- Alumni-Porträts
Absolvent:innen der Vetmeduni als Interviewpartner:innen gesucht!
Verraten Sie uns mehr über Ihren Berufseinstieg, Ihre Stationen, Ihre (Um)Wege und Ihre Motivation. Unsere Studierenden und Leser:innen freuen sich, wenn Sie uns teilhaben lassen an Ihren Erfahrungen.
Wir freuen über Ihre Nachricht.
Unsere Alumni im Gespräch:
VETMED: Wollten Sie immer schon Tierarzt werden?
Simon Kirchler: : Ja, schon von klein auf. Die Sommer habe ich als Kind immer auf einem Bergbauernhof verbracht, umgeben von Kühen, Katzen und Hunden. Meine erste Leidenschaft – vielleicht insgeheim immer noch mein Traum – war mit Affen zu arbeiten. Ich habe das in Fernsehdokus gesehen und das hat mich begeistert. Als Kind hat man ja nicht so realistische Vorstellungen. Meine Schwerpunktfächer habe ich eigentlich im Nutztierbereich gemacht. Die VetClinic Bozen, wo ich heute arbeite, ist auf Kleintiere spezialisiert. Zudem habe ich eine umfangreiche Zusatzausbildung für bildgebende Diagnostik gemacht, also Computertomographie, Ultraschall und Röntgen.
VETMED: Sie sind gebürtiger Südtiroler und praktizieren seit 2007 wieder dort. Warum haben Sie sich für ein Studium an der Vetmeduni in Wien entschlossen?
Kirchler: Im Vergleich ist die Ausbildung in Österreich praxisorientierter als in Italien. Vom Realgymnasium brachte ich die nötigen naturwissenschaftlichen Voraussetzungen und Latein mit. Mein Onkel, der ebenfalls Tierarzt ist, hat es mir so vermittelt: in Wien studieren, in Deutschland Praxiserfahrungen sammeln und dann nach Südtirol zurückkehren. Ich habe Schritt zwei ausgelassen, habe aber einige Wochen in Norwegen die klinischen Übungen absolviert. 2007 habe ich in der Tierarztpraxis von Dr. Georg Moser in Bozen angefangen. Dabei hat der Zufall eine große Rolle gespielt.
VETMED: Wie ist der Zufall wirksam geworden?
Kirchler: Die Tochter von Dr. Moser hat auch in Wien Tiermedizin studiert und ich war ihr Tutor. So habe ich erfahren, dass ihr Vater wieder einen neuen Assistenten für die Kleintierpraxis sucht, die er seit 1982 allein geführt hat. Er hat also schon damals extrem viel Erfahrung gehabt, von der ich profitieren konnte.
VETMED: Im Rückblick: Hat Sie die Ausbildung an der Universität gut auf den Beruf vorbereitet?
Kirchler: Jein. Es ist wie der Unterschied zwischen Fahrschule und alleine auf der Straße Auto fahren. Ich würde die ersten beiden Jahre in der Praxis noch als Lehrjahre bezeichnen. Ich war schon sehr nervös und hatte Schiss, als ich das erste Mal allein in der Ordination gestanden bin. Vielleicht ist das ein typisches Gefühl von mir, nie genug vorbereitet zu sein.
VETMED: Binnen vier Jahren sind Sie vom Assistenten in der eigentümergeführten Tierarztpraxis in Bozen zum gleichberechtigten Mitinhaber der VetClinic am neuen Standort geworden. Wie gelang dieser Rollenwechsel?
Kirchler: Die Ordination von Dr. Moser war in seinem Haus. Wir haben gleich gut zusammengepasst, waren als Assistent und Chef ein gutes Team und ich habe gemerkt, dass er mich sehr schätzt. Das ist in der Zusammenarbeit wichtig, weil man unter Umständen mehr Zeit miteinander verbringt als mit der Partnerin. Wir haben uns ohne Worte verstanden. Darüber haben wir fast verpasst, über die wichtigen Dinge zu reden. Irgendwann kommt für jeden Assistent der Moment, wo er mehr will – ich habe mich gefragt, wie ich weitermache. Er hat darüber nachgedacht zu vergrößern. Jeder für sich. Vom Angebot eine Kleintierpraxis in Brixen zu übernehmen, habe ich ihm dann erzählt. Am nächsten Tag hat er gesagt: Lass‘ uns zusammen eine moderne Praxis in Bozen aufziehen. Und so haben wir zu zweit an einem neuen Ort angefangen. Aktuell sind wir sieben Tierärztinnen und Tierärzte. Die Tochter Katharina Moser ist inzwischen auch in der Klinikleitung.
VETMED: Vom Angestellten zum Geschäftsführer, zuständig für die Klinikorganisation – das erfordert andere Fähigkeiten. Wie haben Sie den Umstieg geschafft?
Kirchler: Ich bin Naturwissenschaftler, kein Buchhalter. Aber etwas unternehmen und gründen steckt wohl in mir. Es hat mich interessiert, die Klinik zu modernisieren – von einer Homepage bis zu einer Hausapotheke. In das Zahlenwerk bin ich hineingewachsen. Kurse habe ich nicht besucht. Die Klinik läuft gut und wir sind ja schrittweise gewachsen.
VETMED: Wie sieht Ihr Arbeitsalltag in der VetClinic Bozen aus?
Kirchler: Wir versuchen das Unvorhersehbare so regulär wie möglich ablaufen zu lassen. Wir bieten einen 24-Stunden-Notdienst. Um 9:00 Uhr ist die Übergabe vom Nachtdienst und um 9:30 Uhr beginnen die Sprechstunden der Tagschicht. Nach der Mittagspause operieren wir und ab 16:00 Uhr gibt es wieder Sprechstunden. So haben wir es schon gemacht, als wir zu zweit waren. Wenn viel los ist, sind wir heute genug Leute, dass die Operationen früher, parallel zu den Sprechstunden, angesetzt werden können. Seit kurzem hat jeder von uns einen Nachmittag frei. Diese kleine Revolution hat Katharina Moser angezettelt (lacht).
VETMED: Die Technologie in der bildgebenden Diagnostik ändert sich rasch. Wie bleiben Sie dran?
Kirchler: Wir bieten seit 2011 Computertomografien an und da bewegt sich sehr viel – in Zukunft auch durch künstliche Intelligenz. Ich bilde mich regelmäßig weiter und beschäftige mich mit KI, die uns vieles erleichtern wird. Unsere Kund:innen fordern den neuesten Stand der Technik ein. Ich glaube, wer hier die ersten Schritte verpasst, wird vielleicht nicht mehr Schritt halten können.
