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Plastik statt Stroh: Störche nutzen menschlichen Abfall zum Nestbau

Die vom Menschen verursachte Umweltverschmutzung hat erhebliche Auswirkungen und beeinflusst sogar den Nestbau von Vögeln. Das zeigt eine aktuelle europäische Studie unter Leitung des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni anhand von Störchen. Allerdings unterscheidet sich die Verwendung von menschlichen Abfällen zwischen einzelnen Storch-Populationen erheblich.

Zwei wesentliche Folgen der immer stärkeren Ausbreitung des Menschen sind die Umwandlung natürlicher Lebensräume in landwirtschaftlich genutzte Flächen und die Ausweitung bebauter Gebiete. Damit verbunden finden sich auch menschliche Abfälle so gut wie überall. Das hat schwerwiegende Auswirkungen: Insbesondere die Plastikverschmutzung wirkt sich weltweit auf die Tierwelt aus. Weggeworfenes Plastik ist allgegenwärtig und für Vögel zunehmend ein Material, das in die Neststruktur eingebaut wird – das zeigt nun ein europäisches Forschungsteam aus Spanien, Polen und Österreich anhand des Weißstorchs (Ciconia ciconia). In ihrer Studie beschreiben die Wissenschafter:innen die Art, Häufigkeit und Menge an anthropogenem Nistmaterial bei zwei Populationen des Weißstorchs in zwei geografisch weit voneinander entfernten Brutgebieten, und zwar in Polen und in Spanien.

Polen ist nicht Spanien: Deutliche Unterschiede bei der Nutzung von Plastik

In den insgesamt 303 Nestern der beiden Populationen stellten die Forscher:innen signifikante Unterschiede bei der Verwendung von anthropogenem Nestmaterial fest. Um den Grund dafür zu erklären, nutzten die Wissenschafter:innen Fernerkundungsdaten des menschlichen Fußabdrucks (Human Footprint Index, HFI) und den Anteil der undurchlässigen Flächen (Gebäude, Straßen, ähnliche menschgemachte Strukturen/Impervious Surface Areas, ISA). „Wir fanden heraus, dass sowohl ISA als auch HFI in der spanischen Population einen positiven Zusammenhang mit der Menge an anthropogenem Nistmaterial aufweist. Demgegenüber zeigten sich in der polnischen Population keine statistisch signifikanten Korrelationen“, so Studien-Letztautor Marcin Tobółka vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Vetmeduni. Darüber hinaus konnten die Forscher:innen nachweisen, dass die Verwendung von anthropogenem Nestmaterial in Spanien doppelt so hoch ist wie in der polnischen Weißstorchpopulation.

Habitate: Verschieden großer menschlicher Fußabdruck als wesentlicher Faktor

Die für die spanischen und polnischen Untersuchungsorte unterschiedlichen Werte des menschlichen Fußabdrucks HFI spiegeln laut der Studie den unterschiedlich starken Druck des Menschen auf den Naturraum wider. Als Folge bewohnt die spanische Weißstorchpopulation stärker urbanisierte Gebiete. Im Gegensatz dazu bleibt die polnische Population ein Ackerlandvogel und bewohnt hauptsächlich Gebiete mit naturnahen Wiesen und Weiden.

Der Artikel „The prevalence of anthropogenic nest materials differs between two distinct populations of migratory birds in Europe“ von Zuzanna Jagiello, Łukasz Dylewski, José I. Aguirre, Joanna T. Białas, Andrzej Dylik, Alejandro López‑García, Ireneusz Kaługa, Adam Olszewski, Joachim Siekiera und Marcin Tobółka wurde in „Environmental Science and Pollution Research“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

2023-06-26

Klimawandel verändert die Gelege von Vögeln

Eine weltweite Studie unter Beteiligung der Veterinärmedizinischen Universität Wien zeigt: Der Klimawandel hat weitreichende Konsequenzen und betrifft auch den Nachwuchs von Vögeln – in ganz unterschiedlicher Weise.

Der Klimawandel beeinflusst den Zeitpunkt der Fortpflanzung bei vielen Vogelarten, aber über den Einfluss auf die jährliche Fortpflanzungsleistung ist wenig bekannt. Eine kürzlich veröffentlichte, weltweite Studie unter Beteiligung der Vetmeduni liefert nun auf Basis einer Metaanalyse wichtige neue Daten.

Das Forschungsteam untersuchte Langzeitbrutdaten für den Zeitraum von 1970 bis 2019. Insgesamt 201 Populationen von 104 Vogelarten mit 745.962 Gelege auf allen Kontinenten fanden Eingang in die Studie. Im Durchschnitt sank die Zahl des Nachwuchses in den letzten Jahrzehnten, allerdings fanden die Forscher:innen erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Arten und Populationen: 56,7 % der Populationen (signifikant bei 17,4 %) produzierten weniger Nachkommen, wohingegen bei 43,3 % (signifikant bei 10,4 %) die Gelege größer wurden.

Einige Arten profitieren vom Klimawandel

„Die Ergebnisse zeigen, dass klimatische Veränderungen die Nachkommenproduktion beeinflussen“, so Co-Autor Marcin Tobółka vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni. Im Detail deuten die Analysen darauf hin, dass steigende Temperaturen vor allem auf wandernde, größere Arten negativ wirken, während sesshafte Arten mit kleinerem Körper von einem wärmeren Klima profitieren könnten.

Abnehmende Zahl an Vögeln liegt nicht an kleineren Gelegen

Da der Trend zu kleineren Gelegen nicht sehr ausgeprägt und zudem uneinheitlich ist, gehen die Forscher:innen davon aus, dass der weltweit rasche Rückgang der Vogelpopulationen nur zu einem geringen Teil auf Veränderungen der Zahl von Jungtieren zurückzuführen ist.

Der Artikel „The effect of climate change on avian offspring production: A global meta-analysis“ von Lucyna Halupkaa, Marcin Tobółka, Konrad Halupkagg et al. wurde in „PNAS“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

2023-06-21

Schlechte Sicht macht Kaulquappen vorsichtiger

Wenig Licht und trübes Wasser sind schlecht für die Sehleistung. Doch wie wirken sich solche Umweltbedingungen auf das Verhalten von Wassertieren aus? Eine soeben veröffentlichte Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien ging dieser Frage anhand von Kaulquappen nach. Demnach beeinflussen veränderte Umweltbedingungen das Verhalten der Froschlarven – eine wichtige Erkenntnis, vor allem wegen der Störung vieler natürlicher Lebensräume durch den Menschen.

