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Anthrax von gestern: Eine Gefahr für morgen?

Der letzte Ausbruch von Milzbrand (Anthrax) bei Rindern wurde in Österreich 1988 gemeldet. Man könnte also davon ausgehen, dass die Milzbrandgefahr in Österreich gebannt ist. Leider könnten jedoch durch den Klimawandel Sporen des Milzbranderregers Bacillus anthracis, die bis jetzt im Boden schlummerten, wieder verbreitet werden. Da Bacillus anthracis ein Zoonoseerreger ist, kann es zu erneuten Ausbrüchen bei Tieren und Menschen kommen. Zudem gilt Anthrax als Biowaffe. Die Vetmeduni und das Bundesheer arbeiten daher gemeinsam an einer Verbesserung der Bioforensik des Erregers und bereiten sich so auf eine rasche, abgestimmte Gefahrenabwehr vor.

Petrischale
Foto: Maximilian Mayerhofer

Der Boden trägt uns und nährt uns. Er speichert und bewahrt Nützliches wie Nährstoffe, Grundwasserreserven oder historische Spuren, aber auch Schädliches wie Schwermetalle, Pestizide oder Krankheitserreger. Zum Erbe heimischer Böden gehören neben chemischen Altlasten aus Deponien und Fabriken auch biologische Altlasten an Gerberei-Standorten und historischen Tierverscharrungsorten (Wasenplätzen).

So ist zum Beispiel bei der Verarbeitung von Tierhäuten häufig der Zoonoseerreger Bacillus anthracis in die Produktionsstätten eingeschleppt worden. Das Bakterium B. anthracis kann bei Menschen und Tieren Milzbrand verursachen. Das typische Erscheinungsbild von mit Milzbrand befallenen Rindern und Schafen ist recht eindeutig: Sie bluten aus allen Körperöffnungen. Verendete Tiere wurden in der Vergangenheit oftmals an Ort und Stelle eingescharrt. Da B. anthracis Sporen bildet, die im Boden viele Jahrzehnte überdauern können, stellen diese Orte potenzielle Quellen für neue Ausbrüche dar. So können scheinbar erloschene oder aktuell unbekannte Milzbrand-Herde zum Beispiel durch Erdumwälzungen wie bei Gussregen oder Murenabgängen wieder aktiv werden und erneut zu Ausbrüchen führen.

Anthrax kann jedoch auch als potenzielle Biowaffe eingesetzt werden. Es ist daher eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteur:innen erforderlich, um natürliche Ausbrüche von vorsätzlichen Kontaminationen zu unterscheiden. Im Rahmen des FFG-FORTE-Projekts EuroThrax, einem Kooperationsprojekt der Vetmeduni und dem Amt für Rüstung und Wehrtechnik (ARWT) des Bundesheers, wird deswegen eine bioforensische Datenbank zur Erfassung der phylogenetischen Verbreitung des Milzbranderregers entwickelt. Im Zentrum des Projekts stehen die Detektion und Genomik von Bacillus anthracis sowie nah verwandter Bakterienarten aus der Bacillus cereus-Gruppe.

Klimawandel bringt Sporenreservoire in Bewegung

In Österreich ist der letzte Milzbrand-Ausbruch 1988, also vor 45 Jahren, in Tirol gemeldet worden. Da in Folge der Klimaerwärmung Starkwetterereignisse wie Überschwemmungen, Dürreperioden etc. häufiger auftreten werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis mit Anthrax-Sporen belastete Böden aufgewirbelt, freigelegt oder verteilt werden könnten. In Nachbarländern ist es in den zurückliegenden Jahren bereits zu Ausbrüchen gekommen. „Der Keim hat, nicht weit entfernt von historischen Orten in Österreich, überlebt. Starkregen kann zu Bodenumwälzungen führen und bei langen Trockenperioden können Gebiete zugänglich werden, die lange von Wasser bedeckt waren“, erläutert Monika Ehling-Schulz, Leiterin des Instituts für Mikrobiologie der Vetmeduni. „Wir müssen die Verbindungen zwischen Mensch, Tier und Umwelt verstehen, um wirksame Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle von Anthrax-Ausbrüchen zu entwickeln.“

