- Alumni-Porträts
Absolvent:innen der Vetmeduni als Interviewpartner:innen gesucht!
Verraten Sie uns mehr über Ihren Berufseinstieg, Ihre Stationen, Ihre (Um)Wege und Ihre Motivation. Unsere Studierenden und Leser:innen freuen sich, wenn Sie uns teilhaben lassen an Ihren Erfahrungen.
Wir freuen über Ihre Nachricht.
Unsere Alumni im Gespräch:
VETMED: Was war Ihr erstes Berufsziel?
Gerold Maier: Ich bin gebürtiger Salzburger und am Stadtrand aufgewachsen. Wir hatten immer Haustiere: Katzen und einen Deutsch-Kurzhaar. Ich wollte schon mit sieben Jahren Tierarzt werden. Aber es gab auch keinen Tag ohne Bewegung, wobei es mir der Spielsport besonders angetan hat. Nach der Matura bin ich als Eishockey- Spieler in der Zweiten Liga nach Wien gegangen. Neben drei Stunden Training pro Tag habe ich ein sinnvolles Studium gesucht, um auch meinen Geist in Bewegung zu halten. Es war ein schöner Julitag 1987, als ich mir den Innenhof der alten Vetmeduni in der Linken Bahngasse angeschaut habe, wo unter Kastanienbäumen Pferde herumgeführt wurden. Diese grüne Oase hat sich richtig angefühlt. Seither hatte in meiner Karriere einmal mehr der Sport die Oberhand und dann wieder die Medizin.
VETMED: Sie haben über Hirnstammaudiometrie promoviert, eine damals neue Methode, um das Hörvermögen von Tieren festzustellen. Das Doktorat wäre der erste Schritt für eine wissenschaftlichen Laufbahn gewesen.
Maier: Ich habe damals im Literaturstudium und in der Praxis herausgearbeitet, dass Tiere die Gene für weiße Fellfarbe tragen, auch eine höhere Inzidenz für Taubheit mitbekommen. Ein Drittel der Dalmatiner ist ein- oder beidseitig taub, das gilt u.a. auch für Boxer oder den Dogo Argentino. Das ist natürlich ein Risiko, wenn du so einen als Familienhund hast. Ich habe mich dann intensiver mit Qualzuchten und Erbfehlern beschäftigt und gemeinsam mit Prof. Stur-Sommerfeld das Erbhygiene Programm ERVIP (Erb -Vital-Pass) initiiert. Es ging darum Zuchttiere vorab zu untersuchen, ob sie Krankheitsmerkmale mitbringen. Leider war die notwendige Unterstützung durch den Kynologenverband nicht zu 100% gegeben. Ich habe mich in jedem Fach dafür interessiert, was dahintersteckt. Ein richtiges Steckenpferd oder eine Spezialisierung hatte ich aber nie. Ich habe dann als Assistenztierarzt bei renommierten Kollegen weitergelernt und 1997 mit einer Kollegin eine eigene Kleintierpraxis in Klosterneuburg Kierling gegründet.
VETMED: Warum haben Sie die eigene Praxis aufgegeben?
Maier: Die Praxis lief sehr gut, aber ich bin ein Suchender. Als Kleintierarzt bist du überwiegend in der Reparatur, behebst Fehler, die im Vorfeld passiert sind. Das war für mich relativ frustrierend. Mit unserem ersten Sohn hat mich das Sportfieber wieder gepackt. Ich wollte ein geregeltes Leben haben. Der Pager hat mich jede zweite Nacht in den Dienst gerufen. Deshalb habe ich in die Pharmaindustrie gewechselt. Erst in den Außendienst in Wien und dann bin ich mit meiner Familie nach Wels zu Richter Pharma übersiedelt, eine Firma für veterinärmedizinische Arzneimittel und Geräte.
VETMED: Wie haben Sie in der Privatwirtschaft überzeugt? Vertrieb ist ja nicht die Kerndomäne eines Veterinärs.
Maier: Ich hatte mich für die eigene Tierarztpraxis mit Marketing beschäftigt und habe dem Chef aus der Perspektive eines Tierarztes klargelegt, welche Unterstützung für eine erfolgreiche Praxisführung benötigt wird. Das Konzept hat ihn überzeugt. Ich hatte freie Hand, habe u.a. praxisnahe Veranstaltungsserien für die Fortbildung umgesetzt z. B. einen Workshop über neue Erkenntnisse der Maulhygiene und Zahnheilkunde. Dafür habe ich aus der Pathologie der VMU eingefrorene Tierschädel in einer Tiefkühltruhe nach Wels gebracht und meinen ehemaligen Studienkollegen, Alexander Reiter, als Vortragenden gewonnen. Richter Pharma stellte passende Instrumente und Zahnstationen zur Verfügung. Darauf werde ich knapp 25 Jahre danach noch angesprochen.
Nach sechseinhalb Jahren sind wir nach Wien zurückgekehrt und ich wurde Marketingmanager bei Pfizer Tierhygiene. Nahe dem Betriebsgelände war eine Eishockeyhalle, wo ich nach der Arbeit mit der Jugend trainiert habe – bis ich 2014 ganz ins Sportmanagement und die Verbandsarbeit gewechselt habe. Ich hatte das Gefühl, dass ich den Bereich Pharma und Marketing schon gut überblicke und Lust auf etwas Neues habe.