In ihrer Studie untersuchte das internationale Forschungsteam das Verhalten von Kaulquappen zweier Pfeilgiftfroscharten. Ziel war es, den Zusammenhang zwischen Umgebungen mit eingeschränkter Sicht und der individuellen Reaktion auf wahrgenommene Risiken zu untersuchen.

Getestet wurden die Pfeilgiftfroscharten Dendrobates tinctorius – ein Frosch mit fakultativ kannibalischen Kaulquappen – und Oophaga pumilio – dessen Kaulquappen auf mütterliche Nahrungsversorgung angewiesen sind – in unterschiedlichen experimentellen Settings. Zunächst wurde die allgemeine Aktivität und Raumnutzung der Kaulquappen auf einem schwarz-weißen Hintergrund gemessen und dann entweder auf einem schwarzen oder weißen Hintergrund, auf dem die Kaulquappen visuellen Reizen potenzieller Räuber ausgesetzt waren.

Klare und weniger klare Auswirkungen

Die Auswirkungen der ursprünglichen Umgebung auf die Kaulquappen von Dendrobates tinctorius waren klar, so Studien-Letztautorin Bibiana Rojas vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni: „Kaulquappen die in einem dunkleren Ursprungshabitat aufwuchsen waren weniger aktiv, als Kaulquappen aus helleren Ursprungshabitaten und reagierten auf keinen der beiden visuellen Räuber mit gesteigerter Aktivität. Demgegenüber schwammen Kaulquappen aus einer helleren Ursprungsumgebung mehr, wenn sie mit potenziell feindlichen Artgenossen zusammen waren.“ Laut Rojas deutet das darauf hin, dass Kaulquappen visuell zwischen Raubtieren unterscheiden können. Unterstützung bekommt diese Hypothese auch durch die Ergebnisse mit Oophaga pumilio: Ihre Reaktionen auf die beiden visuellen Reize unterschieden sich nicht.

Deutlicher Beleg für den Einfluss von Umweltstörungen auf heranwachsende Tiere

Eine wesentliche Erkenntnis der Studie liegt darin, dass die Risikowahrnehmung bei Tieren situationsabhängig ist. Außerdem hat die Lichtqualität während des Heranwachsens einen wesentlichen Einfluss darauf, in welcher Form die Tiere auf Risiken in neuartigen Kontexten reagieren. „Da Tiere zunehmend gestörten Lebensräumen ausgesetzt sind, unterstreichen unsere Ergebnisse wie sehr Tiere, die auf ihr Sehvermögen angewiesen sind, auf plötzliche Umweltstörungen reagieren“, betont Bibiana Rojas.

Wissenschaftlicher Artikel

2023-06-13

Der weibliche Duft: ein Wachstumsturbo für junge männliche Mäuse

Werden weibliche Hausmäuse (Mus musculus) dem männlichen Uringeruch ausgesetzt, beschleunigt sich ihre sexuelle Entwicklung – die Wissenschaft nennt diesen Mechanismus Vandenbergh-Effekt. Diese positive Wirkung ist keine Einbahnstraße. Das fand nun eine soeben veröffentlichte Studie unter Leitung der Veterinärmedizinischen Universität Wien heraus: Männliche Jungmäuse profitieren demnach von weiblichem Uringeruch durch beschleunigtes Körperwachstum.

In ihrer Studie testete das Forschungsteam, ob die Exposition junger männlicher Mäuse gegenüber dem Urin von Weibchen ihr Wachstum und die Größe ihrer Geschlechtsorgane beeinflusst. Dazu wurden drei Wochen alte männliche Hausmäuse 5x/Woche ein paar Tropfen weiblichem Urin über einen Zeitraum von drei Monaten hinweg ausgesetzt, während es für die Kontrollgruppe nur normales Wasser war.

Stärkeres Wachstum, keine positiven Effekte auf Muskelmasse und Geschlechtsorgane

„Wir fanden heraus, dass die weiblichem Urin ausgesetzten Männchen deutlich schneller wuchsen und stärker zunahmen als die Kontrolltiere, obwohl alle Männchen mit der gleichen Menge Ernährung aufgezogen wurden“, so Studien-Erstautorin Sarah M. Zala vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Vetmeduni. Allerdings konnten die Wissenschafter:innen keine Unterschiede in der Muskelmasse oder den Geschlechtsorganen der Männchen feststellen. Und die Exposition jugendlicher Männchen gegenüber männlichem Urin hatte keinerlei Einfluss auf ihr Wachstum. Studien-Letztautor Dustin J. Penn vom KLIVV unterstreicht die Bedeutung der Studie: „Unsere Ergebnisse liefern nach unserem Kenntnisstand den ersten Beweis dafür, dass jugendliche männliche Mäuse ihr Wachstum beschleunigen, wenn sie dem Urin erwachsener Weibchen ausgesetzt werden.“

Vorteil ohne Nachteil: Keine schlechtere Immunresistenz

Weiters prüften die Forscher:innen, ob es einen evolutionären trade-off gibt, also das Erkaufen eines Vorteils durch einen Nachteil. Dazu untersuchte das Forschungsteam, ob das beschleunigte Wachstum der Männchen funktionelle Kompromisse bei der Immunresistenz gegenüber einer experimentellen Infektion mit sich bringt. Zu diesem Zweck wurden die männlichen Jungmäuse einem bakteriellen Krankheitserreger (Salmonella enterica) ausgesetzt. „Wir fanden keine Hinweise darauf, dass ein erhöhtes Wachstum negative Auswirkungen auf die Immunresistenz gegen Infektionskrankheiten hat. Bakterielle Clearance, Körpermasse und das Überleben während der Infektion entsprachen den Tieren aus der Kontrollgruppe“, so Dustin J. Penn.

Zugrundeliegende Mechanismen noch unklar

Die genaue Wirkweise des weiblichen Urins ist noch unklar, eine endokrin vermittelte Beschleunigung der Pubertät scheint jedoch denkbar. Als nützlich könnten sich die neuen Erkenntnisse für zukünftige Studien erweisen, die darauf abzielen, das Wachstum oder die sexuelle Entwicklung von männlichen Tieren mit natürlichen Methoden zu beeinflussen. Um mehr über die Funktionsweise zu erfahren, sind laut den Forscher:innen nun weitere Studien erforderlich. Dadurch ließe sich beispielsweise feststellen, ob und wie sich die Urinexposition von Weibchen auf das Wachstum und die sexuelle Entwicklung von Männchen in einem natürlichen Kontext auswirkt.

