04.02.2021: Seit Oktober liegt er im Tiefschlaf und ihn kann scheinbar nichts wecken. Seine innere Uhr jedoch tickt und gibt unaufhaltsam das nahende Ende des Winterschlafs vor. Der Siebenschläfer nutzt den Winterschlaf als Anpassungsmechanismus an die kalte, nahrungsarme Jahreszeit. Doch wie wirkt sich das monatelange Herunterfahren fast aller Stoffwechselprozesse auf die Erinnerung, räumliche Orientierung und Wahrnehmung der kleinen Nager aus? Ein ForscherInnenteam um Claudia Bieber, Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni, widmet sich dieser Frage und erforscht das Gedächtnis und das Erinnerungsvermögen der Siebenschläfer.
Wissenswert: Der Naturschutzbund Österreich hat den Siebenschläfer zum Tier des Jahres 2021 ernannt. Dadurch soll u. a. auf die Gefährdung des kleinen Nagers sowie seine Lebensweise aufmerksam gemacht werden.
Bereits im Oktober tauchen Siebenschläfer buchstäblich ab, um sich in frostfreie Erdhöhlen für die Winterruhe zurückzuziehen. Der Winterschlaf ist eine extreme Anpassungsstrategie verschiedener Säugetiere, um die kargen und kalten Monate oder andere ungünstige Umweltbedingungen unbeschadet zu überstehen. Während des Winterschlafs begeben sich die kleinen Tiere in sogenannte Torporphasen. Der Stoffwechsel wird dabei gezielt gedrosselt und die Körpertemperatur der Siebenschläfer fällt auf Umgebungstemperatur ab und kann sogar den Nullpunkt erreichen. Herzfrequenz und Atmung sind im Torpor extrem reduziert. Auch das Gehirn zeigt in diesen Phasen praktisch keine Aktivität und ist nur gering durchblutet.
Um überleben zu können, müssen die Nager jedoch regelmäßig diese mehrwöchigen Torporphasen für einige Stunden unterbrechen und den Stoffwechsel wieder ankurbeln. Während dieser Arousal-Phasen arbeitet der Stoffwechsel auf Hochtouren. Die Körpertemperatur der Siebenschläfer erreicht dabei annähernd normale Werte und die Atmungs- und Herzfrequenz steigt an. Nach ca. acht Stunden kehren die Tiere wieder in eine Torporphase zurück.
Aufwachphasen für die Erinnerung?
Ein neues, durch den FWF gefördertes Forschungsprojekt des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni untersucht, welche Auswirkungen der Zustand des Winterschlafs auf das Erinnerungsvermögen und die Wahrnehmung der Siebenschläfer hat. Müssen die Tiere nach dem Aufwachen im Frühjahr jedes Jahr ihre Umgebung neu erkunden und erlernen? Erkennen sie ihre Verwandten und Gruppenmitglieder wieder? „Vorangegangene Studien zeigen kein klares Bild, geben aber Hinweise auf negative Effekte des Winterschlafs“, so Wildtierökologin Claudia Bieber. Bis dato ist noch nicht geklärt, warum Winterschläfer die Phasen des Torpors immer wieder durch Arousals unterbrechen. Können diese kurzen Aufwachphasen möglicherweise dazu beitragen, um u. a. die räumliche Orientierung und die Wahrnehmung aufrecht zu erhalten?
„In mehreren Experimenten wollen wir genau untersuchen, welchen Einfluss verschiedene Faktoren des Winterschlafs, wie die Häufigkeit der sogenannten Arousals, eine minimale Körpertemperatur sowie die Dauer des gesamten Winterschlafs, auf das Erinnerungsvermögen und die Wahrnehmung von Winterschläfern haben“, erklärt Claudia Bieber weiter.
Für die Studie wählten die ForscherInnen den Siebenschläfer (lat. Glis glis) als Untersuchungsart. Hinsichtlich des Zusammenhanges zwischen Winterschlaf(dauer) und Erinnerungsvermögen, sind diese Tiere besonders spannend. Denn Siebenschläfer sind Weltrekordhalter, wenn es um die natürlich vorkommende Winterschlafdauer geht. Die Nager halten acht Monate – im Extremfall auch elf Monate – Winterschlaf. Wenn sich also der Winterschlaf negativ auf die Erinnerung und Orientierung auswirken sollte, würden Siebenschläfer folglich besonders darunter leiden. Zusätzlich leben Siebenschläfer während ihrer Aktivitätszeit in den Baumkronen und ein sogenannter arborealer Lebensstil bedarf einer guten Koordination.
Testaufgaben nach dem Winterschlaf
Für Untersuchungszwecke kommt modernste, innovative Technik zum Einsatz, wie Claudia Bieber erklärt: „Den Tieren werden kleine Datenlogger implantiert, die über einen Zeitraum von zwei Jahren die saisonale Aktivität und Köpertemperatur aufzeichnen können. So sind wir in der Lage, genau zu verfolgen, wann die Siebenschläfer welche Körpertemperatur aufweisen und wie aktiv sie sind.“ Bevor die Tiere in den Winterschlaf gehen, trainieren sie, in einem Irrgarten zurecht zu kommen und den Weg ins Freie zu finden. Weiters lernen die Siebenschläfer verschiedene Symbole zu erkennen und durch den Sprung auf das richtige Symbol den Ausgang zu finden. Ob sich die Nager an den richtigen Weg aus dem Labyrinth und an die erlernten Symbole auch nach dem Winterschlaf erinnern können, untersuchen die WissenschafterInnen im Frühjahr darauf, sobald die Siebenschläfer wieder erwachen. „Wir möchten einige unserer Tiere auch in Gruppen in großen Volieren unterbringen. Hier haben sie die Möglichkeit, mit Artgenossen ihre Schlafplätze in Nistkästen zu teilen. Durch soziale Netzwerkanalysen wollen wir herausfinden, ob diese Gruppenbildung durch den Winterschlaf beeinflusst wird“, so Claudia Bieber abschließend.