VETMED: Welche Veränderungen beobachten Sie im tierärztlichen Tun noch?
Kirchler: Meine Verantwortung ist durch die Klinikleitung gestiegen, aber auch die Anforderungen der Kund:innen. Heute haben wir im Notdienst mehrere Anrufe und Visiten pro Nacht. Schwierig sind Tierbesitzer:innen, die ohne einen Notfall anrufen. Die Besorgnis kann ich nachvollziehen. Vergeudete Zeit und fehlender Schlaf hängen sich dennoch an. Ansonsten sehe ich es positiv: Wir sitzen in einem Boot und haben das gleiche Ziel. Heute haben wir neue spannende Möglichkeiten für Diagnose und Therapie. Die Bereitschaft, da mitzugehen und das zu finanzieren, ist gestiegen.
VETMED: Nebenbei haben Sie sich an mehreren Startups beteiligt. Was motiviert Sie dazu?
Kirchler: In mir ist einfach diese Unruhe – ich brauche immer wieder einen neuen Anreiz rund um meinen Beruf und will meine Kompetenz noch breiter einbringen. 2012 bin ich deshalb Vertreter in der Tierärztekammer geworden. Es waren bisher drei Startups, wobei aus zweien nichts geworden ist. Bei jedem habe ich ein Stück besser verstanden, warum es nicht funktioniert hat. Zuletzt habe ich „PetAlpin“ mitgegründet, ein hochqualitatives Nassfutter aus Südtirol für Hunde und Katzen. Meine Mutter hat ja auch zwei Hunde. Vor kurzem haben wir die Produktion in eine neue Halle verlegt und einen Investor gewonnen. Ich kann mich gut einbringen und es macht mir Spaß.
VETMED: Wo finden Sie Ausgleich und Entspannung?
Kirchler: Das Hundefutterprojekt sehe ich nicht als Arbeit. Meine Frau und meine beiden Mitgründer arbeiten daran, ich bin nur Berater bei der Produktentwicklung (lacht). Zum Entspannen gehe ich von den Kleintieren zum kleinen Wald. Ich habe etwa 50 Bonsais, viele Anzuchtpflanzen, einige schon fortgeschritten im Alter. In meinem Bonsai-Club gibt es viele, die das schon viel länger machen. Aber die kleinen Bäume und ihre Entwicklung machen mir große Freude.
Das Interview hat Astrid Kuffner geführt.
VETMED: Ihr Start ins Leben mit einem angeborenen Herzfehler war alles andere als einfach. Heute nehmen Sie in Beruf und Freizeit einige Strapazen auf sich. Wollten Sie Ihre Eltern nicht in Watte packen?
Helga Kausel: Sie haben es durchaus versucht, aber es hat nicht funktioniert. Statt zu basteln, habe ich mit Handball in der Schulmannschaft begonnen und das bis zur Bundesliga betrieben. Bis heute ist mein Herz nicht ganz dicht und die gespendete Herzklappe eigentlich überfällig. Aber es hält. Dass ich Tierärztin werden würde, war wenig überraschend. Ich bin im Garten meiner Oma in Seebarn mit Pferden, Hunden, Katzen und anderen geretteten Tieren aufgewachsen und habe von klein auf im Stall mitgeholfen. Neben dem Studium habe ich viel in Kleintierkliniken gejobbt, da wollte ich schon hinschmeißen. Aber bei den Übungen in der Pferdeklinik wusste ich: Das wird mich erfüllen.
VETMED: Seit 2009 arbeiten Sie mit Unterbrechungen in der Pferdepraxis Anham in Bayern. Hat Sie die Vetmeduni gut auf diesen Job vorbereitet?
Kausel: Das Pferdemodul bringt viel Praxisvorbereitung - davon träumen andere Studierende. Als ich meinen Mann kennengelernt habe, habe ich mir einen Job in Bayern gesucht, weil er dort studierte wollte und wir keine Fernbeziehung führen wollten. Als mobile Tierärztin bin ich Generalistin – mit einem Faible für Zähne und Koliken. Wenn es um die Arbeit im internationalen Umfeld geht gibt es Ausbildungsorte, die mit einer entsprechenden Lizenz abschließen.
VETMED: Gerade ist ihr Buch „Meine Patienten laufen Trab“ erschienen. Wie kam es dazu?
Kausel: Die Idee reicht schon viele Jahre zurück. Wir haben in der Pferdepraxis Silvester gefeiert und ich habe Geschichten aus dem Arbeitsalltag erzählt. Eine Freundin sagte: Du solltest ein Buch schreiben, also habe ich damit begonnen. Ich schreibe Tagebuch und habe den Entwurf immer weiter ergänzt. Aber es hat gedauert, bis ich den richtigen Verlag gefunden habe.
VETMED: Wenn ich es richtig verstanden habe, sind Sie in das „um die Welt als tierärztliche Volunteer tätig werden“ ebenso hineingerutscht, wie in Social Media?
Kausel: Das erste Mal war ich 2011 bei einem vierwöchigen Praktikum in Washington State (USA). Ich hatte mich am Knie verletzt und war in Handball-Zwangspause, als eine Kollegin davon erzählt hat. Ich war im gleichen Jahr auch noch sieben Wochen in Afrika. Zwei Dinge haben mich fasziniert: Das auf mich selbst gestellt sein und mit Wildtieren bzw. Exoten zu arbeiten. Im ersten Praktikum habe ich mir mit dem medizinischen Englisch noch sehr schwergetan, aber mich hat der Ehrgeiz gepackt mit allem immer besser zurecht zu kommen.
VETMED: Und wo haben Sie gelernt, Ihre Arbeit für ein großes Publikum auf Social Media aufzubereiten?
Da bin ich Autodidaktin. Ich war immer die im Freundeskreis, die Fotos unterwegs und auf Partys gemacht und ins Netz gestellt hat. Diesen exhibitionistischen Zug, das Leben und den Alltag zu zeigen, habe ich einfach. Aus Neugier habe ich Instagram installiert, weil eine Freundin dort jeden Tag ihr Outfit gepostet hat und ich nicht glauben konnte, dass das funktioniert. 2015 war ich bereits in 50 Länder und habe dann dort die Reisen der Reihe nach gepostet. Das erste Bild, das viral ging, weil es ein Influencer repostet hat, war von einem Nashorn in Südafrika, das wir enthornt hatten. Ich habe schlagartig viele Follower:innen dazugewonnen und mein Profil auf @travelling_vet geändert. Es ging mir darum zu zeigen, dass Reisen und Tiermedizin auch neben dem Job möglich sind. Ich erkläre auch wie, zum Beispiel durch Verzicht auf Konsum.
