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10.09.2024: Eine neue Studie des Messerli Forschungsinstituts (MFI) der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersuchte die aktuellen Entwicklungen rund um die Hospiz- und Palliativversorgung in der modernen Kleintiermedizin. Im Rahmen qualitativer Interviews mit Tierärzt:innen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz, die sich auf die palliative Betreuung von Tieren am Lebensende spezialisiert bzw. diese explizit anbieten, wurden sowohl die Motivation als auch die zentralen Herausforderungen identifiziert.

Ausgangspunkt der Studie: Heimtiere sind für viele Menschen enge Wegbegleiter und tierische Familienmitglieder. Rückte bei einer schweren bzw. unheilbaren Krankheit von Hund oder Katze bislang oftmals die Option der Euthanasie schnell in den Vordergrund, zeigt sich gegenwärtig unter Tierhalter:innen eine wachsende Nachfrage nach einer Hospiz- und Palliativversorgung ihrer Gefährten. Die Palliativmedizin zielt darauf ab, Schmerzen und andere klinische Symptome zu lindern, um eine bestmögliche Lebensqualität zu erreichen – und zwar auch dann, wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist.

Zentrale Erkenntnisse: „Also für mich ist die Tiermedizin nicht erledigt, wenn ich eine Diagnose habe, dass es unheilbar ist, sondern da geht es für mich dann erst los.“ Diese Aussage spiegelt laut der Erstautorin Svenja Springer vom MFI eine weit verbreitete Einstellung unter den befragten Tierärzt:innen wider.

Die Studie zeigt, dass persönliche Erfahrungen mit eigenen Haustieren oder während der Ausbildung bzw. im Berufsleben wesentlicher Antrieb für eine Spezialisierung bzw. Fokussierung in der Palliativmedizin sind. Ein beispielhaftes Zitat einer Tierärztin lautet: „Wir haben alle gelernt − auch ich – keine Geschichten daraus machen, loslassen, vernünftig entscheiden. Und dann habe ich festgestellt, wie sehr ich gelitten habe unter der Euthanasie meiner eigenen Tiere.“ Eine andere Tierärztin gab mit Blick auf ihre Motivation zu Protokoll: „Also wir Tierärzte wurden eigentlich dazu erzogen, zu euthanasieren. Und wenn man eine Diagnose hat mit miserabler Prognose, dann wird einfach (…) euthanasiert. Und ich schaue heute viel differenzierter darauf, (…) , [die Tierhalter:innen] möchten das Tier eigentlich gern begleiten.“

Das moralische Leitprinzip dieses „Begleitens“ kreist dabei vorwiegend um die „Lebensqualität“ des individuellen Patiententieres: Solange diese ausreichend gegeben ist, sehen viele der Befragten eine Euthanasie nicht als notwendig an. Für die spezialisierten Tierärzt:innen ändert sich damit ein Stück weit ihr Selbstverständnis, so die Autor:innen der Studie: „Die zentrale Frage lautet in diesen Situationen nicht mehr ‚Wie können wir das Tier heilen?‘ sondern ‚Wie können wir das Tier bestmöglich begleiten und für dieses sorgen?" Hierbei rücken notwendigerweise auch die Tierhalter:innen in den Blick, wie Svenja Springer näher ausführt: „Eine vertrauensvolle, empathische, aber zugleich professionelle Beziehung zwischen Tierärzt:innen und Tierhalter:innen ist das A und O. Vor allem erfordert eine gute Palliativversorgung aber eines: Zeit. Fast alle Befragten kommen immer wieder auf diesen Faktor zu sprechen und betonen, dass sie sich ausreichend Zeit für das Tier, aber auch für die Tierhalter:innen nehmen.“ In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder Kritik am zunehmenden Zeitdruck im üblichen Praxisalltag in der tiermedizinischen Versorgung laut.

Ethische Fragen

Die Hospiz- und Palliativversorgung von Heimtieren stellt dabei „klassische“ Abwägungsfragen mit neuer Vehemenz: Ab wann ist die Lebensqualität nicht mehr ausreichend vorhanden, so dass schließlich aus Gründen der Leidvermeidung doch zu euthanasieren ist? Anders formuliert: Ab wann ist ein Leben nicht mehr „lebenswert“? Und wie kann hier innerhalb der „Trias der Veterinärmedizin“ zwischen Patiententier, Tierhalter:in und Tierärzt:in empathisch und doch fachlich-basiert eine Entscheidung getroffen werden, die im mutmaßlichen besten Interesse des Tiers ist?

Daten dieser Studie zeigen, dass insbesondere die Palliativversorgung von Heimtieren sich diesen ethischen Fragen annimmt, bei der nicht das Heilen, sondern das Begleiten von Patiententieren und deren Halter:innen im Fokus stehen.
 

Der Artikel “Veterinary medicine is not finished when I have diagnosed an incurable disease, that’s when it starts for me.” A qualitative interview study with small animal veterinarians on hospice and palliative care von Svenja Springer (Veterinärmedizinische Universität Wien), Shannon Axiak Flammer (Universität Bern) und Christian Dürnberger (Veterinärmedizinische Universität Wien) erschien in „Frontiers in Veterinary Science“.

Die Studie wurde im Rahmen des Projekts „Abschied Leben“ durchgeführt, welches von der Gut Aiderbichl Stiftung gefördert wird.