- Startseite /
- Forschung /
- Aktuelles aus der Forschung
- Erfolgsmessung in der Kleintierchirurgie: Eva Schnabl-Feichter im Portrait
Universität
Erfolgsmessung in der Kleintierchirurgie: Eva Schnabl-Feichter im Portrait
Eva Schnabl-Feichter, Professorin und Leiterin der Abteilung für Kleintierchirurgie, möchte die chirurgische Ausbildung und Schulung nicht auf Studierende beschränken, sondern auch praktizierende Veterinär:innen erreichen. Mit ihrer Forschung will sie die Studienlage in der Katzenorthopädie verbessern: Die Stubentiger landen zwar stets auf ihren vier Pfoten, doch wenn sie lahmen wird das meist spät erkannt.
Die Kleintierorthopädie und -traumatologie an der Vetmeduni ist ein organisch verwobenes Arbeitsfeld. Von Interdisziplinarität will Eva Schnabl-Feichter hier gar nicht sprechen, weil Chirurgie, Physiotherapie, Rehabilitation, Anatomie und Orthopädie einfach nahtlos zum Wohl der tierischen Patient:innen zusammenarbeiten. Innerhalb der Fachbereiche haben „wir die gleichen Interessen“, sagt sie und in der täglichen Arbeit sind daher nie gedankliche Grenzen zu überwinden. Man weiß einfach, wen man für das beste Ergebnis fragen muss. Ihre tierischen Patient:innen werden – wie in der Unfallchirurgie – behandelt. Die Kommunikation über den Erfolg der Therapie-Maßnahmen unterscheidet sich jedoch von der menschlichen. Doch dazu später.
Zwischen Skalpell und Studierzimmer
Mit Oktober 2022 wurde die 43-jährige Wienerin zur Universitätsprofessorin für Kleintierchirurgie (als Nachfolgerin von Prof. Gilles Dupré) berufen und ist seitdem doppelt operativ tätig: im Büro und im OP-Saal. Sie kümmert sich um Organisation und Lehre für die chirurgische Ausbildung, ist aber weiterhin im klinischen Betrieb eingebunden. Gespürt hat sie die neue Funktion hauptsächlich an der Menge an Besprechungen: „Als Chirurgieprofessorin fände ich es schwierig nicht selbst am Kleintier zu arbeiten. Zudem erfahre ich von Themen der Uniklinik vor Ort am besten. Aufgrund meines Werdegangs sehe ich mich als Bindeglied zur chirurgischen Praxis: von der breit aufgestellten Uniklinik, über die Tierklinik bis zur einzelnen Kleintierpraxis.“ Die Spezialisierung auf Orthopädie und Traumatologie bei Kleintieren, vor allem Katzen ergab sich relativ früh in ihrer Karriere. Der Berufswunsch Tierärztin reicht noch weiter zurück, war doch auch ihr verstorbener Vater zunächst in der Pferdeorthopädie an der Vetmeduni, in der Tierseuchenbekämpfung in Mödling und mit eigener Kleintierpraxis in Wien tätig. Letztlich hat sie diese aber nie übernommen.
Münchner Prägung
Mit 23 ging sie für ein Jahr nach England, wo sie in einer Klinik in Whitby (Yorkshire, UK) neben Kleintieren immer wieder Weide- und Milchvieh behandelte. Die eigene städtische Prägung gab für sie letztlich den Ausschlag für den Fokus auf Kleintiere. Sie wechselte an die LMU in München, wo sie ihre chirurgische Ausbildung als „Intern“ begann und als Oberärztin beendete. An der Tierärztlichen Fakultät lernte sie bei Frau Professorin Ulrike Matis, einer der wichtigsten Kleintier-Orthopädinnen weltweit, die sie geprägt hat und für sie „ein echtes Rolemodel in der Kleintierorthopädie“ ist. Bevor sie die Teamleitung für Kleintierorthopädie an der Klinik der Vetmeduni übernahm, war sie 2010 bis 2013 an einer Kleintierklinik in Hollabrunn Oberärztin für Chirurgie, ohne Lehrverpflichtung und hands-on in die Behandlung von der Bildgebung, Arthroskopie oder Narkose eingebunden. Ihre Expertise in Chirurgie, Lehre und Forschung hat sie Schritt für Schritt mit jeder beruflichen Station aufgebaut und 2021 an der Veterinärmedizinischen Universität Wien habilitiert. Was bringt sie mit? Ihre Spezialisierung auf Katzenorthopädie, die umfassende Operationspraxis und solide Fallauswertungen, den Diplomate des European College of Veterinary Surgeons (DECVS), die Tätigkeit als Speakerin, Kongressorganisatorin und aktives Board Member der European Society of Veterinary Orthopedics & Traumatology (ESVOT). Mit ihrem Profil, sowohl fachlich als auch praktisch versiert zu sein – „Schneiden“ und „Vermitteln“–, ist sie nun die richtige Frau am richtigen Platz.