VETMED: Was motiviert Sie, als Influencerin über die Arbeit als Tierärztin zu informieren bzw. damit zu unterhalten?
Kausel: Wenn ich immer nur eine Sache machen würde, wäre ich heute nicht dort, wo ich bin. Für mich war Tierschutz immer das treibende Motiv. Seit ich auf Instagram Geld verdiene, spende ich es, weil ich ja ein Einkommen habe. Mit einem Freund habe ich die Spendenaktion „Donate a Postcard“ für Follower:innen entwickelt. Gegen eine selbst definierte Spende verschicke ich eine persönliche Postkarte von meinem jeweiligen Einsatzort. Instagram macht mir Spaß, aber es nicht mein Beruf. Mich erfüllt es, Tiere zu retten. Ich bin nicht besonders ehrgeizig oder fleißig, mein Erfolg hat viel mit Glück zu tun, etwa in Österreich geboren zu sein. Damit will ich etwas Sinnvolles machen.
Ich bin eigentlich ein fauler Mensch. Aus @travelling_vet sind einige Podcasts entstanden, etwa weil sich meine Kund:innen in der Aufregung nicht merken, worauf sie nach der Behandlung achten sollen und mich anrufen. Ich habe also ein paar gesprochene Gebrauchsanweisungen z.B. was tun nach einer Kolik. Mit zwei befreundeten Tierärztinnen hoste ich „Die DiskuTIERärztinnen“, bei wild vets geht es um Wildtiere, bei „Dieses verkackte Gehirn“ um Depressionen.
VETMED: Hat Sie die viele Arbeit im Ausland zu einer kompetenteren Tierärztin gemacht?
Klausel: Ich habe mein Leben viel mehr zu schätzen gelernt, ich sehe schneller über unsere Problemchen hier hinweg und es fällt mir leicht, Geld in andere Lebewesen zu investieren und nicht in Handtaschen oder ein Auto. Was mich in meinen Job selbstbewusster gemacht hat, waren eher meine beiden Kinder.
VETMED: Woher nehmen Sie die Unerschrockenheit, in Peru Fischotter, Affe, Ozelot, Seekuh und Waschbär zu behandeln?
Kausel: „Panik und Übermut führen zum Tod. Angst und Mut retten dir dein Leben.“ Es ist mir wichtig, den ungeschönten Arbeitsalltag zu zeigen. Was man auf einem Foto nicht gleich sieht, ist die Planung: Durchzudenken, was einen erwartet, nicht zu viel riskieren bzw. Vorkehrungen zu treffen. Ich wurde schon nach dem gefährlichsten Tier gefragt und bleibe beim Pferd. Es hat viel Kraft die und Pferdetierärzte und -ärztinnen landen am häufigsten im Krankenhaus. Das liegt im lieben Haustierimage und dem Unverständnis dafür, dass in Extremsituationen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden müssen, also auch beim Tierarztbesuch. Es gibt kaum Verständnis etwa für eine Nasenbremse. Niemand würde bei einem Wildtier sagen: Der Löwe ist so lieb, den müssen wir nicht betäuben.
VETMED: Sie haben jahrelang im Urlaub freiwillig gearbeitet, verreisen jetzt mit ihren Kindern. Wann und wie erholen Sie sich?
Kausel: Nachts. Ich habe eigentlich nicht das Gefühl, dass ich besonders viel mache. Als Tierärztin mit Bereitschaft haben wir schnell einmal einen 50-Stunden -Job. Acht Stunden Schlaf sind mir sehr wichtig und ich versuche gut auf meinen Körper zu hören, wenn er eine Pause braucht.
Das Interview hat Astrid Kuffner geführt.
VETMED: Wollten Sie schon immer Veterinärmediziner werden, oder lieber Schriftsteller, oder beides?
René Anour: Ich war immer fasziniert von Wildtieren. Wann immer es ging, war ich draußen und habe beobachtet, was da so kreucht und fleucht. In Wien tut sich auch relativ viel und wir haben zwei Nationalparks in unmittelbarer Nähe. Über die Studienwahl war ich mir sehr sicher. Schriftsteller zu werden, stand damals nicht auf dem Plan. Fun Fact: Meine Schwester ist praktizierende Tierärztin. Wir hatten Haustiere, wie es im Kleinen eben möglich war: Wüstenrennmäuse, ein Aquarium, Wasserschildkröten.
VETMED: Worauf haben Sie sich im Studium spezialisiert?
Anour: Ich gestehe, dass ich zu Studienbeginn relativ unvorbereitet war. Ich hatte nur ein paar Studierende befragt, was sie da so machen. Die Vielfalt im Studium hat mir sehr gefallen und vor dem letzten Abschnitt wurden mögliche Schwerpunkte vorgestellt. Ein Professor mit „Indiana Jones Vibes“ und ein recht „typischer“ präsentierten gemeinsam Conservation Medicine mit den Aspekten Wildtiermedizin und One Health. Da wusste ich, dass ich genau das machen will.
Wir waren wenige Studierende und sehr gut betreut. Dort habe ich wissenschaftliches Arbeiten gelernt: kritisch mit wissenschaftlicher Literatur umgehen und sich methodisch korrekt an Dinge annähern. Wir haben vieles erstmals und gut begründet ausprobiert. Ich habe mich letztlich mehr beim Studiendesign gesehen als beim Besendern in der Pampa.
VETMED: Sie haben also gerne experimentiert und geforscht, die Universität aber letztlich in Richtung AGES verlassen. Wie kam das?
Anour: Während meines Doktorats habe ich im Bereich Pathophysiologie am vermeintlichen Langlebigkeitsgen Klotho geforscht, welches sich entgegen sensationellen Ankündigungen als wichtiges Regulationsgen in der körpereigenen Vitamin-D Produktion entpuppt hat. Ich war dafür auch für einen Forschungsaufenthalt an der Harvard Medical School in Boston im Labor. Letztlich war die Notwendigkeit für eine totale Spezialisierung, das Komplett-verhaftet-Sein in einem Thema, um sich durchzusetzen, für mich eher abschreckend. Ein Tutor von mir war an der European Medicines Agency und hat mir erzählt, was er dort alles macht, und das gefällt mir bis heute.
VETMED: Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag in der AGES-Medikamentenzulassung aus und was gefällt Ihnen daran?