Der Artikel „Female scent accelerates growth of juvenile male mice“ von Sarah M. Zala, Brian Church, Wayne K. Potts, Felix Knauer und Dustin J. Penn wurde in „Scientific Reports“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

2023-06-01

Sexuelle Selektion verändert die heißen Moves der Vogelbalz

Gut gekleidet und auf der Tanzfläche ein Hero – so machte John Travolta in „Saturday Night Fever“ Eindruck, auf der Kinoleinwand und beim Publikum. Bei Vögeln ist es ganz ähnlich: Ein attraktives Gefieder wirkt im Zusammenspiel mit akrobatischen Einlagen. Wie sich diese Balzvorführungen evolutionär entwickeln, untersuchte nun eine internationale Studie unter Beteiligung des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni anhand des Manakins, einem in den amerikanischen Tropen verbreiteten Vogel.

In ihrer Studie untersuchten die Wissenschafter:innen Variationen im ausgeklügelten Balzverhalten von Goldkragen-Manakins (Manacus vitellinus) und Weißkragen-Manakins (Manacus candei) und ihren Kreuzungen („Hybriden“). Sie konzentrierten sich dabei auf eine Hybridpopulation von einer kleinen Insel vor der Küste Panamas.

Balztanz schlägt genetische Ähnlichkeit

Dabei bestätigte sich zunächst, dass diese Vögel genetisch sowohl den Festlandhybriden als auch ihren Weißkragen-Manakin-Elternarten ähnlich ist. Danach analysierte das Forschungsteam den Balztanz. Dieser wird innerhalb eines durch kleine Schösslinge abgegrenzten Areals aufgeführt, welches das balzende Männchen vor seinem Tanz säubert („Jump-Snap-Routine“).

Die überraschende Erkenntnis: Hybride Männchen vollführten trotz ihrer genetischen Ähnlichkeit mit Weißkragen-Manakins wichtige Tanzmanöver wie Goldkragen-Manakins. Andere Elemente ihrer Tanz-Präsentation führten die Hybriden auf eine Weise aus, die sich entweder nicht von der ihrer Weißkragen-Manakin-Eltern unterschied oder ein Mix des Balztanzes beider Elternpopulationen war.

Modulare Evolution als Reaktion auf sexuelle Selektion

Doch warum ähnelt der Balztanz hybrider Männchen dem von Goldkragen-Manakins, obwohl der genetische Hintergrund eher mit Weißkragen-Manakins übereinstimmt? Die Studienautor:innen vermuten, dass ausgewählte Komponenten der Tanzroutinen von Goldkragen-Manakins durch Weißkragen-Manakins gezielt übernommen wurden.

Studien-Letztautor Leonida Fusani, Leiter des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni, erklärt diesen Vorgang evolutionär: „Wir stellen die Hypothese auf, dass eine solche modulare Evolution als Reaktion auf die sexuelle Selektion erfolgt, wodurch sich spezifische Komponenten der Tanzroutine des Vogels verschieben, um eine umfassende Veränderung seines funktionellen Erscheinungsbildes zu bewirken.

Kreuzungen helfen, die Entwicklung sexueller Merkmale besser zu verstehen

Ein Hauptziel der Evolutionsbiologie ist es zu verstehen, wie sexuelle Merkmale entstehen und sich zwischen Populationen verändern. Eine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen, besteht darin, sexuelle Merkmale bei eng verwandten Arten und ihren Hybriden zu untersuchen. Die nun im führenden Fachjournal „Animal Behaviour“ veröffentlichte Studie nützte diesen Ansatz, um die Entwicklung von ausgeklügelten Verhaltensdarstellungsmerkmalen zu untersuchen, die während der Braut-Werbung von Vögeln verwendet werden.

Der Artikel „Beyond plumage: acrobati c courtship displays show intermediate patt erns in manakin hybrids“ von Julia Barske, Matthew J. Fuxjager, Claudio Ciofi, Chiara Natali, Barney A. Schlinger, Tim Billo und Leonida Fusani wurde in „Animal Behaviour“ veröffentlicht.

Video vom Balzritual

Wissenschaftlicher Artikel

2023-05-11

Vögel und Biologger – auf die richtige Form und Position kommt es an

Biologger werden auf Vögeln häufig zu Forschungszwecken angebracht und sammeln wichtige Daten. Anhand des Waldrapps – einem vom Aussterben bedrohten Vogel – untersuchte ein Forschungsteam unter Leitung des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni nun im Windkanal den aerodynamischen Einfluss dieser Apparate. Dabei zeigte sich, dass sich die Geräte massiv auf den Energieverbrauch und die zurückgelegten Flugdistanzen auswirken. Durch aerodynamische Optimierung und die richtige Positionierung am Körper der Vögel lassen sich jedoch die nachteiligen Effekte deutlich reduzieren.

Bisher gibt es nur wenige wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Auswirkungen von Biologgern auf die Aerodynamik und Hydrodynamik von Tieren. Das steht in deutlichem Kontrast zum intensiven Einsatz solcher Technologien bei wild lebenden Tieren. In letzter Zeit mehrten sich die Bedenken hinsichtlich der beeinträchtigenden Wirkungen dieser Geräte.

Während das Augenmerk lange ausschließlich auf Gewichtsreduzierung gerichtet war, untersuchten die Forscher:innen nun die aerodynamischen Effekte von Biologgern. Zu diesem Zweck wurden Waldrappe (Geronticus eremita) darauf trainiert, in einem Windkanal zu fliegen. Dabei wurden die Herzfrequenz und die dynamische Körperbeschleunigung (VeDBA; dynamic body acceleration) als Parameter für den Energieverbrauch in Bezug auf verschiedene Logger-Formen und Windströmungsrichtungen gemessen.

Der optimale Biologger: Hinten am Körper angebracht und aerodynamisch geformt

„Unsere Daten belegen, dass die Position von Biologgern die Flugdistanzen und die Form den Energieverbrauch erheblich beeinflussen. Ungünstige Form und Positionierung wirken sich nicht nur auf den Kraftaufwand beim Schlagflug aus. Der energetisch wahrscheinlich wichtigere Effekt besteht darin, dass die Geräte die Gleit- oder Höhenflugfähigkeit des Vogels beeinträchtigen und ihn so dazu zwingen, den energetisch viel anspruchsvolleren Schlagflug häufiger durchzuführen“, fasst Studien-Erstautorin Ortal Mizrahy-Rewald vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie die zentralen Studienergebnisse zusammen. 

Eine ergänzende Studie mit wilden Waldrappen während des Frühjahrszugs belegt, dass die Position der Geräte auf dem Rücken der Vögel die Länge der Flugetappen beeinflusst. „Vögel, die die Geräte oben auf dem Rücken trugen, hatten signifikant kürzere Flugphasen im Vergleich zu Vögeln mit einem weiter hinten positionierten Gerät“, so Ortal Mizrahy-Rewald.

