Einfachheit, wo keine ist
Nesseltiere gelten als urtümliche Parasiten und Fische als basale Wirbeltiere. Das suggeriert eine Einfachheit, wo Double Trouble ist: Das Wirtstier ist schwierig und die Parasiten noch schwieriger. Das Immunsystem von Fischen unterscheidet sich stark von dem der Säugetiere, an dem viel mehr geforscht wird. Das Verständnis für Parasit und Wirt ist lückenhaft, die Entwicklung von Antikörpern gegen Proteine von aquatischen Parasiten in Labormäusen scheitert regelmäßig, denn sie passen meist weder zum Organismus noch zum Habitat und deren Temperatur. Aber auch hier können dicht gewebte Wissensnetze greifen, die Astrid Holzer in Wien verstärken möchte: „Für meine Arbeit ist es mir am allerwichtigsten, die Perspektiven zu erweitern. Wir dürfen nicht bei dem stehen bleiben, was wir jetzt wissen oder können. Dieses Feld braucht jetzt neuen methodologischen Input, denn es hat starke Auswirkungen auf den Menschen und Umweltbelange.“
Am pulsierenden Wissenschaftsstandort will sie Fachleute für gut untersuchte Systeme und Techniken dafür gewinnen, diese gemeinsam auf ihr Fachgebiet umzulegen, zu vergleichen, zu adaptieren und auf diese Weise mit ganz neuen Ansätzen aus den Kooperationen herauszukommen. Zwei Modellsysteme hat sie in Wien vorgefunden, eines hat sie mitgebracht. Ihres beleuchtet die Interaktion von Karpfen, wie sie klassisch in Fischteichen gehalten werden, mit Sphaerospora molnari, einem weit verbreiteten Nesseltierchen. Für dieses ist es gelungen, den Lebenszyklus abzukürzen, es in Fischblut zu injizieren und genetisch sauber zu isolieren. Im Fokus steht die Proliferation (die massenhafte Vermehrung), das wichtigste Stadium, um für Therapien anzusetzen.
Lehre und Lebensraum
Das weltbekannte Forschungslabor in Budweis tauscht sie gerne gegen Wien, weil sie wieder lehren will und die Stadt für die ganze Familie interessant ist. Ihren Mann, ein Spanier von den Kanarischen Inseln, hat sie übrigens – wie könnte es anders sein – auf Lachsfarmen in Schottland kennengelernt.
Sie freut sich, dass die gezielte Suche zur Verstärkung des Fachbereichs sie erreichte. Um die Lücke zu schließen, möchte sie auch die Industrie von der Aquakultur bis zu Futtermitteln in die Feldforschung und Therapieentwicklung einbeziehen und diese Verbindung ist in Wien gut etabliert: „So bekommt man direkte Informationen, wo Probleme liegen und was man berücksichtigen muss. Die Forschung ist extrem relevant, um die Produktion von gesundem Fisch aus den wachsenden Aquakulturen zu erhalten und diese nachhaltiger zu gestalten. Aktuell gehen 20% der weltweiten Produktion an Pathogene verloren.“ Grundlagenforschung ist für die Fischparasitologie wichtig, aber auch die Verbindung zur angewandten Forschung, für die es praktikable, leistbare Wege zu finden gilt. So plant Astrid Holzer gerade mit Kolleg:innen vom Imperial College in London für unterschiedliche Fischkrankheiten ein „Lab on a Chip“ zu etablieren, mit dem jeder Aquakulturbetrieb Bestände analysieren kann.
Wenn man in der Lehre tätig ist, hat man Zugang zu guten Studierenden und diese will sie natürlich zu sich ins Labor holen. Wie legt sie also die Lehre an? Sie soll zukunftsgerichtet sein und Spaß machen, Kommunikation ist ihr wichtig. Was sie selbst am meisten angezogen hat, war die Praxis. In Stirling und Valencia, wo sie unterrichtet hat, nutzte sie jede Gelegenheit, die Lebenszyklen von Parasiten in den Unterricht hereinzuholen: „Bei mir sind Präsenz und Involvement wichtig. Ich setze auch auf Exkursionen. Wir müssen mit Studierenden in die Aquakultur gehen, um zu sehen, was man vor Ort machen kann und welche Forschungsthemen für die Industrie und die angeschlossenen natürlichen Gewässersysteme wichtig sind.“
22 Jahre sind vergangen, seit sie zuletzt in Wien gelebt hat. Budweiser Bier gäbe es auch hier, aber bei den Budweiser:innen ist es verpönt, klärt sie auf. Da sie eigentlich lieber Wein mag, ist sie hier jedenfalls gut aufgehoben. Sie ist gerne in der Natur und hat sich vorgenommen, mit Mann und Tochter den Wienerwald, die Berge, Kultur und Kulinarik neu zu entdecken. Gerne auch mit dem Rad oder kletternd.