Anour: Ich beschäftige mich nicht nur mit einer Krankheit, sondern mit unterschiedlichsten Therapieformen und Indikationen, die am Horizont auftauchen. Ich mag diese inhaltliche Breite. Mittlerweile mache ich Gremialarbeit als Vorsitzender einer europäischen Expert:innengruppe zu Biosimilars. Das ist eine Art Generika von komplexen biologischen Molekülen zum Beispiel Antikörpern. Um nach dem Patentschutz hoch wirksame, effektive und bis dahin sehr teure Wirkstoffe vor allem für chronische Erkrankungen nachzubauen, braucht es eigene Konzepte. Und diese Konzepte haben bereits dazu geführt, dass europäische Gesundheitssysteme Milliarden gespart und gleichzeitig – was mich besonders freut – Patient:innen in ganz Europa raschen Zugang zu diesen hochwirksamen Medikamenten bekommen haben. Zudem berate ich Firmen wissenschaftlich bei ihren Entwicklungsprozessen, wie sie ihre Studien designen. Und dann arbeite ich noch bei den europäischen Zulassungen und gebe eine Meinung ab, ob der Nutzen eines neuen Medikaments das Risiko überwiegt.
VETMED: Wie kam nun das Bücherschreiben in ihr Leben, mit dem Sie inzwischen sehr erfolgreich sind? Der erste Fall von Kommissar Campanard „Tödlicher Duft“ ist bereits erschienen, der zweite Fall folgt im Frühjahr 2025. Sie haben mit historischer Fantasy begonnen, eine historische Krimiserie verfasst und auch ein Sachbuch.
Anour: Ich habe die Theatergruppe an der Vetmed geleitet und da haben wir zu Weihnachten immer Sketchabende gemacht, die ich mitgeschrieben habe. Dann habe ich mit zwei Kollegen Kabarett gemacht – wir waren vetophil. Im Doktorat habe ich mit der historischen Fantasy angefangen und diese bei einem kleinen Verlag publiziert. Später wurde es dann professioneller mit Krimis bei zwei großen deutschen Publikumsverlagen. Es ist für mich ein Ausgleich, den Geist schweifen zu lassen, in den Flow zu kommen - meine Lieblingsfreizeitbeschäftigung, wenn ich allein bin.
VETMED: Wie entsteht so ein Krimi? Wann und wie schreiben Sie? Wie kommen die Protagonisten und Plots zu Ihnen?
Anour: Wenn ich eine Deadline habe, schreibe ich jedenfalls zwei Seiten morgens vor der Arbeit. Dann bin ich den ganzen Tag schon im Macher-Modus. Ich schreibe aber grundsätzlich, wenn es geht. Die Inspiration ist mein Leben, wenn ich mit Menschen spreche, werde ich berührt, interessiert, belustigt. Auf dem Kompost des eigenen Lebens, sage ich immer, wachsen die Geschichten. Viele Ideen habe ich im Moment vor dem Einschlafen, habe also ein Notizbuch am Nachtkasterl. Und meine Charaktere sind immer Mischungen von realen Personen, sage ich auch gleich dazu.
VETMED: Wie recherchieren Sie für Romane: wissenschaftlich akribisch oder mit Mut zur Lücke?
Anour: Die medizinischen Fakten müssen stimmen, das wäre mir sonst wirklich peinlich. Die historischen Fakten as good as it gets. Während ich bei der Recherche genau bin, soll die Geschichte unterhalten, in eine Zeit, an einen Ort, in ein Setting hineinziehen und die Fakten am besten ganz unaufdringlich mitliefern, damit es nicht belehrend wirkt.
VETMED: Sie werden als Experte immer wieder von Medien befragt. Welche Bedeutung messen Sie Wissenschaftskommunikation bei?
Anour: Das Thema emotionalisiert mich unglaublich, weil das leider oft sehr stiefmütterlich behandelt wird. Ich bin nicht mehr wissenschaftlich tätig, halte es aber für einen zentralen Aspekt dieser Arbeit. Ich glaube daran, dass alle Themen verständlich vermittelt werden können und die wissenschaftlichen Fakten und Zusammenhänge müssen noch besser rüberkommen als die Geschichten von Verschwörungstheoretikern.
VETMED: Theater, Kabarett, TV-Auftritte, Lesungen: Sind Sie eine Rampensau? Stehen Sie gerne auf der Bühne oder vor einer Kamera.
Anour: Ich mache das gerne für ein Thema oder eine Tätigkeit, die mir wichtig sind. Nicht als Selbstzweck.
VETMED: Gibt es Wechselwirkungen oder Überschneidungen zwischen ihren beiden Talenten und Leidenschaften?
Anour: Überschneidungen gibt es immer wieder. Einmal hat ein Kongressveranstalter bei einer Fachkonferenz in Prag direkt nach meinem Vortrag plötzlich die tschechische Übersetzung meiner Krimis herausgezogen und mich vor dem Auditorium als Autor vorgestellt. Ich werde aber nicht weniger ernst genommen, weil ich auch als Autor tätig bin, was mir wichtig ist. Ich finde Lesungen schwieriger, wenn ich über meine Geschichte spreche und mir dabei denke: Du müsstest über etwas Gescheites, Wichtiges, Faktisches sprechen.
VETMED: Was lesen Sie gerne? Und wie geht es mit dem Schreiben weiter?
Anour: Der zweite Fall von Commissaire Campanard für den Heyne Verlag erscheint im Frühjahr 2025 und ich bereite für 2025 einen schräg-witzigen Krimi beim Rowohlt Verlag vor, über einen Tierarzt, der aus Tierliebe Morde begeht. Leider geht das viele Schreiben auf Kosten des Lesens. Aber die „Achtsam Morden“- Serie meines Verlagskollegen Karsten Dusse finde ich ganz herrlich.
VETMED: Hatten Ihre Eltern bei der Namenswahl eine künstlerische Karriere im Kopf?
Anour: Ich werde oft nach meinem echten Namen gefragt, weil die Leute denken, ich verwende ein Pseudonym. Dabei habe ich keine französischen Wurzeln. Mein Vater kommt aus Ägypten und meine Mutter aus Oberösterreich – und diese Mischung machts.
VETMED: Können Sie sich vorstellen, den Brotjob aufzugeben?
Anour: Ich find es wichtig einen richtigen Beruf zu haben und er macht mir Spaß.
Außerdem: Wo kommt dann der Kompost des Lebens her?
Das Interview hat Astrid Kuffner geführt.
VETMED: Was war Ihr erstes Berufsziel?