VETMED: Sie haben Eishockey auf hohem Niveau gespielt, aber das macht noch keinen guten Lehrer aus. Wie sehen Sie das?
Maier: Ich habe meine Erfahrung als Spieler schrittweise durch Aus- und Weiterbildungskurse auf den neuesten Stand gebracht. Als Sportmanager beim Österreichischen Eishockeyverband war ich dann auch für die Trainerausbildung zuständig. Das über die Jahre gewonnene Wissen über Führung und Motivation ist, im Nachhinein betrachtet, unbezahlbar. Es funktioniert in Wirtschaft und Sport und ist ziemlich einfach: Der Mensch braucht ein gewisses Umfeld, um intrinsisch motiviert und zufrieden seine Leistung zu bringen. Da steht wertschätzende Verbundenheit ganz vorne und zusätzlich eine gewisse Autonomie. Führungskräfte, die das verstehen, werden erfolgreich agieren. Ich denke, dass Kommunikation ein wesentliches Lernfeld ist.
VETMED: Hat Sie die Ausbildung an der Vetmed auf Ihre beruflichen Stationen vorbereitet?
Maier: Ich möchte Studierenden gerne mitgeben, dass ein breites fachliches Wissen wichtig ist. Ein glückliches, sinnerfülltes Leben gelingt jedoch dann, wenn ein Spezialgebiet, eine Nische, gefunden wird, die täglich fasziniert und an der man/frau jeden Tag wachsen kann. Zu einer erfolgreichen Karriere gehört auch, die persönlichen Finanzen im Griff zu haben. Dazu müssen Veterinärmediziner:innen meist konsequenter handeln.
VETMED: Im Mai haben Sie nach zehn Jahren in Sportverband und Sportmanagement einmal mehr einen neuen Job angetreten.
Maier: Es waren 12 unglaubliche Jahre. Eines der letzten Projekte war z.B. die Heimspiele der Black Wings Linz in Kooperation mit dem Bundesministerium als Green Events umzusetzen. Jetzt schließt sich der Kreis für mich mit dem Wechsel zur Heintel Group, bei der ich als Divisionsleiter „HEiint – interventionelle Medizin“ Verantwortung übernehmen darf.
VETMED: Sie haben auch Lehrgänge für Change Management und Social Media Management absolviert. Sind Sie ein Fan vom Lifelong Learning?
Maier: Lebenslanges Lernen ist mir wichtig. Das Buch „Mindset“ von Carol Dweck war für mich ein Augenöffner. Ich glaube an ein growth mindset. Menschen sollten nicht nach ihren Lernergebnissen, sondern an ihrem Prozess auf dem Weg zum Ziel beurteilt werden. Das wäre besonders bei Kindern wichtig. Ich kann Dinge vielleicht noch nicht, aber ich lerne sie. Wenn man, wie ich, den Karriereweg nicht systematisch verfolgt, ist das hilfreich. Ich bleibe beweglich und finde das Aufgabengebiet, das zu mir passt. Ich werde künftig Humanmediziner:innen betreuen, 50% vom Büro aus und 50% unterwegs. Ich bin verantwortlich für den Außendienst, habe Umsatzverantwortung und arbeite mich aktuell mit dem bisherigen Divisionsleiter ein.
VETMED: Was ist eigentlich Ihr Lieblingstier?
Maier: Ich finde Ziegen toll. Sie haben eine überlebenswichtige Eigenschaft: Sie sind super neugierig.
Das Interview hat Astrid Kuffner geführt.
VETMED: Wussten Sie immer schon, dass Sie Veterinärmedizin studieren wollen?
Elisabeth Erlacher-Vindel: Ich stamme aus einer Ärztefamilie und mein Großvater hatte ein Bauernhaus, in dem auch ich meine Sommer verbrachte. Es war an Landwirte verpachtet, es gab Kühe und Schweine, mit neun Jahren lernte ich melken. Für mich war mit vier Jahren klar: ich will eine Ärztin für Tiere werden. Meine Mutter hat prophezeit, dass ich verfettete Dackel impfen werde, aber es sollte anders kommen.
VETMED: Wie sind Sie nach der Ausbildung in Wien in die internationale Karriere „abgebogen“?
Erlacher-Vindel: Die Ausbildung an der Vetmeduni ist sehr breit und ich war dort sehr glücklich. Auch die ökonomischen Aspekte des Studiums haben mir immer geholfen, mich schnell überall zurechtzufinden. Im internationalen Umfeld habe ich bemerkt, dass Tierärzte und Tierärztinnen sich schnell verstehen und viel gemeinsam haben. Etwa die Erfahrung in der Ausbildung viele Stunden mit dem Arm in einer Kuh verbracht zu haben? Der erste Schritt in die internationale Karriere erfolgte nach meinem Doktorat in der Tierzucht. Da war ich bereits als Assistentin mit Lehre tätig und finanziell unabhängig. Nach langer Zeit in Fernbeziehung war es eine persönliche Entscheidung meinem zukünftigen Mann nach Frankreich zu folgen.