Geringer Aufwand, um schädliche Wirkungen zu reduzieren

Durch eine konsequent aerodynamische Gestaltung des Gehäuses und eine verstärkte Berücksichtigung der Aerodynamik beim Anbringen des Gerätes lassen sich laut den Wissenschafter:innen schädliche Wirkungen mit geringem Aufwand reduzieren. Bei Vögeln ist die Befestigung von Biologgern über Beinschlaufen am unteren Rücken der üblichen Befestigung über Flügelschlaufen am oberen Rücken eindeutig vorzuziehen. Allerdings kann die Bedeutung eines verringerten Luftwiderstands variieren, da je nach verwendetem System die Vorteile eines Biologgers in der Nähe des Schwerpunkts den Nachteil durch den erhöhten Luftwiderstand überwiegen können.

Der Artikel „The impact of shape and attachment position of biologging devices in Northern Bald Ibises“ von Ortal Mizrahy‑Rewald, Natalie Winkler, Frederik Amann, Katharina Neugebauer, Bernhard Voelkl, Herwig A. Grogger, Thomas Ruf und Johannes Fritz wurde in „Animal Biotelemetry“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

2023-05-08

Drohnen und Vogelschutz – ein zweischneidiges Schwert

Eine aktuelle internationale Studie unter Leitung des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni untersuchte die Auswirkungen von Drohnenflügen zu Forschungszwecken bei Geiern. Die Forscher:innen kommen zum Schluss, dass unbemannte Flugsysteme deutliche Vorteile gegenüber anderen Untersuchungsmethoden bieten. Andererseits bestehen Risiken durch potenzielle Störeffekte am Brutplatz der Greifvögel. Die Wissenschafter:innen empfehlen deshalb den Einsatz von Drohnen mit Augenmaß.

Geier zählen weltweit zu den am stärksten bedrohten Vogelarten und spielen am Ende der Nahrungskette eine einzigartige Rolle innerhalb von Ökosystemen. Für die Wissenschaft sind sie deshalb von großem Interesse. Besonders der Einsatz von Drohnen entwickelt sich in ihrer Erforschung rasant. Gründe sind der technologische Fortschritt, die Erschwinglichkeit und die einfache Zugänglichkeit. Allerdings gibt es eine Reihe von Faktoren, die beim Einsatz der unbemannten Flugsysteme zu beachten sind, um insbesondere die sensible Phase der Fortpflanzung der Vögel nicht zu stören.

Gefährliche Wissenslücke dringend schließen

„Die verringerte Störung von Wildtieren ist das Hauptargument für den Einsatz moderner Beobachtungs- und Fototechniken mit Drohnen. Die große Unbekannte sind aber die Reaktionen der Tiere und das Potenzial für langfristige negative Folgen. Um diese gefährliche Lücke zu schließen, empfehlen wir dringend, den Einsatz von Drohnen bei Tieren in Gefangenschaft und in freier Wildbahn zu dokumentieren. Außerdem brauchen wir einheitliche Richtlinien zum Drohneneinsatz, um Störungen und Vogelreaktionen wissenschaftlich eindeutig zu interpretieren“, fasst Studien-Erstautor Richard Zink vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni die wesentlichsten Ergebnisse zusammen.

Sicher ist sicher: Dosierter Einsatz von Drohnen ratsam

Richard Zink plädiert außerdem für einen dosierten Einsatz von Drohnen: „Aufgrund fehlender Daten zu langfristigen Störeffekten treten wir für das Vorsorgeprinzip ein. Durch Beachtung einer Reihe von artspezifischen Empfehlungen lassen sich die potenziellen negativen Auswirkungen von Drohnen begrenzen und ihr Wert für das Naturschutzmanagement maximieren. Insbesondere sollten die physiologischen und langfristigen Auswirkungen auf die Gesundheit und den Fortpflanzungserfolg von Geiern Berücksichtigung finden.“

Konkrete Empfehlungen an die internationale Scientific Community

Vor allem die hohe Empfindlichkeit und das territoriale Verhalten der meisten Geierarten stellen laut den Wissenschafter:innen erhebliche Herausforderungen an den Einsatz von Drohnen. Generell raten die Expert:innen vom regelmäßigen Einsatz von Drohnen für Nestkontrollen während der empfindlichsten Brutphasen sowie bei schlechtem Wetter ab oder wenn potenzielle Fressfeinde der Küken in der Nähe sind. „Wir fordern kein Verbot des Einsatzes von unbemannten Luftfahrzeugen für die Geierforscher, treten aber ausdrücklich für eine sorgfältige Prüfung der Umstände und eine sorgfältige Dokumentation der Auswirkungen ein“, betont Richard Zink, der für die Studie gemeinsam mit seinen Co-Autor:innen die aktuelle wissenschaftliche Forschung zu den Reaktionen europäischer Geier und anderer vergleichbarer Arten auf Drohnen analysierte.
 

Der Artikel „Assessing the potential disturbance effects on the use of Unmanned Aircraft Systems (UASs) for European vultures research: a review and conservation recommendations“ von Richard Zink, Elena Kmetova-Biro, Stefan Agnezy, Ivaylo Klisurov und Antoni Margalida wurde in „Bird Conservation International“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

2023-04-12

Stress in der Lachszucht, und wie man ihn verhindern kann

Stefan Fischer vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung forscht über die Verhaltensökologie und interessiert sich besonders für die Umweltfaktoren, die die soziale und Verhaltensplastizität bei hochsozialen Arten einschränken oder erleichtern. In einem neuen vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds - WWTF finanzierten Projekt "Implementing novel feeding strategies to improve animal welfare and the release success of commercial fish farms" wird er sich mit Stress bei Lachsen aus Aquakulturen beschäftigen.

Bei der Aquakultur oder Fischzucht geht es um die kommerzielle Aufzucht von Fischen zur Erzeugung von Nahrungsmitteln oder zur Rehabilitierung rückläufiger natürlicher Fischpopulationen. Die Verbesserung der Erträge und des Erfolgs kommerzieller Fischfarmen ist daher nicht nur von großer wirtschaftlicher Bedeutung, sondern verbessert auch den Erfolg von Wiederansiedlungs- und Erhaltungsprogrammen.