Gerold Maier: Ich bin gebürtiger Salzburger und am Stadtrand aufgewachsen. Wir hatten immer Haustiere: Katzen und einen Deutsch-Kurzhaar. Ich wollte schon mit sieben Jahren Tierarzt werden. Aber es gab auch keinen Tag ohne Bewegung, wobei es mir der Spielsport besonders angetan hat. Nach der Matura bin ich als Eishockey- Spieler in der Zweiten Liga nach Wien gegangen. Neben drei Stunden Training pro Tag habe ich ein sinnvolles Studium gesucht, um auch meinen Geist in Bewegung zu halten. Es war ein schöner Julitag 1987, als ich mir den Innenhof der alten Vetmeduni in der Linken Bahngasse angeschaut habe, wo unter Kastanienbäumen Pferde herumgeführt wurden. Diese grüne Oase hat sich richtig angefühlt. Seither hatte in meiner Karriere einmal mehr der Sport die Oberhand und dann wieder die Medizin.
VETMED: Sie haben über Hirnstammaudiometrie promoviert, eine damals neue Methode, um das Hörvermögen von Tieren festzustellen. Das Doktorat wäre der erste Schritt für eine wissenschaftlichen Laufbahn gewesen.
Maier: Ich habe damals im Literaturstudium und in der Praxis herausgearbeitet, dass Tiere die Gene für weiße Fellfarbe tragen, auch eine höhere Inzidenz für Taubheit mitbekommen. Ein Drittel der Dalmatiner ist ein- oder beidseitig taub, das gilt u.a. auch für Boxer oder den Dogo Argentino. Das ist natürlich ein Risiko, wenn du so einen als Familienhund hast. Ich habe mich dann intensiver mit Qualzuchten und Erbfehlern beschäftigt und gemeinsam mit Prof. Stur-Sommerfeld das Erbhygiene Programm ERVIP (Erb -Vital-Pass) initiiert. Es ging darum Zuchttiere vorab zu untersuchen, ob sie Krankheitsmerkmale mitbringen. Leider war die notwendige Unterstützung durch den Kynologenverband nicht zu 100% gegeben. Ich habe mich in jedem Fach dafür interessiert, was dahintersteckt. Ein richtiges Steckenpferd oder eine Spezialisierung hatte ich aber nie. Ich habe dann als Assistenztierarzt bei renommierten Kollegen weitergelernt und 1997 mit einer Kollegin eine eigene Kleintierpraxis in Klosterneuburg Kierling gegründet.
VETMED: Warum haben Sie die eigene Praxis aufgegeben?
Maier: Die Praxis lief sehr gut, aber ich bin ein Suchender. Als Kleintierarzt bist du überwiegend in der Reparatur, behebst Fehler, die im Vorfeld passiert sind. Das war für mich relativ frustrierend. Mit unserem ersten Sohn hat mich das Sportfieber wieder gepackt. Ich wollte ein geregeltes Leben haben. Der Pager hat mich jede zweite Nacht in den Dienst gerufen. Deshalb habe ich in die Pharmaindustrie gewechselt. Erst in den Außendienst in Wien und dann bin ich mit meiner Familie nach Wels zu Richter Pharma übersiedelt, eine Firma für veterinärmedizinische Arzneimittel und Geräte.
VETMED: Wie haben Sie in der Privatwirtschaft überzeugt? Vertrieb ist ja nicht die Kerndomäne eines Veterinärs.
Maier: Ich hatte mich für die eigene Tierarztpraxis mit Marketing beschäftigt und habe dem Chef aus der Perspektive eines Tierarztes klargelegt, welche Unterstützung für eine erfolgreiche Praxisführung benötigt wird. Das Konzept hat ihn überzeugt. Ich hatte freie Hand, habe u.a. praxisnahe Veranstaltungsserien für die Fortbildung umgesetzt z. B. einen Workshop über neue Erkenntnisse der Maulhygiene und Zahnheilkunde. Dafür habe ich aus der Pathologie der VMU eingefrorene Tierschädel in einer Tiefkühltruhe nach Wels gebracht und meinen ehemaligen Studienkollegen, Alexander Reiter, als Vortragenden gewonnen. Richter Pharma stellte passende Instrumente und Zahnstationen zur Verfügung. Darauf werde ich knapp 25 Jahre danach noch angesprochen.
Nach sechseinhalb Jahren sind wir nach Wien zurückgekehrt und ich wurde Marketingmanager bei Pfizer Tierhygiene. Nahe dem Betriebsgelände war eine Eishockeyhalle, wo ich nach der Arbeit mit der Jugend trainiert habe – bis ich 2014 ganz ins Sportmanagement und die Verbandsarbeit gewechselt habe. Ich hatte das Gefühl, dass ich den Bereich Pharma und Marketing schon gut überblicke und Lust auf etwas Neues habe.
VETMED: Sie haben Eishockey auf hohem Niveau gespielt, aber das macht noch keinen guten Lehrer aus. Wie sehen Sie das?
Maier: Ich habe meine Erfahrung als Spieler schrittweise durch Aus- und Weiterbildungskurse auf den neuesten Stand gebracht. Als Sportmanager beim Österreichischen Eishockeyverband war ich dann auch für die Trainerausbildung zuständig. Das über die Jahre gewonnene Wissen über Führung und Motivation ist, im Nachhinein betrachtet, unbezahlbar. Es funktioniert in Wirtschaft und Sport und ist ziemlich einfach: Der Mensch braucht ein gewisses Umfeld, um intrinsisch motiviert und zufrieden seine Leistung zu bringen. Da steht wertschätzende Verbundenheit ganz vorne und zusätzlich eine gewisse Autonomie. Führungskräfte, die das verstehen, werden erfolgreich agieren. Ich denke, dass Kommunikation ein wesentliches Lernfeld ist.
VETMED: Hat Sie die Ausbildung an der Vetmed auf Ihre beruflichen Stationen vorbereitet?
Maier: Ich möchte Studierenden gerne mitgeben, dass ein breites fachliches Wissen wichtig ist. Ein glückliches, sinnerfülltes Leben gelingt jedoch dann, wenn ein Spezialgebiet, eine Nische, gefunden wird, die täglich fasziniert und an der man/frau jeden Tag wachsen kann. Zu einer erfolgreichen Karriere gehört auch, die persönlichen Finanzen im Griff zu haben. Dazu müssen Veterinärmediziner:innen meist konsequenter handeln.
VETMED: Im Mai haben Sie nach zehn Jahren in Sportverband und Sportmanagement einmal mehr einen neuen Job angetreten.
Maier: Es waren 12 unglaubliche Jahre. Eines der letzten Projekte war z.B. die Heimspiele der Black Wings Linz in Kooperation mit dem Bundesministerium als Green Events umzusetzen. Jetzt schließt sich der Kreis für mich mit dem Wechsel zur Heintel Group, bei der ich als Divisionsleiter „HEiint – interventionelle Medizin“ Verantwortung übernehmen darf.