VETMED: Konnten Sie denn gut Französisch? Wie ist der Einstieg in den gelernten Beruf geglückt?
Erlacher-Vindel: Mein Französisch war gar nicht gut. Ich habe jahrelang gerauft, vor allem mit der Schriftsprache, in der Praxis gelernt. Damals war Österreich nicht in der EU und mein Studium wurde nicht anerkannt. Mein Schwiegervater war am Institut Pasteur in Paris und dort konnte ich als Nicht-Französin sechs Monate ein Praktikum machen. Ich habe dann in der Stadt und am Land in Tierarztpraxen geholfen, während in mir der Wunsch reifte etwas Eigenes auf meinem fachlichen Niveau zu machen. Da mich Milchtechnologie immer interessiert hat, habe ich ein spezialisiertes Masterstudium in Frankreich begonnen. Mit dieser Doppelausbildung konnte ich in der Französischen Berufsvertretung für die Milchwirtschaft (Centre National Interprofessionnel de l'Economie Laitière, CNIEL) beginnen.
VETMED: Was haben Sie dort gemacht?
Erlacher-Vindel: Frankreich ist ja berühmt für seine Rohmilchprodukte, aber es gab Probleme mit Listerien. In der Lebensmittelsicherheit war ich die einzige Tierärztin und hatte Kontakt mit Milchbetrieben im ganzen Land. Es ging letztlich darum, Wissen über Milchhygiene zu verbreiten, später auch weiter zu erforschen, Expertise aufzubauen. Ich war auch in der International Dairy Federation (IDF) aktiv und habe mich dort immer sehr wohl gefühlt, weil die Themen der Milchwirtschaft international sofort Gemeinsamkeit herstellen. Über die IDF bin ich auch zur OIE (kurz für Office International des Epizooties) gekommen, die heute World Organisation for Animal Health (WOAH), Weltorganisation für Tiergesundheit, heißt.
VETMED: 2008 begannen Sie bei der WOAH, wie kam es zu diesem Wechsel?
Erlacher-Vindel: Als IDF-Expertin wurde ich zu einem technischen Treffen eingeladen, wo ich ich sachliche Verbesserungsvorschläge zu praktischen Hygiene-Richtlinien machen konnte. Wenig später bekam ich ein Angebot im Hauptsitz der Organisation in Paris zu arbeiten. Ich habe mir damals ein Sabbatical genommen mit Rückkehrmöglichkeit zum CNIEL, weil mir – aus der Privatwirtschaft kommend – die internationale Administration nicht vertraut war. Ich bin in die OIE beim ersten Anlauf nicht leicht hineingewachsen. Es war sehr stressig, meine Zwillinge waren im Maturajahr. Aber grundsätzlich hatte ich schon das Gefühl, dass es mir liegt international tätig zu sein und einen gemeinsamen Nenner zu finden – das können wir Österreicher:innen ja oft ganz gut.
VETMED: Wie haben Sie in die internationale Verwaltung zurückgefunden und was schätzen Sie daran?
Erlacher-Vindel: Ich habe damals zurückgeschalten, weil es notwendig war, aber das Internationale ging mir ab. In der OIE ist dann das wissenschaftliche Department enorm gewachsen und ich wurde gefragt, ob ich als Deputy zurückkomme. Ich hatte Lust ein neues Blatt aufzuschlagen, der Zeitpunkt für das Engagement passte gut zu meiner Lebensphase. Die Aktivitäten, nämlich technische Information zu verschiedenen Krankheiten weltweit zu erstellen und das steigende Interesse am Thema Antibiotikaresistenz, waren sehr verlockend. Wir haben angefangen regionale Trainingsseminare und internationale Kongresse zu organisieren. Nachdem sich das wissenschaftliche und technische Department ständig vergrößert hat, wurde letztlich ein eigenes Department für Veterinärprodukte und Antibiotikaresistenz gegründet, das ich von Anfang an geleitet habe. Mit der Zeit haben mehrere langjährige Mitarbeiter:innen von mir eigene Departments übernommen. Das macht mich besonders stolz.
VETMED: Sie sind jetzt formal im Ruhestand, leben in Marokko und arbeiten als Senior Advisor zu Forschungsprojekten über Antibiotikaresistenzen in der WOAH. Was reizt Sie daran?
Erlacher-Vindel: Es war absehbar, dass Resistenzen ein immer wichtigeres Thema werden. Die WOAH arbeitet hier im Bereich Tierhaltung mit den UNO-Organisationen FAO, UNEP und WHO zusammen gemäß dem Grundsatz One Health. Wenn man es als Bereicherung empfindet, andere Menschen, Sichtweisen und Ansätze zu sehen, neue soziale Strukturen und Umgangsformen kennenzulernen, dann ist die Arbeit im internationalen Umfeld sehr spannend. Dazu braucht es Offenheit. Man muss bereit sein, seine eigenen Wahrheiten zu hinterfragen. Es ist ein spannender Job, weil man als engagierter Teamleader viel bewegen kann – auf globaler Ebene.
VETMED: Ist die WOAH wie die UNO für Tiergesundheit?
