: „Wir wollen letztlich auch zeigen, dass viele Arten diese Gebiete nutzen und sie bewahrt werden müssen“, so Ivan Maggini. Mit seinen Dünen ist der Ort auch touristisch interessant und so werden immer mehr Unterkünfte errichtet, deren Gärten aktuell das Nahrungsangebot für die Zugvögel bereichern. Noch ist die Balance aus Attraktivität und Ruhe intakt.
Text: Astrid Kuffner
Der Beitrag erschien in VETMED 02/2023
Alle Fotos: Sara Ricci und Ivan Maggini/Vetmeduni