VETMED: Sie haben auch Lehrgänge für Change Management und Social Media Management absolviert. Sind Sie ein Fan vom Lifelong Learning?
Maier: Lebenslanges Lernen ist mir wichtig. Das Buch „Mindset“ von Carol Dweck war für mich ein Augenöffner. Ich glaube an ein growth mindset. Menschen sollten nicht nach ihren Lernergebnissen, sondern an ihrem Prozess auf dem Weg zum Ziel beurteilt werden. Das wäre besonders bei Kindern wichtig. Ich kann Dinge vielleicht noch nicht, aber ich lerne sie. Wenn man, wie ich, den Karriereweg nicht systematisch verfolgt, ist das hilfreich. Ich bleibe beweglich und finde das Aufgabengebiet, das zu mir passt. Ich werde künftig Humanmediziner:innen betreuen, 50% vom Büro aus und 50% unterwegs. Ich bin verantwortlich für den Außendienst, habe Umsatzverantwortung und arbeite mich aktuell mit dem bisherigen Divisionsleiter ein.
VETMED: Was ist eigentlich Ihr Lieblingstier?
Maier: Ich finde Ziegen toll. Sie haben eine überlebenswichtige Eigenschaft: Sie sind super neugierig.
Das Interview hat Astrid Kuffner geführt.
VETMED: Wussten Sie immer schon, dass Sie Veterinärmedizin studieren wollen?
Elisabeth Erlacher-Vindel: Ich stamme aus einer Ärztefamilie und mein Großvater hatte ein Bauernhaus, in dem auch ich meine Sommer verbrachte. Es war an Landwirte verpachtet, es gab Kühe und Schweine, mit neun Jahren lernte ich melken. Für mich war mit vier Jahren klar: ich will eine Ärztin für Tiere werden. Meine Mutter hat prophezeit, dass ich verfettete Dackel impfen werde, aber es sollte anders kommen.
VETMED: Wie sind Sie nach der Ausbildung in Wien in die internationale Karriere „abgebogen“?
Erlacher-Vindel: Die Ausbildung an der Vetmeduni ist sehr breit und ich war dort sehr glücklich. Auch die ökonomischen Aspekte des Studiums haben mir immer geholfen, mich schnell überall zurechtzufinden. Im internationalen Umfeld habe ich bemerkt, dass Tierärzte und Tierärztinnen sich schnell verstehen und viel gemeinsam haben. Etwa die Erfahrung in der Ausbildung viele Stunden mit dem Arm in einer Kuh verbracht zu haben? Der erste Schritt in die internationale Karriere erfolgte nach meinem Doktorat in der Tierzucht. Da war ich bereits als Assistentin mit Lehre tätig und finanziell unabhängig. Nach langer Zeit in Fernbeziehung war es eine persönliche Entscheidung meinem zukünftigen Mann nach Frankreich zu folgen.
VETMED: Konnten Sie denn gut Französisch? Wie ist der Einstieg in den gelernten Beruf geglückt?
Erlacher-Vindel: Mein Französisch war gar nicht gut. Ich habe jahrelang gerauft, vor allem mit der Schriftsprache, in der Praxis gelernt. Damals war Österreich nicht in der EU und mein Studium wurde nicht anerkannt. Mein Schwiegervater war am Institut Pasteur in Paris und dort konnte ich als Nicht-Französin sechs Monate ein Praktikum machen. Ich habe dann in der Stadt und am Land in Tierarztpraxen geholfen, während in mir der Wunsch reifte etwas Eigenes auf meinem fachlichen Niveau zu machen. Da mich Milchtechnologie immer interessiert hat, habe ich ein spezialisiertes Masterstudium in Frankreich begonnen. Mit dieser Doppelausbildung konnte ich in der Französischen Berufsvertretung für die Milchwirtschaft (Centre National Interprofessionnel de l'Economie Laitière, CNIEL) beginnen.
VETMED: Was haben Sie dort gemacht?
Erlacher-Vindel: Frankreich ist ja berühmt für seine Rohmilchprodukte, aber es gab Probleme mit Listerien. In der Lebensmittelsicherheit war ich die einzige Tierärztin und hatte Kontakt mit Milchbetrieben im ganzen Land. Es ging letztlich darum, Wissen über Milchhygiene zu verbreiten, später auch weiter zu erforschen, Expertise aufzubauen. Ich war auch in der International Dairy Federation (IDF) aktiv und habe mich dort immer sehr wohl gefühlt, weil die Themen der Milchwirtschaft international sofort Gemeinsamkeit herstellen. Über die IDF bin ich auch zur OIE (kurz für Office International des Epizooties) gekommen, die heute World Organisation for Animal Health (WOAH), Weltorganisation für Tiergesundheit, heißt.
VETMED: 2008 begannen Sie bei der WOAH, wie kam es zu diesem Wechsel?
Erlacher-Vindel: Als IDF-Expertin wurde ich zu einem technischen Treffen eingeladen, wo ich ich sachliche Verbesserungsvorschläge zu praktischen Hygiene-Richtlinien machen konnte. Wenig später bekam ich ein Angebot im Hauptsitz der Organisation in Paris zu arbeiten. Ich habe mir damals ein Sabbatical genommen mit Rückkehrmöglichkeit zum CNIEL, weil mir – aus der Privatwirtschaft kommend – die internationale Administration nicht vertraut war. Ich bin in die OIE beim ersten Anlauf nicht leicht hineingewachsen. Es war sehr stressig, meine Zwillinge waren im Maturajahr. Aber grundsätzlich hatte ich schon das Gefühl, dass es mir liegt international tätig zu sein und einen gemeinsamen Nenner zu finden – das können wir Österreicher:innen ja oft ganz gut.
VETMED: Wie haben Sie in die internationale Verwaltung zurückgefunden und was schätzen Sie daran?
Erlacher-Vindel: Ich habe damals zurückgeschalten, weil es notwendig war, aber das Internationale ging mir ab. In der OIE ist dann das wissenschaftliche Department enorm gewachsen und ich wurde gefragt, ob ich als Deputy zurückkomme. Ich hatte Lust ein neues Blatt aufzuschlagen, der Zeitpunkt für das Engagement passte gut zu meiner Lebensphase. Die Aktivitäten, nämlich technische Information zu verschiedenen Krankheiten weltweit zu erstellen und das steigende Interesse am Thema Antibiotikaresistenz, waren sehr verlockend. Wir haben angefangen regionale Trainingsseminare und internationale Kongresse zu organisieren. Nachdem sich das wissenschaftliche und technische Department ständig vergrößert hat, wurde letztlich ein eigenes Department für Veterinärprodukte und Antibiotikaresistenz gegründet, das ich von Anfang an geleitet habe. Mit der Zeit haben mehrere langjährige Mitarbeiter:innen von mir eigene Departments übernommen. Das macht mich besonders stolz.