Eine der wichtigsten Fischarten, die in Fischfarmen gezüchtet werden, ist der Atlantische Lachs, der in freier Wildbahn stark bedroht ist. Der Erfolg von Fischfarmen hängt von der Produktion stressfreier Individuen ab, die in perfekter Verfassung sind, um qualitativ hochwertige Nahrung zu produzieren oder bei der Wiederansiedlung in der freien Natur erfolgreich zu sein. Ein Hauptproblem für Fischfarmen ist die Entscheidung, wie viel Nahrung während der Gefangenschaft zur Verfügung gestellt werden soll, was die Qualität des Fleisches, aber auch die Wettbewerbsfähigkeit und den Erfolg bei der Wiederansiedlung bestimmt.

In einem neuen Projekt schlagen unsere Forschenden vor, neuartige Fütterungsstrategien in Fischzuchtbetrieben einzuführen, die das Wohlergehen und den Erfolg bei der Auswilderung von Fischen verbessern sollen. Es ist bekannt, dass sich die unbegrenzte Verfügbarkeit von Nahrung bei vielen Tieren, darunter auch Fischen, negativ auf die Fähigkeit auswirkt, Stress zu bewältigen. Überraschenderweise wird diese Tatsache bei der kommerziellen Produktion von Fischen nicht berücksichtigt, und sehr oft werden die Tiere ad libitum gefüttert (sie bekommen also so viel sie wollen). Fischprodukte, die von gestressten Tieren stammen, haben jedoch eine kürzere Haltbarkeitsdauer, und ein höherer Stress führt zu geringen Erfolgsquoten bei der Wiederansiedlung in freier Natur.

Das neue Projekt verfolgt zwei Ziele:

  1. Wir werden die Fütterbedingungen in mehreren Fischzuchtbetrieben in Schweden experimentell verändern, um zu untersuchen, wie die Verfügbarkeit von Nahrung die Stressreaktion beeinflusst.
  2. Wir werden Workshops organisieren und aktiv mit Vertretern von Fischfarmen in Schweden und Österreich sprechen, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass eine Überfütterung zu wirtschaftlichen Verlusten und Problemen bei Erhaltungsprogrammen führen kann.

2023-03-30

 

Vorsicht, Gift!

Aposematismus ist eine Methode, mit der sich Tiere vor Raubtieren schützen, indem sie sie vor ihren gefährlichen Abwehrkräften warnen. Diese Warnsignale können in Form von leuchtenden Farben oder Mustern auftreten, die oft über die Chemikalien, wie z. B. Alkaloide, informieren, die das Tier in seinem Körper gespeichert hat. Einige Tiere nehmen diese Chemikalien über ihre Nahrung auf, so dass die Menge und die Art der Verteidigung je nach Futter und Lebensraum variieren können. Beispiele für Tiere, die sich des Aposematismus bedienen, sind bunte Amphibien und einige Schmetterlinge. Während die Alkaloidabwehr seit Jahrzehnten Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen ist, ist ihre Beziehung zur Variation der aposematischen Signale in den Farben, mit denen sie beworben werden, weniger bekannt. 

Ein internationales Forscherteam, zu dem auch Bibiana Rojas vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung und ihr Team gehören, hat die Chemikalien in verschiedenen Populationen des Färberfrosches im Nordosten von Französisch-Guayana erforscht. Der Färberfrosch ist eine Froschart, die im nördlichen Südamerika lebt. Er hat viele verschiedene Farben und Muster, die je nach Lebensraum des Frosches variieren können. Manchmal können sogar Frösche, die in derselben Gegend leben, unterschiedlich aussehen. Diese Frösche haben unterschiedliche Alkaloidprofile und sind für Raubtiere unterschiedlich ungenießbar.

In einer Studie, die mit Blaumeisen als Modellraubtier durchgeführt wurde, identifizierten die Forscher 15 Alkaloide, die mit der Reaktion auf Raubtiere in einer Froschpopulation korreliert sind, darunter drei bisher unbeschriebene. Die Studie untersuchte zwei Froschpopulationen und stellte fest, dass es trotz der unterschiedlichen Warnsignale der Frösche einige Schlüsselchemikalien gibt, die immer vorhanden sind und zum Schutz der Frösche beitragen. Die Forscher hoffen, dass sie mehr über die Evolution der chemischen Abwehr herausfinden können, wenn sie wissen, wie Raubtiere auf diese Chemikalien reagieren.

Die Studie bietet eine neuartige Methode, um die Ungenießbarkeit von Hautsekreten mit den Toxinen zu verknüpfen, die möglicherweise zur Reaktion der Raubtiere beitragen. Dies könnte dazu beitragen zu erklären, wie unterschiedliche Alkaloid-Kombinationen in der Lage sind, konsistente Verhaltensreaktionen hervorzurufen und möglicherweise evolutionäre Veränderungen bei den Merkmalen aposematischer Tiere zu bewirken.

Der Artikel "Linking Predator Responses to Alkaloid Variability in Poison Frogs" von J. P. Lawrence, Bibiana Rojas, Annelise Blanchette, Ralph A. Saporito, Johanna Mappes, Antoine Fouquet und Brice P. Noonan wurde im Journal of Chemical Ecology veröffentlicht.

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2023-03-13

Buntbarsche: Sesshaftigkeit zahlt sich aus

Neolamprologus pulcher (N. pulcher) ist eine Buntbarschart, die in Ostafrika an Felsküsten vorkommt. Sie zählen zu den hochsozialen Fischen, von denen es weltweit nur eine Handvoll gibt. Statt sich zu verbreiten, bleiben sie häufig lieber zuhause. Die Gründe für dieses ungewöhnliche Sozialverhalten erhob nun ein Forschungsteam des Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Veterinärmedizinischen Universität Wien, unter der Leitung von Arne Jungwirth – und ergänzt damit ein gängiges wissenschaftliches Erklärungsmodell. Die Langzeitstudie wurde soeben im Top-Journal „Science Advances“ veröffentlicht.

 

Extremer Druck durch Prädatoren wurde von der Wissenschaft bisher als Hauptgrund für das außergewöhnliche Sozialverhalten von N. pulcher gesehen: Denn ein Fisch, der wegwill, wird wahrscheinlich gefressen werden. Es lohnt sich also zuhause zu bleiben.

Nur besonders starke, gute und fitte Individuen können diese ökologischen Beschränkungen (ecological constraints) überwinden. Schwächere Tiere sind jedoch gezwungen, das Heim zu hüten und haben unter der Knute ihrer Eltern nur sehr wenig Raum zur Selbstverwirklichung – die Chance auf eigenen Nachwuchs ist dadurch äußerst gering.