Erlacher-Vindel: Die WOAH ist keine UNO-Organisation, wurde bereits 1924 gegründet und hat 182 Mitgliedsländer. Delegierte sind die jeweiligen Chef:innen der nationalen Veterinärbehörden. Wir arbeiten sehr effizient, sind relativ flexibel. Einmal im Jahr werden bei Treffen aller Delegierten Entscheidungen und internationale Standards beschlossen, die auch von der WTO anerkannt sind – das ist wichtig.
VETMED: Hat Sie das Studium auf den Job gut vorbereitet?
Erlacher-Vindel: Ich bin eine Verfechterin der breiten Grundausbildung, weil aus einer Spezialisierung kommt man nicht mehr so leicht heraus. Man kann allen Fächern einmal begegnen und der Blick für das Ganze wird geschult. Während ich im Studium naserümpfend Fleisch- und Milchhygiene gemacht habe, ist das später sehr relevant für mich geworden. Was im Studium nicht so vorbereitet wurde, sind administrative Skills. Ich fände es zudem wichtig, dass an die Vetmeduni öfter Vortragende kommen, die über internationale Möglichkeiten erzählen. Ich würde gerne noch mehr Österreicher:innen in diesem Feld sehen. Die Herausforderungen sind ja letztlich auch global. Vom Institut Pasteur zur ersten Anstellung war es für mich eine schwierige Zeit, aber ich habe durchgehalten. Es tat dem Selbstwertgefühl nicht gut, dass meine Ausbildung nicht anerkannt wurde. Das ist durch die EU sicher besser geworden. Aber unter Tierärzten und Tierärztinnen standen die Türen immer offen.
VETMED: Wann gehen Sie wirklich in den Ruhestand?
Erlacher-Vindel: Momentan macht es mir viel Spaß, der Druck ist weg und ich habe keine regulären Arbeitstage mehr. Einmal im Monat fliege ich nach Paris und treffe mich mit meinem Nachfolger und Kolleg:innen im Headquarter, und von dort weiter nach Wien – das ist jetzt genau das Richtige für mich.
VETMED: Was vermissen Sie an Österreich?
Erlacher-Vindel: Auf einem anderen Kontinent zu leben ist eine tolle Erfahrung. In Marokko gibt viele, sehr nette Kaffeehäuser, aber wenn ich in Wien bin, gehe jeden Tag mindestens einmal. Ich muss zum Glück nichts vermissen, weil ich regelmäßig auf Besuch bin.
Das Interview hat Astrid Kuffner geführt.
VETMED: Wie haben Sie das Zeichentalent letztlich zum Beruf gemacht?
Claudia Amort: Ich habe schon als Kind gerne gezeichnet und mein erster Berufswunsch war Künstlerin. Ich wollte aber auch immer genau wissen, wie der Körper funktioniert. Nach der Matura habe ich mich zunächst dieser zweiten Leidenschaft zugewandt und Biomedizin an der Vetmeduni studiert. In meiner Freizeit habe ich weiter gezeichnet und auch im Bachelor gab es reichlich Gelegenheiten zum Beispiel bei Präsentationen – auch beim Lernen war ich immer sehr visuell, mit Mindmaps und kleinen Zeichnungen. Von dem Beruf, den ich jetzt mache, der Kunst und Wissenschaft verbindet, habe ich erst im vorletzten Semester erfahren.
VETMED: Was ist passiert und wie sah die weitere Ausbildung zur wissenschaftlichen Illustratorin aus?
Amort: Bis zum 5. Semester war ich überzeugt davon, Forscherin zu werden. Der neue Traumberuf ist mir durch Zufall vor die Füße gefallen. Auf Social Media hat ein Mädchen von ihrem Studium in den USA erzählt und was sie da so macht. Klar, dass ich in der Nacht darauf Ausbildungen gesucht habe. Es gibt nicht so viele Schulen dafür, einige in den USA und in Kanada, in Großbritannien und eben in den Niederlanden. An der Zuyd Hogeschool in Maastricht hat mich der Fokus auf Mensch und Tier interessiert. Weil dort nur acht Studierende im Jahr betreut werden, kann das Studium gut an die eigene berufliche Zielsetzung angepasst werden. Das Aufnahmeverfahren war natürlich kompetitiv: mit einer Mappe, einem Interview und einem Praxisauftrag, der binnen zwei Tagen abzugeben war.
VETMED: Hat Sie das Bachelorstudium gut auf den Beruf vorbereitet? Was konnten Sie im Master ergänzen?
Amort: Ja, ich war fachlich gut vorbereitet, weil im Biomedizin Bachelor breit gefächert Themen angesprochen werden. Das hilft mir in meiner Arbeit. Nicht zu vergessen die Soft Skills: nach den vielen Präsentationen im Studium habe ich kein Problem damit, vor einer Gruppe von Menschen zu reden. Wir hatten auch Kurse für Zeitmanagement und als Studierende lernt man ja generell selber zu denken, Verantwortung zu übernehmen und sich auf die eigenen Fähigkeiten zu verlassen.