Alle Fotos: Michael Bernkopf/Vetmeduni
Erfolgsmessung nach der Therapie
An die Uniklinik kehrte Eva Schnabl-Feichter zurück, um wieder mehr im Austausch mit Studierenden und Spezialist:innen zu sein. Als ihre Mentorin im Haus bezeichnet sie Barbara Bockstahler, Fachtierärztin für Physiotherapie und Rehabilitationsmedizin und Diplomate des European College of Sports Medicine and Rehabilitation (DECVSMR) an der Kleintierklinik, mit der sie das fachliche Zusammenwirken von Orthopädie/Traumatologie und Bewegungsanalyse/Physiotherapie ausgebaut hat. Da sich Tiermediziner:innen mit ihren Patient:innen nicht über deren Wohlbefinden austauschen können, ist es wichtig den Behandlungserfolg messbar zu machen: „Wir wollen subjektive Untersuchungen objektivierbar machen und nicht nur die Besitzer:innen befragen. Dafür setzen wir neben exzellenter Vorbereitung und individuell angepassten Implantaten auch auf Ganganalysen mit unseren Druckplatten.“ Dank genauer Bildgebung können sich Chirurg:innen gut auf Operationen vorbereiten. Aus dem 3D-Drucker kommen Custom Made Implantate und die Kooperation mit Herstellern von Prothesen ist eng. Dabei stets im Fokus: Lebensqualität zu steigern und die Gelenke zu entlasten. Die Chirurgie in der Tiermedizin entwickelt sich permanent weiter, parallel zur Humanmedizin, wobei mal die eine und mal die andere Disziplin die Nase vorne hat.
Das „tägliche Brot“ der Operationspraxis sind Hunde mit Problemen am Bewegungsapparat und Katzen nach Unfällen. Gerade für die Felinae will sie zu mehr fachlichem Wissen beitragen, um in der tierärztlichen Praxis bessere Entscheidungen zu ermöglichen. Die Forschungslage gibt das so noch nicht her: „Die Studienlage hinkt im Vergleich zu Hunden hinterher. Eine Lahmheit bei Katzen wird kaum bemerkt, weil sie Weltmeister in der Gewichtsumverlagerung sind. Es fällt den Besitzer:innen daher nicht so schnell auf, wenn die Katze lahmt “.
Operieren lehren
Zu den Zukunftsthemen in der Chirurgie zählt Eva Schnabl-Feichter die Frage, wie sie dem Nachwuchs künftig beigebracht werden soll. So kann zum Beispiel virtuelles Trockentraining zum Einsatz kommen, also Eingriffe zunächst unter Einsatz von Augmented und Virtual Reality zu üben. Sie selbst hat sich fachlich in digitale fallbasierte Lehre und die virtuelle Ambulanz vertieft. Ihr breites Verständnis für die Praxis sieht sie als Asset: „Wir sollten nicht aufhören zu unterrichten wenn die Studierenden die Uni verlassen haben, sondern auch postgradual für Tierärzt:innen da sein. So können wir den neuesten Stand vermitteln, eine passende Ausstattung, wenn der Schweregrad zunimmt. Auch Universitätslehrgänge sind daher dazu in Planung.“
Ihre eigene Forschungsgruppe dreht sich weiterhin um Katzenorthopädie, aber dank eingeworbener Mittel können auch eigenkraftgesteuerte Prothesen für Hunde zur Serienreife entwickelt werden. Täglich behandelt sie Kleintiere und dabei stets deren Halter:innen mit: „Da sehe ich viele Schicksale, gerade jetzt angesichts der Teuerungen. Das geht mir nah und ich sehe es als unsere Aufgabe, das nicht nur mit Abstand zu sehen, sondern verstehend“. Als Frau arbeitet sie in einer männerdominierten Berufswelt und auch zu Hause ist sie die einzige, als Mutter von zwei kleinen Buben, mit Bonussohn, Kater und Ehemann. Ihr Rezept für beide Sphären ist es, authentisch und eine Frau zu bleiben. Bei aller Stringenz und Leistungsbereitschaft in der Karriere, hat ihre Familie Priorität. Diverse Leitungsfunktionen sind und waren machbar dank intensiver ehelicher Absprachen und der notwendigen Unterstützung durch ihren Partner. Die Freizeit widmet sie jedenfalls der Familie – am Wochenende gerne auch auf Ausflügen. Sie wandert, fährt Ski, geht gerne laufen und fährt Rad. Eigene Hobbies müssen wohl noch warten, bis die Söhne größer sind. Bis dahin „müssen es kleine, selbst geschaffene Freiräume tun“. Und dann ist unser Gespräch zu Ende und Eva Schnabl-Feichter eilt in den top-ausgerüsteten OP der Uniklinik, weil eine Katze aus dem Fenster gestürzt ist und ihr Sprunggelenk zu richten ist.
Text: Astrid Kuffner
Der Beitrag erschien in VETMED 03-04/2022