Erste derartige Langzeitstudie zur Buntbarschart N. pulcher

Zur Bestätigung dieser gängigen Hypothese fehlten aber bisher Messungen des tatsächlichen Reproduktionserfolgs. In der weltweit ersten derartigen Langzeitstudie untersuchte deshalb ein Forschungsteam der Vetmeduni N. pulcher unter natürlichen Bedingungen. Dazu Studien-Erstautor Arne Jungwirth vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni: „Wir haben Lebensspanne, Reproduktionserfolg und sozialen Status von knapp 500 markierten Fischen über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren gemessen.“

Beide Geschlechter profitieren von Sesshaftigkeit

Dabei stellte sich heraus, dass beide Geschlechter davon profitieren, zuhause zu bleiben, da sich die Überlebenswahrscheinlichkeit und der Reproduktionserfolg erhöhen. Das stimmt nicht mit den Vorhersagen der „ecological constraints“ überein, sondern vielmehr mit einer anderen klassischen Theorie – den Vorteilen von Sesshaftigkeit (benefits of philopatry).

„Dass beide Geschlechter gleichermaßen von Sesshaftigkeit profitieren, ist insofern überraschend, als sie sich sowohl in ihrem Dispersionsverhalten – Männchen ziehen mehr herum –, als auch in anderen Aspekten ihrer Lebenslaufstrategien unterscheiden. Weibchen wachsen beispielsweise langsamer und zu geringerer Maximalgröße heran, leben dann aber sehr viel länger“, so Arne Jungwirth.

Vielweiberei mit Folgen: Männchen streiten mehr und müssen deshalb umziehen

Für den Umstand, dass Männchen häufiger umziehen müssen, fanden die Wissenschafter:innen laut Arne Jungwirth die folgende Erklärung: „Die Konkurrenz zwischen Männchen verhindert ihre Sesshaftigkeit häufiger als bei Weibchen – männliche Buntbarsche zanken mehr, weil es für sie weniger Territorien gibt: Auf zwei brütende Weibchen kommt nur etwa ein brütendes Männchen, denn die Spezies praktiziert Vielweiberei (Polygynie).“

Der Artikel „Philopatry yields higher fitness than dispersal in a cooperative breeder with sex-specific life history trajectories“ von Arne Jungwirth, Markus Zöttl, Danielle Bonfils, Dario Josi, Joachim G. Frommen und Michael Taborsky wurde in „Science Advances“ veröffentlicht.

Zum wissenschaftlichen Artikel

2023-03-07

Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Ludwig Huber ist unser neuer Department Sprecher

Am Department für Interdisziplinäre Lebenswissenschaften gibt es seit heute einen neuen Departmentsprecher: Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Ludwig Huber übernimmt diese Funktion von Univ.-Prof. Leonida Fusani, PhD, der sie drei Jahre lang ausgeübt hat. Ludwig Huber wurde von den Professor:innen des Departments vorgeschlagen und mittlerweile von der Rektorin bestellt. Die Funktionsperiode ist 3 Jahre: 1. März 2023 bis 28. Februar 2026. Zu seinen Stellvertreter:innen wurden KLIVV-Leiter Leonida Fusani (1.) und FIWI Leiterin Claudia Bieber (2.) gewählt. Mit einer geplanten Umstrukturierung der Vetmeduni kommen auf uns herausfordernde Zeiten zu. Schon bei der Erstellung des Entwicklungsplans (während des Sommers) und der darin festgelegten Forschungsschwerpunkte und -felder sowie der Profillinien werden wichtige Weichen für die Zukunft gestellt. Ludwig Huber plant, am Department nicht nur die vierteljährlichen Departmentkonferenzen der Professor:innen zu halten, sondern auch einmal jährlich eine Departmentversammlung, zu der alle Angehörigen des Departments eingeladen werden, zu organisieren. Diese Zusammenkünfte werden das Ziel haben, strukturelle Entscheidungen für das Department zu treffen und zwischen den Fachgebieten zu koordinieren, sowie um die Departmentangehörigen zu informieren und das Department betreffende allgemeine Angelegenheiten zu beschließen. 

Wir heißen unseren neuen Departmentsprecher Ludwig Huber herzlich willkommen und bedanken uns gleichzeitig bei Leonida Fusani für seine wunderbaren Dienste. 

Über Ludwig Huber

2023-03-01

Weiblicher Kampf um Nistplätze reduziert den Fortpflanzungserfolg

Der Wettbewerb zwischen Weibchen ist normalerweise weniger offenkundig aggressiv als der zwischen Männchen, kann aber dennoch negative Folgen haben. Beispielsweise, wenn Weibchen Schlüsselressourcen benötigen, um sich erfolgreich fortzupflanzen. Eine nun in der Fachzeitschrift „The American Naturalist“ erschienene Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien und der Universität Liverpool (UK) untersuchte deshalb anhand von Mäusen, inwieweit sich der Kampf um Nistplätze auf den Fortpflanzungserfolg auswirkt und ob dies durch kooperatives Verhalten beeinflusst wird.

Die weibliche Fortpflanzung wird oft durch den Zugang zu begrenzten Ressourcen wie sicheren Nistplätzen oder Territorien eingeschränkt. Die aus dem Wettbewerb um Nistplätze und deren Verteidigung resultierende Ressourcenkonkurrenz ist eine Form der sozialen Konkurrenz, die unter Säugetieren und anderen Wirbeltieren weit verbreitet ist und zu sozialem Wettbewerb sowohl innerhalb von als auch zwischen Verwandtschaftsgruppen führen kann. Dies hat wichtige Konsequenzen für Sozial- und Fortpflanzungssysteme und für die Populationsdynamik. Trotz dieser weitreichenden Bedeutung sind die evolutionären Folgen des weiblichen Ressourcenwettbewerbs bislang jedoch noch weitgehend unerforscht.

Fortpflanzungserfolg, Ressourcenverfügbarkeit und familiäre Zusammenarbeit

Eine soeben veröffentlichte Studie der Vetmeduni untersuchte deshalb anhand von Mäusen (Mus musculus domesticus) eine empirisch bisher nicht getestete Theorie, laut der sowohl die Ressourcenverfügbarkeit als auch die familiäre Verbundenheit den Fortpflanzungserfolg beeinflussen. In ihrem Experiment untersuchten die Forscher:innen zum einen die reproduktiven Kosten der Verteidigung der begrenzten Ressource „Nistplätze“ und zum anderen ob diese Kosten durch kooperatives Verhalten beeinflusst werden.