Mehrwert durch Kooperation

Im Rahmen des EuroThrax-Projekts entwickeln Vetmeduni und Bundesheer gemeinsam eine Datenbank, die eine schnelle und abgestimmte Reaktion auf potenzielle Anthrax-Bedrohungen ermöglicht. Die Studienleiterin Monika Ehling-Schulz betont die Wichtigkeit dieser Kooperation: „Genomdaten werden mit den verfügbaren Meta-Daten verknüpft und somit quasi eine biologische ‚Lagekarte‘ erstellt, die es ermöglicht, neu auftretende Ausbrüche rasch einordnen zu können.“ Dies führt zu einer effizienteren Überwachung und Reaktion auf Anthrax-Ausbrüche und schafft letztendlich die Grundlagen für entsprechende Präventionsstrategien.

Grundlage dieser Datenbank bilden publizierte Daten von Ausbrüchen auf der ganzen Welt. Diese werden ergänzt durch Daten aus Archivarbeiten, Untersuchungen von historischen Anthrax-Orten und Ganzgenomsequenzierungen im Rahmen von EuroThrax. Eine sorgfältige Archivarbeit sowie Kooperation sind ein wichtiger Schlüssel für den Erfolg des Projekts. Archivdaten erlauben Rückschlüsse auf mögliche historische Milzbrand-Orte. „Diese in der Fachsprache Loci genannten Orte können sich zum Beispiel auf einer Alm oder auf einem alten Fabriksgelände einer Gerberei befinden“, erläutert Monika Ehling-Schulz.

Es ist daher wichtig, diese historischen Ausbruchsorte zu lokalisieren und dann eine mögliche Beprobung mit allen Stakeholder:innen abzustimmen. Die Bodenprobenahmen erfordern somit die Kooperation von Vetmeduni, Bundesheer, lokalen Besitzer:innen und der Veterinärbehörde. Diese gemeinsame Arbeit festigt das Zusammenspiel von Vetmeduni, Behörden und Besitzer:innen für den Ernstfall Bioforensik – eine biologische und bioinformatorische Spurensuche An einem alten Gerbereistandort in Österreich ist das EuroThrax-Team bereits fündig geworden. Es versucht nun mittels Genomik und Bioinformatik, die Herkunft des gefundenen Milzbrand-Erregers zu bestimmen. „Wir haben die Methoden für die Isolierung der B. anthracis-Keime aus Böden adaptiert. Der Nachweis aus Böden in Texas oder der Savanne funktioniert mit anderen Nachweisgrenzen als in Lössgebieten oder den Alpen“, so Maximilian Mayerhofer, PhD-Student der Vetmeduni und Mitarbeiter des ARWT. Es wurden daher im Vorfeld der Untersuchungen an historischen Anthrax-Loci die Wiederfindungsraten und Nachweisgrenzen von B. anthracis für ausgewählte österreichische Böden mittels Laborversuche bestimmt sowie die Protokolle entsprechend angepasst und optimiert.

In der langen Tradition von Anthrax-Ausbrüchen und der Langlebigkeit von B. anthracis-Sporen liegt die Tücke. Monika Ehling-Schulz findet es daher wichtig, das Wetter und den Keim „im Auge zu behalten. Mit Awareness, optimierten Nachweismethoden und der von uns entwickelten Datenbank können wir vorbauen, falls durch Extremwetterereignisse Risikostandorte wieder aktiviert werden“.

Dieses Forschungsprojekt unterstreicht die Bedeutung des One-Health-Ansatzes. Nur durch eine ganzheitliche Betrachtung von Mensch, Tier und Umwelt kann ein umfassendes Verständnis der komplexen Zusammenhänge bei der Ausbreitung von Zoonosen, wie zum Beispiel Anthrax, erlangt werden. Die Erkenntnisse können nicht nur dazu beitragen, die Auswirkungen dieser Zoonose zu minimieren, sondern auch als Grundlage für präventive Maßnahmen dienen, um zukünftige Ausbrüche, beispielsweise durch ein Impfprogramm, zu verhindern

Text: Monika Ehling-Schulz, Astrid Kuffner, Maximilian Mayerhofer

Der Beitrag erschien in VETMED 02/2023
 


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