VETMED: Sie sind jetzt formal im Ruhestand, leben in Marokko und arbeiten als Senior Advisor zu Forschungsprojekten über Antibiotikaresistenzen in der WOAH. Was reizt Sie daran?
Erlacher-Vindel: Es war absehbar, dass Resistenzen ein immer wichtigeres Thema werden. Die WOAH arbeitet hier im Bereich Tierhaltung mit den UNO-Organisationen FAO, UNEP und WHO zusammen gemäß dem Grundsatz One Health. Wenn man es als Bereicherung empfindet, andere Menschen, Sichtweisen und Ansätze zu sehen, neue soziale Strukturen und Umgangsformen kennenzulernen, dann ist die Arbeit im internationalen Umfeld sehr spannend. Dazu braucht es Offenheit. Man muss bereit sein, seine eigenen Wahrheiten zu hinterfragen. Es ist ein spannender Job, weil man als engagierter Teamleader viel bewegen kann – auf globaler Ebene.
VETMED: Ist die WOAH wie die UNO für Tiergesundheit?
Erlacher-Vindel: Die WOAH ist keine UNO-Organisation, wurde bereits 1924 gegründet und hat 182 Mitgliedsländer. Delegierte sind die jeweiligen Chef:innen der nationalen Veterinärbehörden. Wir arbeiten sehr effizient, sind relativ flexibel. Einmal im Jahr werden bei Treffen aller Delegierten Entscheidungen und internationale Standards beschlossen, die auch von der WTO anerkannt sind – das ist wichtig.
VETMED: Hat Sie das Studium auf den Job gut vorbereitet?
Erlacher-Vindel: Ich bin eine Verfechterin der breiten Grundausbildung, weil aus einer Spezialisierung kommt man nicht mehr so leicht heraus. Man kann allen Fächern einmal begegnen und der Blick für das Ganze wird geschult. Während ich im Studium naserümpfend Fleisch- und Milchhygiene gemacht habe, ist das später sehr relevant für mich geworden. Was im Studium nicht so vorbereitet wurde, sind administrative Skills. Ich fände es zudem wichtig, dass an die Vetmeduni öfter Vortragende kommen, die über internationale Möglichkeiten erzählen. Ich würde gerne noch mehr Österreicher:innen in diesem Feld sehen. Die Herausforderungen sind ja letztlich auch global. Vom Institut Pasteur zur ersten Anstellung war es für mich eine schwierige Zeit, aber ich habe durchgehalten. Es tat dem Selbstwertgefühl nicht gut, dass meine Ausbildung nicht anerkannt wurde. Das ist durch die EU sicher besser geworden. Aber unter Tierärzten und Tierärztinnen standen die Türen immer offen.
VETMED: Wann gehen Sie wirklich in den Ruhestand?
Erlacher-Vindel: Momentan macht es mir viel Spaß, der Druck ist weg und ich habe keine regulären Arbeitstage mehr. Einmal im Monat fliege ich nach Paris und treffe mich mit meinem Nachfolger und Kolleg:innen im Headquarter, und von dort weiter nach Wien – das ist jetzt genau das Richtige für mich.
VETMED: Was vermissen Sie an Österreich?
Erlacher-Vindel: Auf einem anderen Kontinent zu leben ist eine tolle Erfahrung. In Marokko gibt viele, sehr nette Kaffeehäuser, aber wenn ich in Wien bin, gehe jeden Tag mindestens einmal. Ich muss zum Glück nichts vermissen, weil ich regelmäßig auf Besuch bin.
Das Interview hat Astrid Kuffner geführt.
VETMED: Wie haben Sie das Zeichentalent letztlich zum Beruf gemacht?
Claudia Amort: Ich habe schon als Kind gerne gezeichnet und mein erster Berufswunsch war Künstlerin. Ich wollte aber auch immer genau wissen, wie der Körper funktioniert. Nach der Matura habe ich mich zunächst dieser zweiten Leidenschaft zugewandt und Biomedizin an der Vetmeduni studiert. In meiner Freizeit habe ich weiter gezeichnet und auch im Bachelor gab es reichlich Gelegenheiten zum Beispiel bei Präsentationen – auch beim Lernen war ich immer sehr visuell, mit Mindmaps und kleinen Zeichnungen. Von dem Beruf, den ich jetzt mache, der Kunst und Wissenschaft verbindet, habe ich erst im vorletzten Semester erfahren.
VETMED: Was ist passiert und wie sah die weitere Ausbildung zur wissenschaftlichen Illustratorin aus?
Amort: Bis zum 5. Semester war ich überzeugt davon, Forscherin zu werden. Der neue Traumberuf ist mir durch Zufall vor die Füße gefallen. Auf Social Media hat ein Mädchen von ihrem Studium in den USA erzählt und was sie da so macht. Klar, dass ich in der Nacht darauf Ausbildungen gesucht habe. Es gibt nicht so viele Schulen dafür, einige in den USA und in Kanada, in Großbritannien und eben in den Niederlanden. An der Zuyd Hogeschool in Maastricht hat mich der Fokus auf Mensch und Tier interessiert. Weil dort nur acht Studierende im Jahr betreut werden, kann das Studium gut an die eigene berufliche Zielsetzung angepasst werden. Das Aufnahmeverfahren war natürlich kompetitiv: mit einer Mappe, einem Interview und einem Praxisauftrag, der binnen zwei Tagen abzugeben war.
VETMED: Hat Sie das Bachelorstudium gut auf den Beruf vorbereitet? Was konnten Sie im Master ergänzen?
Amort: Ja, ich war fachlich gut vorbereitet, weil im Biomedizin Bachelor breit gefächert Themen angesprochen werden. Das hilft mir in meiner Arbeit. Nicht zu vergessen die Soft Skills: nach den vielen Präsentationen im Studium habe ich kein Problem damit, vor einer Gruppe von Menschen zu reden. Wir hatten auch Kurse für Zeitmanagement und als Studierende lernt man ja generell selber zu denken, Verantwortung zu übernehmen und sich auf die eigenen Fähigkeiten zu verlassen.