Nachteilige Folgen der Ressourcenkonkurrenz

„Unsere Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass der Wettbewerb um Nistplätze zwischen Weibchen nachteilige Folgen für den Fortpflanzungserfolg hat. Wenn die Verfügbarkeit geschützter Nistplätze begrenzt war, waren die von uns untersuchten Mausweibchen aktiver, reagierten stärker auf das Eindringen in ihr Territorium und brachten kleinere Nachkommen hervor“, so Studien-Erstautor Stefan Fischer vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni zu den zentralen Studienergebnissen. Zudem hatten gemeinschaftlich brütende Geschwistertiere weniger Nachkommen, wenn sie mit nicht verwandten Weibchen konkurrierten. Andererseits fanden die Wissenschafter:innen keine Hinweise darauf, dass sich die Bereitschaft zur Kooperation innerhalb einer Sippe durch die Konkurrenz mit anderen nicht verwandten Tieren erhöhte.

Der Artikel „Fitness costs of female competition linked to resource defense and relatedness of competitors“ von Stefan Fischer, Callum Duffield, Amanda J. Davidson, Rhiannon Bolton, Jane L. Hurst und Paula Stockley wurde in „The American Naturalist“ veröffentlicht.

Wissenschaftlicher Artikel

 

2023-02-06

 

Wie erklärt man ehrliche Signale?

Tiere produzieren oft ehrliche Signale, was aus evolutionärer Sicht rätselhaft ist. Ein kürzlich veröffentlichter Artikel stellt eine neue Methode zur Konstruktion mathematischer Modelle vor, die ausreichend komplex sind, um Theorien über die Entwicklung ehrlicher Signale zu untersuchen und zu testen. Darüber hinaus bestätigt dieses Modell das Argument der Autoren, dass das Handicap-Prinzip – die Lehrbucherklärung für ehrliches Signalisieren – vollständig abgelehnt werden kann.

Tiere produzieren eine erstaunliche Vielfalt an Signalen, darunter das bunte Gefieder von Pfauen, das Brüllen von Brunfthirschen, laute Bettelrufe von Küken, das Stottern von Gazellen und Duftmarken und Pheromone von männlichen Mäusen. Diese Signale sind oft ehrlich oder zuverlässig, was überraschend ist, da Täuschung von Vorteil sein kann. Wenn sich Täuschung ausbreitet und alltäglich wird, werden die Signale ignoriert und die Kommunikation bricht zusammen. Wie erhält also die natürliche Selektion die Ehrlichkeit aufrecht? Was verhindert die Verbreitung unehrlicher Signale?

Zahavi argumentierte, dass Signale ehrlich seien, weil ihre Herstellung kostspielig sei. Es sind die Kosten oder die Verschwendung eines Signals, die es unmöglich machen, ein gefälschtes Signal zu erzeugen. Er nannte diese Idee das "Handicap-Prinzip", und sein Vorschlag wurde weithin akzeptiert, nachdem Grafen sein "strategisches Handicap" -Modell veröffentlicht hatte, von dem er behauptete, es bestätige das Handicap-Prinzip.

Dustin Penn (Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung, Vetmeduni Vienna) und Szabolcs Számadó (Budapest University of Technology and Economics) arbeiten seit mehreren Jahren gemeinsam an diesem theoretischen Problem. Sie haben zuvor gezeigt, warum Grafens und andere Vorgängermodelle falsch interpretiert wurden. Sie haben sich kürzlich mit zwei anderen Theoretikern zusammengetan, um ein neues Modell zu konstruieren, um die überraschende Komplexität von Signalspielen zu analysieren. Neben der Bereitstellung einer neuen Methode zur Konstruktion komplexerer und allgemeinerer Modelle zeigen ihre Analysen, warum die Signalkosten für die Erklärung von Ehrlichkeit irrelevant sind.

Mathematische Signalspiele wurden ursprünglich aus der Ökonomie übernommen und wurden oft verwendet, um die Evolution von Tiersignalen und Pflanzen-Bestäuber-Interaktionen zu modellieren. Diese Signalspiele waren jedoch viel zu einfach, weil sie nur die Evolution des Signalsenders berücksichtigten, den Signalempfänger aber ignoerierten. Diese:r kann aber Entscheidungen treffen, wie auf das Signal zu reagieren ist. Daher werden Modelle benötigt, um komplexere Signalisierungsspiele zu untersuchen und dieses Problem der doppelten Optimierung einzubeziehen.

Das neue Modell von Szamado und Kollegen bietet einen neuartigen und allgemeinen Ansatz zur Berechnung von Kostenfunktionen und zur Bestimmung, wie sich ein Signal entwickelt und ein stabiles evolutionäres Gleichgewicht erreicht. Die Autoren verwendeten ihr Modell, um übermäßig vereinfachte Signalisierungsspiele erneut zu untersuchen, die zuvor zur Untersuchung von Ehrlichkeit in sexuellen Signalen und Bettelrufen von Nachkommen verwendet wurden. Dabei handelt es sich um asymmetrische Signalisierungsmodelle, da der Sender mehr Informationen über seinen Zustand hat als der Empfänger (ähnlich wie beim Kauf eines Gebrauchtwagens unbekannter Qualität). Die Ergebnisse zeigen, dass sich unendlich viele Signale entwickeln können, die ehrlich sind, einschließlich kostenfreier Signale, die nur Vorteile haben.

Dieses neue Modell zeigt, dass ehrliche Signale entgegen dem Handicap-Prinzip nicht teuer sein müssen. Dieses Ergebnis bestätigt das Argument von Penn und Szamado, dass Grafens Modell falsch interpretiert wurde; es ist kein Modell des Handicap-Prinzips. Ehrliche Signale entwickeln sich in diesem Modell nicht wegen der Kosten des Signals, sondern wegen eines bestimmten Kompromisses, einer Einschränkung, die irreführende Signale kostspielig und Ehrlichkeit vorteilhaft macht.

Somit bestätigt dieses neue theoretische Modell, dass das Handicap-Prinzip vollständig verworfen werden kann. Darüber hinaus bietet es eine neue Methode zum Testen von Ideen über die Entwicklung ehrlicher Signale. Die Autoren weisen darauf hin, dass dies angesichts der zunehmenden Verbreitung von Fehlinformationen, die zu einem der wichtigsten Probleme unserer Spezies geworden sind, ein ziemlich aktuelles Thema ist.

Der Artikel "Honesty in signalling games is maintained by trade-offs rather than costs" von Szabolcs Számadó, István Zachar, Dániel Czégel und Dustin J. Penn wurde in BMC Biology veröffentlicht.