In Maastricht kam das Künstlerische dazu und auch das Unternehmerische: ein Budget erstellen, Rechnungen schreiben, Kunden finden, Marketing und Positionierung, aber auch der Umgang mit unzufriedenen Kund:innen. Wobei dabei haben mir vermutlich auch meine Ferialjobs in der Hotellerie geholfen. Da lernt man sich auf Leute einzustellen, Bedürfnisse zu erkennen und mit ihnen zu reden. Es braucht Durchhaltevermögen und ich habe mich an lange Arbeitszeiten gewöhnt.
VETMED: Was ist der Unterschied zwischen einer Zeichnung und einer medizinischen Illustration?
Amort: Am wichtigsten ist, dass was ich zeichne akkurat, detailgetreu und wissenschaftlich korrekt ist. Zudem gibt es Farbkonventionen, die zu beachten sind, um Wiedererkennbarkeit zu ermöglichen. So sind Muskeln und Arterien immer rot, Nerven gelb und Venen blau.
VETMED: Womit und wie arbeiten Sie, um diese Qualität sicherzustellen?
Amort: Ich habe mir Zuhause einen Arbeitsraum eingerichtet und arbeite mit meinen Kund:innen viel remote. Ich nutze meinen Laptop, habe ein Zeichen-Tablet, arbeite aber auch traditionell mit Wasserfarben, Bleistift oder Ölfarben. Ich habe also vielfältige Materialien und Methoden am Start. Eine Zeichnung ist immer eine Interpretation der Realität, aber ich kann gut anhand von Fotos arbeiten. Die beste Quelle ist aber selbst zu sezieren. Das muss man gut beherrschen. Für manche Projekte muss ich vor Ort sein, etwa eine Operation mit eigenen Augen sehen. Das ist dann mehr wert als ein Video. Gleiches gilt, wenn über anatomische Zusammenhänge bei einem Tier noch nicht viel bekannt ist. Dann muss ich für mein fundiertes Verständnis auch selbst sezieren und nachsehen, wie das aussieht.
VETMED: Sie arbeiten als selbständige Illustratorin, was gefällt Ihnen daran?
Amort: Ich kann mein wissenschaftliches Interesse und Fachwissen mit jedem Auftrag weiter ausbauen, lerne immer weiter dazu. Das Tolle an meinem Job ist die Abwechslung. Für einige Wochen stürze ich mich in ein Projekt und dann kommt wieder etwas Neues. Zudem bin ich keine Frühaufsteherin und kann mir so meine Arbeitszeit frei einteilen. Zeichnen, E-Mails schreiben, Kundengespräche, Konferenzen und Workshops wechseln sich ab. Man muss dieses breite Spektrum natürlich auch wollen mit Kundengesprächen, Marketing, Flexibilität, Buchhaltung, Reisetätigkeit etc.
VETMED: „Empowering your science with my visual expertise“, ist der Slogan auf Ihrer Webseite. Welche Bedeutung messen Sie Ihrer Art der Wissenschaftskommunikation bei – gerade in Zeiten von Digitalisierung und Bewegtbild?
Amort: Ich halte medizinische Illustration für extrem wichtig und wertvoll. Wir Menschen sind einfach visuelle Lebewesen. Auch wenn wir einen Artikel lesen, würden wir zuerst auf ein Bild schauen und versuchen zu verstehen, worum es geht. Ich hole also die Leute ab und helfe, Wissenschaft sichtbar zu machen. Ein Bild ist zugänglich für alle und kann Sprachbarrieren und Wissensunterschiede überbrücken. Das unterstützt die Kommunikation der Forschungscommunity untereinander und informiert die Allgemeinheit z.B. wenn ich Illustrationen für Patient:innen zeichne. Sie können sich ein Bild machen, etwa von einer Therapiemethode. Sie sehen, was da passiert und ich kann ihnen ein Stück weit die Angst nehmen. Fotos einer Operation sind einfach nur abschreckend.
VETMED: Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben? Haben Sie Vorbilder?
Amort: Mein Studium in Wien hat sicher zu meinem Stil beigetragen - in mir ist immer noch eine Wissenschaftlerin und das sieht man in meiner Kunst. Ich arbeite sehr detailliert, wie das auch in der Forschung notwendig ist, mit sanften, pastelligen Farben. Das ist wohl eine Art europäischer Stil, eine visuelle Kultur. Als Vorbild sehe ich Leonardo da Vinci. Er hat selbst viel seziert, obwohl das zu seiner Zeit verpönt war – so wichtig war ihm der Wissensgewinn. Aber grundsätzlich will mich nicht zu viel beeinflussen lassen auf meinem eigenen Weg.
VETMED: Wer beauftragt Sie?
Amort: Meine Kund:innen kommen aus der Forschung, also Universitäten oder Instituten, wie z.B. der Vetmeduni. Ein weiterer Arbeitsbereich ist die Patient:innenaufklärung für Krankenhäuser und Arztpraxen. Und ich arbeite im Gesundheitsbereich und zeige etwa, wie Produkte wirken. Zudem halte ich Workshops z.B. am Naturhistorischen Museum Wien.
VETMED: Was machen Sie in einer Schaffenskrise?
