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Forschung

Silvio Kau-Strebinger ist Assistenzprofessor für Morphologie

Silvio Kau-Strebinger, Assistenzprofessor am Zentrum für Pathobiologie, erforscht das molekulare Spektrum und die Funktion extrazellulärer Vesikel (EVs) aus Lymphendothelzellen sowie Zellen, die Lymphgefäße umgeben – und das von Maus bis Mensch. Der Ultratrailläufer vermittelt gerne anatomische Basics und vernetzt die EV-Community in Österreich.

Silvio Kau-Strebinger im Labor (Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni)
Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni

Silvio Kau-Strebinger, Assistenzprofessor am Zentrum für Pathobiologie, beschäftigt sich in seiner Forschung mit extrazellulären Vesikeln, mit denen Zellen Signale an ihre Umgebung weitergeben.

Für die Plattform whatchado musste Silvio Kau-Strebinger sich auf einer Skala verorten, die bei ihm klar in Richtung Praktiker ausschlug. Er liebt Laborarbeit, wiewohl die neue Funktion als Assistenzprofessor für Morphologie natürlich mehr Organisation und Paperwork mit sich bringt: „Ich finde es wichtig, Sachen zu machen und auszuprobieren, um weiterzukommen – für mich reicht es nicht, etwas durchzudenken und theoretisch aufzudröseln.“ In der Lehre ist ihm ein Anliegen, dass anatomische Grundlagen sitzen. Das wissen seine Studierenden nur zu gut: „Ich versuche die klinische Relevanz in meine Lehrveranstaltungen einzuweben, damit man eine Logik im anatomischen Begriffsdschungel und den Sinn hinter dem Gelernten erkennt. Anatomie ist Teil der Basis, um Verletzungen und Erkrankungen diagnostizieren, therapieren und besser verstehen zu können.“

Das Warum verstehen

So geradlinig wie das Ergebnis heute wirkt, war der Karrierepfad des 34-Jährigen nicht durchgehend. Er selbst nennt ihn transformativ. Seine Neigung und sein Interesse für Molekularbiologie klopften bereits im Diplomstudium an der Vetmeduni an. Aber noch zu leise. Denn das Doktorat an der Justus-Liebig-Universität in Gießen samt Praxis führten ihn zunächst in den OP und in die Pferde-Kopf- und -Kieferchirurgie: „Die Brücke von der Grundlagenforschung in die Klinik zu spannen, motiviert mich. Chirurgie war definitiv Handarbeit auf hohem Niveau, aber mir hat das Dahinterblicken gefehlt, also warum es zu diesem Eingriff gekommen ist.“ Zurück in Wien begann er 2020 den Master in Tissue Engineering and Regenerative Medicine am Technikum Wien. Seine insgesamt dritte Diplomarbeit schrieb er am Ludwig Boltzmann Institut für Traumatologie über „extrazelluläre Vesikel“ von Lymphendothelzellen und fand so letztlich den Dreh- und Angelpunkt seiner Forschung.

Er beschäftigt sich – vereinfacht gesprochen – mit „Zellspucke“. Alle Zellen, ob Bakterien in Pflanzen, Vögeln oder Säugetieren, bedienen sich extrazellulärer Vesikel (EVs), um Signale an die Umgebung weiterzugeben. Es handelt sich wohl um einen evolutionär alten Mechanismus, bei dem Zellen einigen Aufwand betreiben, um Nanopartikel auszuspucken. In diese sind Signalmoleküle verpackt oder auf der Hülle befestigt, um mit anderen Zellen zu kommunizieren. Das Forschungsfeld boomt, denn EVs können sowohl aus Zellkulturproben wie auch verschiedenen Körperflüssigkeiten und Geweben isoliert und angereichert werden. Dadurch und durch die gezielte Beeinflussbarkeit ihrer Biogenese und Zusammensetzung – und somit Funktion – können sie effektiv für therapeutische Anwendungen genutzt werden. Durch das über viele Jahre nebenbei gepflegte Interesse und Netzwerk bietet sich seiner Forschungsgruppe heute ein reiches Betätigungsfeld, von der Maus bis zur Menschenzelle.

Eine dichte EV-Suppe

Seine Arbeit konzentriert sich auf die Erforschung der biomolekularen Eigenschaften und die Rolle von EVs, die aus lymphatischen Endothelzellen und Zellen der Lymphgefäßumgebung stammen – konkret arbeitet er am sekundären Lymphödem.

Diese Ansammlung von Lymphflüssigkeit kann bei vielen Säugetieren, beispielsweise als Folge einer Tumoroperation, auftreten. Der Lymphstau verursacht schwerwiegende Entzündungsprozesse, die eine Fülle weiterer Krankheitsbilder anstoßen können: „Wir vermuten, dass diese Flüssigkeit eine reichhaltige ‚Suppe‘ für vesikelvermittelte Signalprozesse darstellt und EVs an oftmals irreversiblen Umbauprozessen im betroffenen Gewebe beteiligt sind. Wir treiben durch unsere Forschung die Entwicklung effektiver Therapien voran und wollen die Lebensqualität betroffener Patient:innen oder Tiere verbessern.“

Aufgewachsen ist er zwischen See, Feld und Wald mit einem Freundeskreis aus Landwirt:innen und Jäger:innen. Schon im Gymnasium wurde dem gebürtigen Kärntner klar, dass er aus seiner Schulbildung viel mehr praktisches Wissen mitnehmen möchte. Also machte er einen Abschluss als landwirtschaftlicher Facharbeiter und besuchte die HBLA Pitzelstätten, wo sich das Wunschstudium langsam herauskristallisierte.

Mit Kolleg:innen hat er an der Vetmeduni das EV-Network ins Leben gerufen. An dem in Österreich einzigartigen Knowledge-Hub können EV-Interessierte netzwerken sowie Ressourcen und Tools teilen. Zudem ist Kau-Strebinger aktives Mitglied in einem Konsortium und einer Taskforce der International Society for Extracellular Vesicles (ISEV), die sich mit Standardisierung und experimenteller Reproduzierbarkeit im EV-Feld beschäftigen.

An der Forschung im akademischen Umfeld schätzt der Freigeist und Ultratrailläufer, dass er in jede Richtung denken und seine Fühler ausstrecken darf.

alle Fotos: Thomas Suchanek/Vetmeduni

Text: Astrid Kuffner

Der Beitrag ist in VETMED 02/2024 erschienen.