In Maastricht kam das Künstlerische dazu und auch das Unternehmerische: ein Budget erstellen, Rechnungen schreiben, Kunden finden, Marketing und Positionierung, aber auch der Umgang mit unzufriedenen Kund:innen. Wobei dabei haben mir vermutlich auch meine Ferialjobs in der Hotellerie geholfen. Da lernt man sich auf Leute einzustellen, Bedürfnisse zu erkennen und mit ihnen zu reden. Es braucht Durchhaltevermögen und ich habe mich an lange Arbeitszeiten gewöhnt.
VETMED: Was ist der Unterschied zwischen einer Zeichnung und einer medizinischen Illustration?
Amort: Am wichtigsten ist, dass was ich zeichne akkurat, detailgetreu und wissenschaftlich korrekt ist. Zudem gibt es Farbkonventionen, die zu beachten sind, um Wiedererkennbarkeit zu ermöglichen. So sind Muskeln und Arterien immer rot, Nerven gelb und Venen blau.
VETMED: Womit und wie arbeiten Sie, um diese Qualität sicherzustellen?
Amort: Ich habe mir Zuhause einen Arbeitsraum eingerichtet und arbeite mit meinen Kund:innen viel remote. Ich nutze meinen Laptop, habe ein Zeichen-Tablet, arbeite aber auch traditionell mit Wasserfarben, Bleistift oder Ölfarben. Ich habe also vielfältige Materialien und Methoden am Start. Eine Zeichnung ist immer eine Interpretation der Realität, aber ich kann gut anhand von Fotos arbeiten. Die beste Quelle ist aber selbst zu sezieren. Das muss man gut beherrschen. Für manche Projekte muss ich vor Ort sein, etwa eine Operation mit eigenen Augen sehen. Das ist dann mehr wert als ein Video. Gleiches gilt, wenn über anatomische Zusammenhänge bei einem Tier noch nicht viel bekannt ist. Dann muss ich für mein fundiertes Verständnis auch selbst sezieren und nachsehen, wie das aussieht.
VETMED: Sie arbeiten als selbständige Illustratorin, was gefällt Ihnen daran?
Amort: Ich kann mein wissenschaftliches Interesse und Fachwissen mit jedem Auftrag weiter ausbauen, lerne immer weiter dazu. Das Tolle an meinem Job ist die Abwechslung. Für einige Wochen stürze ich mich in ein Projekt und dann kommt wieder etwas Neues. Zudem bin ich keine Frühaufsteherin und kann mir so meine Arbeitszeit frei einteilen. Zeichnen, E-Mails schreiben, Kundengespräche, Konferenzen und Workshops wechseln sich ab. Man muss dieses breite Spektrum natürlich auch wollen mit Kundengesprächen, Marketing, Flexibilität, Buchhaltung, Reisetätigkeit etc.
VETMED: „Empowering your science with my visual expertise“, ist der Slogan auf Ihrer Webseite. Welche Bedeutung messen Sie Ihrer Art der Wissenschaftskommunikation bei – gerade in Zeiten von Digitalisierung und Bewegtbild?
Amort: Ich halte medizinische Illustration für extrem wichtig und wertvoll. Wir Menschen sind einfach visuelle Lebewesen. Auch wenn wir einen Artikel lesen, würden wir zuerst auf ein Bild schauen und versuchen zu verstehen, worum es geht. Ich hole also die Leute ab und helfe, Wissenschaft sichtbar zu machen. Ein Bild ist zugänglich für alle und kann Sprachbarrieren und Wissensunterschiede überbrücken. Das unterstützt die Kommunikation der Forschungscommunity untereinander und informiert die Allgemeinheit z.B. wenn ich Illustrationen für Patient:innen zeichne. Sie können sich ein Bild machen, etwa von einer Therapiemethode. Sie sehen, was da passiert und ich kann ihnen ein Stück weit die Angst nehmen. Fotos einer Operation sind einfach nur abschreckend.
VETMED: Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben? Haben Sie Vorbilder?
Amort: Mein Studium in Wien hat sicher zu meinem Stil beigetragen - in mir ist immer noch eine Wissenschaftlerin und das sieht man in meiner Kunst. Ich arbeite sehr detailliert, wie das auch in der Forschung notwendig ist, mit sanften, pastelligen Farben. Das ist wohl eine Art europäischer Stil, eine visuelle Kultur. Als Vorbild sehe ich Leonardo da Vinci. Er hat selbst viel seziert, obwohl das zu seiner Zeit verpönt war – so wichtig war ihm der Wissensgewinn. Aber grundsätzlich will mich nicht zu viel beeinflussen lassen auf meinem eigenen Weg.
VETMED: Wer beauftragt Sie?
Amort: Meine Kund:innen kommen aus der Forschung, also Universitäten oder Instituten, wie z.B. der Vetmeduni. Ein weiterer Arbeitsbereich ist die Patient:innenaufklärung für Krankenhäuser und Arztpraxen. Und ich arbeite im Gesundheitsbereich und zeige etwa, wie Produkte wirken. Zudem halte ich Workshops z.B. am Naturhistorischen Museum Wien.
VETMED: Was machen Sie in einer Schaffenskrise?
Amort: Ich hatte zum Glück noch nie einen „Art Block“, war immer inspiriert genug. Als Selbständige, die sich ständig mit ihrer Arbeit beschäftigen könnte, finde ich es wichtig mir Zeit für Pausen und Freizeit gezielt einzuteilen. Zum Ausgleich für die Schreibtischarbeit gehe ich gerne klettern.
Das Interview hat Astrid Kuffner geführt.
Praktische Beispiele für die Illustrationen von Claudia Amort:
Das Poster entwarf Alumna Amort für einen Facharzt und dient der Aufklärung von Patienten über die häufigsten Erkrankungen in der Gastroenterologie.
Für das Deutsche Krebsforschungsinstitut (DKFZ) erstellte Amort ein Hero-Bild für die Website einer Forschungsgruppe, das die zentralen Forschungsaspekte in der Genommedizin zusammenfasst.
Titelbild für das Wissenschaftsmagazin “Neuron” des ISTA – Institute for science and technology Austria zur Differenzierung von Neuronen im Superior Colliculus
Mithilfe von Illustrationen lässt sich komplexe Information besser anveranschaulichen. Amort hat für die Universität Wien eine Infografik für einen Presseartikel zur Formation von Material bei einem Wurm im Vergleich zu einem 3D-Drucker erstellt.
Das UCC - University College Cork, Irland, nutzte die Expertise von Amort für eine Illustration im Rahmen einer Publikation über den Vergleich der Mikrobiota-Darm-Hirn-Achse bei Zebrafisch, Mensch und Nagetier.