12.01.2023: Wiederkäuer sind auf die bemerkenswerte Stoffwechselkapazität ihres Pansens angewiesen, um die für andere Tierarten nicht verwertbaren Pflanzenstoffe effektiv zu verdauen. Die Biologie von auf der Pansenwand lebenden Mikroben und deren Einfluss auf die Verstoffwechselung der Futtermittel von Wiederkäuer sind jedoch bisher kaum erforscht. Forscher:innen der Vetmeduni, des Österreichischen Kompetenzzentrums für Futter- und Lebensmittelsicherheit sowie der Universität Wien, identifizierte nun erstmals dominante wie auch aktive mikrobielle Populationen an der Pansenwand. Die Studie erschien soeben in Nature Microbiology.
Hauptakteure bei der Verdauung im Pansen sind Mikroorganismen, die Wiederkäuer mit hochwertigem Eiweiß und wichtigen Stoffwechselprodukten wie kurzkettige Fettsäuren versorgen. Diese bilden die Hauptenergie- und Proteinquelle für die Tiere, und damit auch die Grundlage für eine hochwertige und nahrhafte Lebensmittelproduktion für den Menschen.
Ein fundiertes Verständnis und eine Optimierung der Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft im Pansen kann die Effizienz der Energieproduktion beim Wiederkäuer entscheidend verbessern und gleichzeitig die Umwelt- und Klimabelastung der Wiederkäuer- und Milchproduktion minimieren.
In aktuellen Forschungsarbeiten konnte gezeigt werden, wie mikrobielle Stoffwechselprodukte den Energiehaushalt des Rindes beeinflussen. Besonders die kurzkettige Fettsäure Acetat versorgt den Wiederkäuer mit dem für den Fettaufbau so wichtigen Kohlenstoff. Neben einer bereits seit langem bekannten dosisabhängigen Beziehung zwischen Acetat und Milchfett, ist Acetat auch Substrat für andere, sehr wichtige Stoffwechselprozesse im Körper.
Mikrobielle Populationen identifiziert
Eine aktuelle Studie, welche in Kooperation mit der Veterinärmedizinischen Universität (Cameron Strachan, Evelyne Selberherr, Qendrim Zebeli), dem FFoQSI - Österreichisches Kompetenzzentrum für Futter- und Lebensmittelsicherheit (Viktoria Neubauer, Martin Wagner), und der Universität Wien (Xiaoqian Yu, Anna Mueller und Martin Polz) durchgeführt wurde, stellte erstmals dominante wie auch aktive mikrobielle Populationen an der Pansenwand fest. „Eine Gruppe von Mikroben, die sich dabei als besonders häufig und aktiv herausstellte, waren zuvor unkultivierbare Campylobacteraceae“ berichtet Cameron Strachan, Erstautor der Studie. „Diese sind hoch spezifisch an das Rind angepasst, und haben nichts mit lebensmittelassoziierten Erkrankungen beim Menschen, wie zum Beispiel durch Campylobacter jejuni hervorgerufen, zu tun“, setzt er fort.
Zuerst wurde in der in Nature Microbiology publizierten Studie die Analyse der genetischen Struktur von Campylobacteriaceae an der Pansenwand durchgeführt und dann, basierend auf evolutionärer Theorie, ökologisch differenzierte bakterielle Populationen vorhergesagt. Der Ansatz basierte auf der Analyse des Genflusses, welcher koexistierende Mikroben in genetisch und ökologisch unterschiedlichen Populationen trennt. Solche Populationen werden als Gruppen eng verwandter, gemeinsam vorkommender Bakterien definiert. Diese sind durch spezifische Anpassungen gekennzeichnet, sodass sie sich zumindest in einigen Merkmalen von ihren am engsten verwandten Populationen unterscheiden. „Weitere Analysen ergaben eine große Übereinstimmung bei den wichtigsten Stoffwechseleigenschaften dieser Populationen, aber eben auch einige Unterschiede, welche zur unterschiedlichen Besiedlung der Pansenwand beitragen könnten,“ so Cameron Strachan.
Interessanterweise fanden die Autor:innen einen so genannten metabolischen „trade-off“, bei dem eine Population unter Acetat besser wachsen kann, aber durch eine andere kurzkettige Fettsäure, Propionat, gehemmt wird, während die andere Population mit keinem der Substrate einen nachweisbaren Wachstumsvorteil oder -nachteil zeigte. Neben Acetat ist Propionat die zweitwichtigste kurzkettige Fettsäure im Pansen des Wiederkäuers. Propionat wird üblicherweise von leichtfermentierbaren Kohlenhydraten wie Zucker und Stärke produziert und liefert die Glucose für das Rind, wodurch wir Korrelationen mit einzelnen Populationen erkennen konnten, die mit dem beobachteten trade-off übereinstimmten.