Amort: Ich hatte zum Glück noch nie einen „Art Block“, war immer inspiriert genug. Als Selbständige, die sich ständig mit ihrer Arbeit beschäftigen könnte, finde ich es wichtig mir Zeit für Pausen und Freizeit gezielt einzuteilen. Zum Ausgleich für die Schreibtischarbeit gehe ich gerne klettern.
Das Interview hat Astrid Kuffner geführt.
Praktische Beispiele für die Illustrationen von Claudia Amort:
Das Poster entwarf Alumna Amort für einen Facharzt und dient der Aufklärung von Patienten über die häufigsten Erkrankungen in der Gastroenterologie.
Für das Deutsche Krebsforschungsinstitut (DKFZ) erstellte Amort ein Hero-Bild für die Website einer Forschungsgruppe, das die zentralen Forschungsaspekte in der Genommedizin zusammenfasst.
Titelbild für das Wissenschaftsmagazin “Neuron” des ISTA – Institute for science and technology Austria zur Differenzierung von Neuronen im Superior Colliculus
Mithilfe von Illustrationen lässt sich komplexe Information besser anveranschaulichen. Amort hat für die Universität Wien eine Infografik für einen Presseartikel zur Formation von Material bei einem Wurm im Vergleich zu einem 3D-Drucker erstellt.
Das UCC - University College Cork, Irland, nutzte die Expertise von Amort für eine Illustration im Rahmen einer Publikation über den Vergleich der Mikrobiota-Darm-Hirn-Achse bei Zebrafisch, Mensch und Nagetier.
VETMED: Vor eineinhalb Jahren haben Sie Ihr Beratungsunternehmen www.schweinekompetenz.at gegründet. Die Domain ist eine starke Ansage, wie kam es dazu?
Werner Hagmüller: Meine Beratungstätigkeit rund um Schweinehaltung, Stallbau, Fütterung und Management hat sich über viele Jahre entwickelt, da muss ich weiter ausholen. Ich bin in einem Milchviehbetrieb großgeworden und habe die HLBLA St. Florian absolviert. Mein Berufsziel war ursprünglich Großtierpraktiker für Rinder. Ich habe Veterinärmedizin studiert mit dem Wunsch in einem Fachgebiet richtig gut zu werden. Nach dem Abschluss hatte ich das Gefühl, sehr viel im Überblick, aber immer noch relativ wenig vertieft zu wissen. Das war ein bisserl frustrierend. Ich habe dann am Institut für biologische Landwirtschaft der HBLFA Raumberg Gumpenstein begonnen, zehn Jahre bei einem Kollegen in einer Großtierpraxis gearbeitet und meine Dissertation verfasst.
VETMED: Wie kam es dazu? Das klingt nach einem Umweg, um sich auf Schweine zu spezialisieren.
Hagmüller: Tatsächlich war ein Zufall ausschlaggebend für den weiteren Weg. Der Leiter des Instituts hat mich im Auto zu einem Rinderbesamungskurs mitgenommen und mir im Gespräch eine Teilzeitstelle am Institut und eine Doktorarbeit angeboten. Ich habe mich dann an der HBLFA viele Jahre wissenschaftlich mit biologischer Landwirtschaft beschäftigt, mich also hier intensiv weitergebildet und den Fachbereich alternative Schweinehaltung am Standort Wels etabliert. Als Tierarzt betrachte ich Tiergesundheit gesamthaft. Herkunft, Haltung, Stallbau, Fütterung, Management und viele weitere Faktoren wirken sich darauf aus. Aus dem spontanen Angebot wurden letztlich 25 Jahre, in denen ich ab 2014 das Institut geleitet habe.
VETMED: Was ist dann passiert?
Hagmüller: Ich bin 50 geworden. Da kaufen sich andere ein Motorradl. Ich habe 2023 aus meinem Arbeitsplatz im Bundesdienst in die Selbständigkeit gewechselt. Wir haben viele Jahre interessante und breitenwirksame Projekte zur Bioschweinehaltung abgeliefert, aber irgendwann geht dir der Schmäh aus. Ich hatte das Gefühl keine neuen Ideen mehr liefern zu können. Ich habe einen Cut gebraucht. Obwohl ich als Chef viel Gestaltungsfreiheit hatte, wollte ich nicht mehr 40 Stunden angestellt sein und in die Arbeit fahren. Zu Hause hatte ich nebenbei schon meinen kleinen Betrieb mit Freiland-Mastschweinen und Direktvermarktung, in dem ich vor und nach der Arbeit zu tun hatte.
VETMED: Und arbeiten Sie jetzt weniger?
Hagmüller: Es geht wohl eher um die Zeitautonomie. Ich bin happy, weil ich jetzt 100% fachlich arbeite, muss weder Anträge noch Berichte verfassen, habe keine Projektvorgaben und keine Abstimmungen. Der Pferdefuß ist, dass sich selbst für mein Einkommen sorgen muss. Aber ich war auch nicht mehr im Aufbau: das Haus ist abbezahlt, unsere 4 Kinder zum Teil schon aus dem Haus und meine Frau führt eine Kleintierordination – ich muss(te) niemandem mehr etwas beweisen.
