Springe zum Hauptinhalt

Forschung

Gesucht: Antikörper gegen das Corona-Virus*

Einen Antikörper-Test für das SARS-CoV-2-Virus, der in allen medizinischen Laboren angewendet werden kann, entwickelt derzeit ein österreichisches Konsortium aus drei Wiener Universitäten – der Universität für Bodenkultur, der Veterinärmedizinischen Universität und der Medizinischen Universität Wien – und zwei anwendungsorientierten Partnern, darunter dem AIT Austrian Institute of Technology. Noch vor dem Sommer soll dieser Test einsetzbar sein.

© Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna

© Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna

Seit einiger Zeit sind Antikörper-Tests, mit denen eine Infektion durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 nachgewiesen werden kann, in aller Munde. Klar, es wäre schon eine feine Sache zu wissen, ob man bereits eine Infektion durchgemacht hat und unser Immunsystem schon Antikörper gegen den Eindringling produziert hat. Diese Abwehrstoffe erkennen das Virus sehr spezifisch und leiten eine Abwehr ein. Die Hoffnung, dadurch immun gegen die Pandemie zu sein, ist groß. 

In Rekordzeit haben Anbieter aus aller Welt solche Antikörper-Tests auf den Markt gebracht. Diese hatten aber größtenteils einen Pferdefuß: Sie lieferten viele falsch positive Ergebnisse. Das bedeutet, dass das Testergebnis eigentlich besagt, dass man Antikörper gegen das Virus gebildet habe – was aber nicht richtig ist. Der betreffende Mensch wiegt sich dann in falscher Sicherheit, nicht mehr erkranken zu können. 

Ein guter Test muss zumindest zwei Kriterien erfüllen: Er muss zum einen möglichst „sensitiv“ sein, er muss also empfindlich auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen das Virus sein und diese schon in kleinsten Mengen nachweisen können. Zum anderen ist aber auch eine hohe „Spezifität“ erforderlich: Der Test muss genau die gesuchten Moleküle finden – und nicht Substanzen, die nur ähnlich aussehen. Der Grund dafür, dass die beiden Kriterien nicht einfach zu erfüllen sind, liegt darin, dass es verwandte (wesentlich harmlosere) Corona-Viren gibt, mit denen wir bereits in Kontakt gekommen sind und daher Antikörper gebildet haben. Man muss sicher gehen, dass ein Test wirklich die aktuellen, gefährlichen Corona-Viren findet.

Verschiedene Arten von Tests

Die größten Probleme mit falsch positiven Testergebnissen haben sogenannte „Schnelltests“, die sehr rasch ein Ergebnis zeigen, ohne dass man spezielle Geräte oder Fachwissen dafür benötigt. Um einiges besser sind Labortests, die eine spezielle Ausrüstung erfordern und nach einigen Stunden ein Ergebnis liefern. Unklare Ergebnisse können überdies mit sogenannten „Neutralisierungs-Tests“ abgeklärt werden. Diese sind der „Goldstandard“ unter Antikörper-Tests: Sie können wirklich beweisen, ob ein Patient tatsächlich Antikörper gebildet hat, die das Virus „neutralisieren“, also abtöten. Sie erfordern allerdings hochspezialisierte Labore, weil dabei intakte Viren vermehrt werden müssen – dazu sind nur drei Virologie-Labore in Österreich berechtigt.

Das Problem bei den meisten Labortests ist, dass sie eine spezielle technische Ausrüstung erfordern. Das war der Ausgangspunkt für ein Konsortium aus österreichischen Forschungsinstituten: „Das Konsortium hat sich zum Ziel gesetzt, als Alternative zu Plattformtests, die nur in speziell ausgestatteten Laboren durchgeführt werden können, einen ELISA-Test zu entwickeln, der auch in normalen medizinisch-diagnostischen Laboren mit standardmäßiger Ausstattung gemacht werden kann und gleich gute Ergebnisse liefert“, berichtet der Biotechnologe Otto Doblhoff-Dier, Forschungs-Vizerektor der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni Vienna). „Der Test soll einfach durchzuführen und robust sein, und die Ausgangsmaterialien sollen jederzeit verfügbar sein.“

Österreichische Forscher bilden ein „Netzwerk des Vertrauens“

Unterstützt von einem Sponsor aus der österreichischen Wirtschaft haben sich spontan Partner zusammengefunden, die früher schon regelmäßig gut kooperiert haben. Das sind neben der Vetmeduni Vienna die Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), die Medizinische Universität Wien (MedUni Wien) sowie zwei anwendungsorientierte Partner – ein Hersteller von Diagnostika und das AIT Austrian Institute of Technology –, um eine rasche Umsetzung in die Praxis zu ermöglichen. „Bei dieser Kooperation läuft fast alles über Netzwerke des Vertrauens“, merkt Doblhoff-Dier an. Dadurch war auch eine rasche und zielgerichtete Kooperation trotz aller Beschränkungen durch die Corona-Krise möglich. 

Im Konsortium macht jeder Partner das, was er besonders gut kann: Die BOKU steht in engem Kontakt mit Florian Krammer, einem österreichischen Forscher, der an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York an einem ähnlichen Test arbeitet. „Wir haben das Konzept etwas modifiziert und an unsere Expressionssysteme adaptiert“, erzählt Reingard Grabherr, Leiterin des Departments für Biotechnologie an der BOKU. Die verwendeten Antigene sind Teile von Virusproteinen, die von den Antikörpern der Patienten erkannt werden. „Das Ziel ist es, die Antigene möglichst hochqualitativ, sauber und in großen Mengen herzustellen“, so Grabherr. Das ist den Forschern gelungen, sie können die beiden Antigene, auf die man sich im Konsortium geeinigt hat, nun in Bakterien bzw. in Säugetierzellen im Labor in ausreichenden Mengen herstellen. Der Vorteil dieses Ansatzes, bei dem (im Unterschied zu allen anderen verfügbaren Tests) zwei Antigene verwendet werden, ist es, dass die Ergebnisse wesentlich genauer sind: Es gibt also weniger fasch positive (und falsch negative) Resultate.

Etablierung eines ELISA-Tests

An der Vetmeduni Vienna arbeiten ForscherInnen derzeit an der Etablierung eines ELISA-Tests. Das ist ein Standardtest, der in allen medizinischen Laboren durchgeführt werden kann und in spätestens drei Stunden ein Resultat liefert. Evaluiert werden diese Tests, die von einem Firmenpartner zur Serienreife entwickelt werden, an der MedUni Wien. „Wir haben eine sehr große Bank an Serumproben – sowohl aus Prä-Covid-Zeiten als auch von Covid-Fällen“, berichtet Christoph Binder, Professor am Klinischen Institut für Labormedizin. „Sobald unser kommerzieller Partner einen Prototyp fertig hat, werden wir rund 1500 Proben unter echten klinischen Laborbedingungen durchtesten und mit den Ergebnissen von anderen Plattformen vergleichen.“ Das soll schon in den nächsten Wochen geschehen. Was bereits jetzt klar ist: „Unsere Antigene haben sehr gute Spezifitäts-Daten“, so Binder. Klappt alles nach Plan, soll noch vor dem Sommer die behördlich vorgeschriebene Leistungsbewertungsüberprüfung abgeschlossen werden – dann kann der neue Test routinemäßig eingesetzt werden.

* Blogbeitrag des Austrian Institute of Technology (AIT)