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Fruchtfliegen kontern Klimawandel durch Stoffwechselumstellung
03.10.2018: Evolutionäre Auswirkungen einer durch den Klimawandel bedingten Temperaturerhöhung sind derzeit ein „hot topic“ der Evolutionsforschung. So bewirkt bei der Fruchtfliege eine heißere Umgebung unter anderem eine komplette Umstellung des Stoffwechsels-und das wird mit Änderungen in ganz wenigen Genen bewerkstelligt. Forschende der Vetmeduni Vienna zeigten in Genome Biology dass evolutionäre Anpassungsprozesse schon in wenigen Generationen die Anpassung an eine neue, heiße Umwelt bewirkt haben. Dabei setzen sich Varianten zweier Gene durch, die auf einen essentiellen Regulator des Energiehaushalts einwirken. Fruchtfliegen machen sich somit nicht, wie bisher vermutet, mit vielen kleinen Veränderungen, sondern einer „einflussreichen“ Gen-Minderheit für heißere Zeiten fit.
Das Wohlbefinden der meisten Tiere und Pflanzen wird stark von der Temperatur beeinflusst. Der derzeitig stattfindende Klimawandel stellt für viele Organismen somit eine große Herausforderung dar. Sie müssen sich an die veränderten Temperaturen anpassen, oder ihr Überleben ist stark gefährdet. Dass diese Anpassung auf genetischer Ebene gesteuert wird, ist seit längerem bekannt. Dass sie jedoch auch sehr schnell, innerhalb weniger Generationen, passieren kann, dagegen nicht. Erst in den letzten Jahren gelang der Nachweis wie rasch sich die die genetische Zusammensetzung von Populationen ändern kann.
Umstritten ist dabei aber, ob nur wenige, einflussreiche oder viele Gene mit geringem Einfluss für diese raschen Veränderungen verantwortlich sind. Forschende vom Institut für Populationsgenetik der Vetmeduni Vienna um Francois Mallard und Christian Schlötterer haben Anpassung an neue Klimaverhältnisse im Labor experimentell getestet: frisch gefangenen Fruchtfliegen wurden einer heißen Umwelt ausgesetzt und die überlebenden Fliegen wurden nach weniger als 60 Generationen untersucht. Dabei gelang der Nachweis, dass der gesamte Stoffwechsel durch wenige Genvarianten umprogrammiert wurde.
Schnelle Anpassungen sind möglich, doch nur bei ausreichender genetischer Diversität
Aufgrund mehrerer, mit Nobelpreisen ausgezeichneter Forschungsleistungen ist die Fruchtfliege der Öffentlichkeit mittlerweile zwar als „Haustier“ der Genforschung bekannt. Ihr Potential in der Umweltforschung ist jedoch erst vor kurzem erkannt worden. Die Kombination von Ökologie und Genetik stellt ein bisher kaum genutztes Potential dar, um Anpassungsprozesse im Kontext der globalen Klimaveränderungen zu verstehen. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Anpassungsstrategie ist ein ausreichender Genpool, in dem die genetischen Varianten für neue Umweltbedingungen auf „Vorrat“ gehalten werden.
Mallard und seine ForschungskollegInnen suchten dabei nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen. Mit einer sogenannten Evolve and Resequence Studie suchten sie aus mehreren Millionen Varianten im Erbgut, diejenigen heraus, die den Fruchtfliegen einen Fitnessvorteil in heißer Umwelt bieten. Die Forschenden führten die Experimente dazu zwar im Labor, „doch der Vergleich unserer Ergebnisse mit natürlichen Populationen aus heißen Gegenden wie etwa Florida zeigte, dass die gleichen Anpassungsmechanismen auch in der freien Natur zur Anwendung kommen“ erklärt der Erstautor.
Simple genetische Basis löst komplexe Umstellung des Stoffwechsels aus
Bei ihren Analysen stellte das Forschungsteam fest, dass die genetische Anpassung sich direkt auf einen essentiellen Regulator des Stoffwechsels, den Enzymkomplex AMPK, auswirkte. Die daraus resultierende Stoffwechselumstellung wurde jedoch nicht, wie hauptsächlich angenommen von vielen Veränderungen mit geringem Einfluss, sondern wenigen einflussreichen Genen ausgelöst. „Nicht nur in Fruchtfliegen spielt der Enzymkomplex AMPK eine zentrale Rolle im Stoffwechsel, in diesem Fall, ob Fett in einer Zelle auf- oder abgebaut wird.Hier sorgt AMPK für die ausreichende Menge an ATP, einem wesentlichen Energieträger der Zelle. Wir waren überrascht, dass zwei der stärksten Anpassungssignale die Gene Sestrin und SNF4Aγ betroffen haben, die beide mit der AMPK interagieren“ so Mallard. „Doch damit erklärt sich, wieso die Fliegen es schaffen sich so schnell an veränderte Klimabedingungen anzupassen. Momentan untersuchen wir, ob die gleichen Prinzipien bei der Anpassung an Sommer und Herbsttemperaturen eine Rolle spielen.“