VETMED: Aber wie sind Sie genau vom Rind aufs Schwein gekommen?
Hagmüller: Bis zur Dissertation war ich voll auf dem Rindertrip. Für den Sohn eines Milchviehbauern ist das Schwein erst einmal ein Tier zweiter Klasse, uninteressant und es stinkt. Dann habe ich einen Vortrag von Martina Jugl-Chizzola zum Thema Phytotherapie bei Schweinen gehört. Mir wurde klar, dass wir über alternative Haltungsformen zuwenig wissen, weil die meisten Schweine in Massentierhaltung leben. Wir haben am Institut in Wels einen Rinder- auf einen Schweinestall umgebaut, parallel habe ich in Oftering meinen Betrieb mit Wiesenschweinen aufgebaut. Im Studium gab es damals noch keine Spezialisierung also war da viel learning by doing. Es war für mich ganz gut nicht zu vorgeprägt zu sein, sondern neugierig auf das neue Tier, um es besser kennenzulernen. Schweine lassen sich im Verhalten sehr gut über den Stallbau lenken, weil sie so intelligent sind. Meinen Schwerpunkt habe ich also viele Jahre aufgebaut. Niemals hätte ich zu Beginn des Studiums gedacht, dass ich mal Vorträge halte oder wissenschaftlich tätig bin. An der HBLFA habe ich zu Herausforderungen immer ja gesagt. Das hat mir rückblickend eine Entwicklung ermöglicht, die sich nicht ergeben hätte, wenn es nur an mir gelegen wäre.
VETMED: Wie sieht Ihr Arbeitsalltag heute aus?
Hagmüller: Es gibt keinen, das begeistert mich. Ich habe eine tierärztliche Zulassung ohne Hausapotheke, stehe also nicht in Konkurrenz zum Tiergesundheitsdienst oder den Praktikern mit Hausapotheke. Wenn in der Region akut kein Großtierarzt erreichbar ist, rufen sie meine Frau an, bei der ich in der Ordination geringfügig angestellt bin. Dann helfe ich, weil ich es ja kann und es meine Verpflichtung ist. Aber Akutfälle mache ich ganz selten – ich bin Berater für landwirtschaftliche Betriebe zu den Themen Fütterung Management, Stallbau und Haltung immer aus der Perspektive Tiergesundheit. Von mir angeregte Veränderungen müssen nicht sofort erfolgen, sondern sollen den Tierbestand letztlich gesünder machen. Ich werde angerufen, wenn formal alles richtig gemacht wird und dennoch Probleme auftauchen oder ein Experte für Schweine angefragt wird.
VETMED: Wer ist Ihre Zielgruppe – die Bioschwein-Landwirt:innen oder konventionelle Landwirt:innen, die etwas ändern wollen?
Hagmüller: Bei den Bioschweinehalter:innen bin ich von meiner Forschungstätigkeit bekannt und biete ein Sorgentelefon an, wobei diese Beratung dann über Bioschwein Austria abgerechnet werden kann. Tierwohl wird immer mehr zum Thema und die meisten meiner Kund:innen haben eine konventionelle Haltung und wollen jetzt einen Schritt machen: mehr Platz schaffen, einen Auslauf, eine zweite Klimazone – sie wollen aus dem Eck heraus, in das sie von der Gesellschaft gedrängt werden. Es ist einfacher, wenn junge Leute von ihren Eltern den Betrieb übernehmen und sowieso investieren müssen. Da kann ich meistens wirklich gut helfen, wobei es nicht immer ein Neubau werden muss, auch im Bestand lässt sich viel machen. In einem relativ frisch hochkonventionell ausgerüsteten Betrieb, ist es schwieriger – da liefere ich realistische Einschätzungen.
VETMED: Das Hausschwein ist laufend von vielen Krankheiten bedroht. Kann man da mit ihren Konzepten etwas bewirken?
Hagmüller: Wenn es um Stallbau geht, ist Biosicherheit ein wichtiger Teil – die Öffnung bedeutet immer auch Risiko. Ich mache immer ganz klar, dass den eigenen Tierbestand vor Infekten zu schützen, das Wichtigste ist. Als Teil der Biosicherheitskommission im Gesundheitsministerium kenne ich die Vorgaben gut.
VETMED: Sind Sie jetzt so spezialisiert, wie Sie das immer sein wollten?
Hagmüller: Meine Nische ist Tiergesundheit beim Schwein– in der Beratung von Einzelbetrieben – hier fühle ich mich als Spezialist. Ich möchte aber allen Kolleg:innen mitgeben, dass Veterinär:innen die umfassendste Ausbildung für so ein vernetztes Denken haben. Wir kennen die Zusammenhänge der Einflussfaktoren und die Konsequenzen auf die Tiergesundheit. Da dürfen wir uns auch zutrauen, wieder mehr Aspekte der Tiergesundheit zu betrachten und nicht nur Diagnostik und Therapie anzubieten.
Das Interview hat Astrid Kuffner geführt.
VETMED: Wollten Sie immer Tierärztin werden? Oder war auch Berufsmusikerin eine Option? Sie haben ja am Konservatorium in Wien und Vorarlberg Bratsche studiert und in Orchestern mitgewirkt.
