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Alles hat seinen Preis, auch der Winterschlaf
14.10.2019: Viele Säugetiere überleben die kalte Jahreszeit indem sie Winterschlaf halten. Je tiefer die eigene Körpertemperatur, umso mehr Energie können Winterschläfer dabei einsparen. Was zwar grundsätzlich positiv ist, hat jedoch einen großen Haken: Niedrigere Temperaturen führen zu einem vermehrten Schrumpfen der Schutzkappen der Chromosomen – beträchtliche Schäden, die zum Tod der Zelle führen können und nur mit großem Energieaufwand wieder behoben werden können. Zu diesen Ergebnissen kam jüngst ein Forschungsteam der Vetmeduni Vienna im Rahmen einer soeben veröffentlichten Studie.
Während des Winterschlafes bei niedrigen Körpertemperaturen können Säugetiere ihren Energieverbrauch um mehr als 90% senken. Dies ist von großem Vorteil, wenn Energie in Form von Futter knapp ist. Der Winterschlaf bei derart drastischen Körpertemperaturen hat jedoch auch Nachteile wie das Schrumpfen der Telomere, den Schutzkappen von Chromosomen. In Experimenten mit Gartenschläfern und Siebenschläfern stellten Forscherinnen und Forscher der Vetmeduni Vienna nun fest, dass Tiere, die bei höheren Temperaturen überwintern, längere Telomere aufrechterhalten, aber auch mehr Energie verbrauchen. „Es scheint sich um einen Kompromiss zwischen der Beibehaltung intakter Telomere, also eine Investition in das Überleben der Zellen, und der Maximierung der Energieeinsparung durch Winterschlaf bei niedriger Körpertemperatur zu handeln,“ erklärt Julia Nowack, eine der ErstautorInnen der Studie. Sie arbeitet derzeit an der Liverpool John Moores University in Liverpool, Großbritannien.
Ein Kompromiss zwischen Energieeinsparung und Telomerschäden
Das Forschungsteam konnte in der Verkürzung der Telomere der beiden untersuchten Tierarten – Siebenschläfer und Gartenschläfer – die im Labor entweder bei 3° C oder 14° im Winterschlaf gehalten wurden, signifikante Unterschiede feststellen. Die Tiere, die bei 14° C Winterschlaf hielten, verbrauchten mehr Energie als die Tiere, die bei 3° C Winterschlaf gehalten hatten. Umgekehrt blieben jedoch die Telomere der Tiere bei 14° C weit besser erhalten. Diese neue Erkenntnis stützt die bereits bisher allgemein verbreitete Vermutung, dass Winterschlaf seinen Preis hat. „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein tiefer Winterschlaf mit Kosten auf zellulärer Ebene verbunden ist, also einer verstärkten Verkürzung der Telomere, die von den Tieren aktiv und energetisch aufwändig ausgeglichen werden muss. Infolgedessen überschätzen die bisherigen wissenschaftlichen Annahmen vermutlich den Anteil an Energie, den Tiere durch tiefen Winterschlaf einsparen können“, so Julia Nowack.
Winterschlaf – eine evolutionäre Erfolgsstrategie mit gewissen Nachteilen
Der Winterschlaf ist ein Zustand anhaltender Inaktivität, der mit einer verringerten Stoffwechselrate und Körpertemperatur verbunden ist. Er gilt als die effizienteste Strategie zur Energieeinsparung bei Säugetieren und Vögeln. Trotz seiner vielen Vorteile wird zunehmend klar, dass der Winterschlaf auch mit Nachteilen verbunden ist, wie z. B. einer verminderten Immunfunktion, verlangsamten Reaktionen und erhöhtem oxidativen Stress. Denn häufiges Aufwachen aus dem Winterschlaf führt zu einem raschen Abbau der Energiereserven und die Hochregulierung des Stoffwechsels ist mit der Produktion von reaktiven Sauerstoffverbindungen verbunden, die über DNA-Brüche eine schnellere Verkürzung der Telomere verursachen.
Telomere – wichtige, stresssensible Endstücke der Chromosome
Telomere sind nichtkodierende, sich wiederholende DNA-Sequenzen am Ende von Chromosomen, die zusammen mit Telomer-assoziierten Proteinen den Abbau der kodierenden DNA während der Replikation verhindern. Die Telomerlänge wird häufig als Marker für die Alterung des Körpers verwendet. Telomere verkürzen sich nach jeder somatischen Zellteilung – der sogenannten Mitose –, aber die Verkürzung von Telomeren kann durch oxidativen Stress beschleunigt werden. Kann die Telomerlänge nicht wiederhergestellt werden, stirbt die Zelle schließlich ab. Während des Winterschlafes wird die Mitose bei niedrigen Temperaturen gestoppt und daher der Abbau der Telomere unterbrochen.
Wichtig auch beim Menschen
Die Telomere sind auch in der Humanmedizin von großer Relevanz. Beim Menschen ist aus Studien bekannt, dass chronischer Stress die Verkürzung der Telomere beschleunigt. Umgekehrt können Veränderungen des Lebensstils zu einer Verlangsamung der Verkürzung der Telomere führen und dadurch den Alterungsprozess der Zellen und damit auch des Gesamtorganismus positiv beeinflussen.