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Siehe auch den Kommentar in Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) "The peacock’s tail and other flashy ornaments don’t have to come at a cost"

2023-01-30

Geographische Variation und nichtadditive Wirkungen von Pyrazinen bei der chemischen Abwehr einer aposematischen Motte

Die chemische Abwehr variiert oft innerhalb und zwischen Populationen sowohl in Quantität als auch in Qualität, was verwirrend ist, wenn das Überleben der Beute von der Stärke der Abwehr abhängt.

Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Cristina Ottocento vom Fachbereich Biologie und Umweltwissenschaften der Universität Jyväskylä, Finnland, unter Beteiligung von Bibiana Rojas vom Konrad-Lorenz-Institut für Ethologie und anderen, untersuchte die Variabilität von Chemikalien innerhalb und zwischen Populationen Abwehr der Waldtigermotte (Arctia plantaginis). Die Hauptbestandteile seiner Abwehr, SBMP (2-sec-Butyl-3-methoxypyrazine) und IBMP (2-isobutyl-3-methoxypyrazine), sind flüchtige Stoffe, die Vogelangriffe abschrecken.

Sie stellten die Hypothese auf, dass (1) Unterschiede in der chemischen Abwehr männlicher Waldtigermotten den lokalen Prädationsdruck widerspiegeln; (2) beobachtete Unterschiede in Quantität und Qualität der Verteidigung zwischen Populationen haben eine genetische Grundlage; und (3) zunehmende Konzentrationen von SBMP und IBMP werden größere aversive Reaktionen bei Raubtieren hervorrufen, wobei die beiden Pyrazine eine additive Wirkung auf die Vermeidung von Raubtieren haben.

Sie fanden heraus, dass die chemische Abwehr wilder Motten teilweise die lokale Raubtierauswahl widerspiegelt: Populationen mit hohem Prädationsdruck (Schottland und Georgien) hatten eine stärkere chemische Abwehr, aber keine geringere Varianz als die Populationen mit geringer Prädation (Estland und Finnland). Basierend auf den gemeinsamen Gartenergebnissen scheinen sowohl genetische als auch Umweltkomponenten die Stärke der chemischen Abwehr in Mottenpopulationen zu beeinflussen. Darüber hinaus stellten sie fest, dass IBMP allein keinen Schutz gegen Raubvögel bot, sondern nur in Kombination mit SBMP gegen Vogelangriffe wirkte, und während SBMP bei höheren Konzentrationen wirksamer war, war IBMP dies nicht.

Insgesamt deutet dies darauf hin, dass mehr nicht immer besser ist, wenn es um die Pyrazinkonzentration geht, was unterstreicht, wie wichtig es ist, die Wirksamkeit der chemischen Abwehr und ihrer Komponenten mit relevanten Raubtieren zu testen, da die Extrapolation aus chemischen Daten möglicherweise nicht ganz einfach ist.

Der Artikel "Not just the sum of its parts: Geographic variation and nonadditive effects of pyrazines in the chemical defence of an aposematic moth" von Cristina Ottocento, Anne E. Winters, Bibiana Rojas, Johanna Mappes und Emily Burdfield-Steel wurde im Journal of Evolutionary Biology veröffentlicht.

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2023-01-17

Vögel: Zugunruhe durch Hormonrausch

Die weiten saisonalen Reisen von Zugvögeln sind ein bekanntes Phänomen. Doch welche hormonellen Vorgänge stecken dahinter? Eine aktuelle Studie des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung der Veterinärmedizinischen Universität Wien identifiziert stark steigende Spiegel des Hormons Ghrelin als wesentlichen, auslösenden Faktor. Den bisher vermuteten und in anderen Studien nachgewiesenen Zusammenhang mit dem Hormon Corticosteron konnte die soeben veröffentlichte Forschungsarbeit jedoch nicht bestätigen.

Zugvögel zeigen spektakuläre physiologische Anpassungen, um die Langstreckenflüge zwischen ihren Brut- und Überwinterungsgebieten zu bewältigen. Als Hauptenergiequelle verwenden sie vor ihren Zugflügen aufgebaute Fettreserven. Sowohl bei in Gefangenschaft gehaltenen als auch bei frei lebenden Vögeln zeigt sich der Zugphänotyp – also das veränderte körperliche Erscheinungsbild – durch eine schnelle und deutliche Zunahme der Nahrungsaufnahme und Energiezufuhr sowie durch Änderungen der Nachtaktivität und ein unruhigeres Verhalten. Zu den dafür verantwortlichen hormonellen Mechanismen gibt es bislang jedoch nur wenig gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse.

Hormon Ghrelin macht Wachteln fit für weite Flüge

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni prüfte deshalb nun anhand von Wachteln (Coturnix coturnix) die Hypothese, inwieweit das Hormon Corticosteron und das im Darm produzierte Hormon Ghrelin beim Vogelzug eine Rolle spielen. Für ihren Versuch setzten die Forscher:innen Wachteln einer kontrollierten Änderung der Tageslänge aus, um einen Herbstzug gefolgt von einer Überwinterungsphase zu simulieren. Danach verglich das Forschungsteam die Corticosteron- und Ghrelin-Konzentrationen und bewertete, ob diese beiden metabolischen Hormone zwischen den Migrationszuständen variieren.

„In Übereinstimmung mit unseren Annahmen fanden wir heraus, dass das Auftreten des Zugphänotyps mit höheren Konzentrationen von Ghrelin verbunden ist. Außerdem korrelierte Ghrelin mit Veränderungen der Körpermasse der Vögel, und zwar sowohl bei der Vorbereitung auf ihren herbstlichen Zug als auch beim Eintreten in die Überwinterungsphase“, erklärt Studien-Erstautorin Valeria Marasco vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni.

Keine Korrelation von Corticosteron und Zugunruhe

Entgegen ihren Vorhersagen beobachteten die Forscher:innen allerdings keine Korrelation zwischen den im Blutkreislauf zirkulierenden Spiegeln von Ghrelin und Corticosteron. Zudem konnten die Wissenschafter:innen beim Zugphänotyp keine erhöhten Corticosteron-Spiegel nachweisen. „Auch mit Veränderungen der Körpermasse, der Nahrungsaufnahme oder der damit einhergehenden Zugunruhe – also dem unruhigen Verhalten der Vögel vor ihrem Herbstzug – zeigte Corticosteron keine statistisch relevante Korrelation“, so Studien-Letztautor Leonida Fusani, Leiter der Abteilung für Ornithologie am Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni.

Der Artikel „Ghrelin, not corticosterone, is associated with transitioning of phenotypic states in a migratory Galliform“ von Valeria Marasco, Hiroyuki Kaiya, Gianni Pola und Leonida Fusani wurde in „frontiers“ veröffentlicht.

 

Wissenschaftlicher Artikel

 

2023-01-11