Annette Nigsch: Ich war tatsächlich lange gespalten, ob ich Musikerin oder Tierärztin werden möchte. Es ist einfach so: Ich kann Tierärztin sein und daneben viel und gut Musik machen, aber nicht umgekehrt. Ich bin in einem steilen, abgeschiedenen Seitental in Vorarlberg aufgewachsen, auf einem sehr kleinen Bergbauernhof mit Kühen. Dort passiert viel in Handarbeit und ich war als Kind in diese Tätigkeiten eingebunden. Wenn der Großtierpraktiker vorbeikam, war das wichtig und interessanter Besuch und hat mein Berufsbild geprägt. Musik hat man in der lokalen Kapelle gemacht.
VETMED: Sie waren die Erste in der Familie, die studiert hat. Wie sind Sie zurechtgekommen?
Nigsch: Es war gut für mich, als 19-Jährige diesen Schritt alleine zu machen – vom Bergdorf mitten in die Wiener Großstadt einzutauchen. Ich habe als Musikerin nebenbei Geld verdient und aufgrund meiner Herkunft die höchste Studienbeihilfe bekommen.
VETMED: Wie kam es nach dem Start zu Ihrer Spezialisierung?
Nigsch: Mein Ziel war Großtierpraktikerin zu werden. Dass es so etwas wie ein öffentliches Veterinärwesen gibt, war mir zu Studienbeginn nicht bekannt. Die Augen dafür geöffnet hat mir ein Wahlfach bei Hermann Unger zu „Epidemiology of Emerging Diseases“. In einem Artikel stand, dass es mehr Menschen braucht, die zwischen Tiergesundheit, Labor und Interventionen zum Schutz der Gesundheit der Menschen eine Brücke schlagen. Da wusste ich, dass ich genau das machen will Es gab nicht viele Studierende mit Interesse an Veterinary Public Health – daher auch Förderung von Seiten der Arbeitgeber. In meinem Jahrgang haben wir den Verein „Public Health Pool“ gegründet, um mehr Studierende dafür zu interessieren. Inzwischen ist diese Initiative eingeschlafen, aber wir haben einige Leute überzeugt.
VETMED: Sie haben 2009 bis 2012 ein Residency Programm des European College of Veterinary Public Health (ECVPH) absolviert. Wieso war das wichtig?
Nigsch: Das war eine ganz neue Welt im Vergleich zur Uni, wo in meinem Curriculum das Pflichtfach Veterinärwesen eine der letzten Mini-Prüfung war. Ich muss Tierärztin sein, um meinen Job auszuüben und habe im Studium wichtige Grundlagen gelernt. Für die Ausbildung zum Diplomate bin ich ans Royal Veterinary College in London gegangen und konnte mich drei Jahre in meinen Fachbereich intensiv weiterbilden. Epidemiologie und Statistik waren wichtig, Risk-Assessment, aber auch wie die Gesetze und internationalen Regeln im Bereich Tiergesundheit funktionieren.
VETMED: Sie haben von der Landesveterinärdirektion in Bregenz nach London gewechselt – ein ziemlicher Sprung.
Nigsch: Glauben Sie mir, in diese Richtung ist es leichter, als umgekehrt (lacht). Ich hatte das große Glück, dass mir meine Betreuerin freie Hand gelassen hat. In meiner Residency habe ich mir mein Programm selbst zusammengestellt und mich im Netzwerk beworben. So war ich u.a. in der Europäischen Kommission in Brüssel, bei der WHO in Kopenhagen, bei Defra in London oder SAFOSO in Bern. Man muss die Institutionen und ihre Möglichkeiten gut kennen, die Ebenen im Zusammenhang sehen, um an den richtigen Strängen ziehen zu können. Jede Erfahrung in diesem Bereich zählt. Heute bin ich selbst im Education Committee des ECVPH und lese die Lebensläufe vieler toller Menschen.
VETMED: Sie haben beruflich immer wieder den Ort gewechselt...
Nigsch: Stimmt! Anfang 2024 bin ich zum 25. Mal umgezogen. Das beherrsche ich inzwischen sehr gut. Den Traum vom Eigenheim mit Garten und Haustieren habe ich erst einmal aufgegeben. Mein Leben passt in eine Tasche mit Laptop, Zahnbürste und Visitenkarten.
VETMED: Wie sieht Ihr beruflicher Alltag bei der AGES jetzt aus? Sie sind seit Anfang 2024 Leiterin des Instituts für veterinärmedizinische Untersuchungen in Innsbruck im Geschäftsfeld Tiergesundheit?
Nigsch: Am IVET Innsbruck steht die Infektionsdiagnostik der kleinen Wiederkäuer im Fokus. Zudem sind an diesem Standort das Pathologiezentrum West, das Nationale Referenzlabor für Parasiten und Trichinen sowie das Kompetenzzentrum für alpine Wildtierkrankheiten angesiedelt. Es gibt enge Kooperationen mit praktischen und amtlichen Veterinär:innen, den Tiergesundheitsdiensten, der Jägerschaft und Tierhalter:innen. Innsbruck ist neben Mödling und Linz einer von drei IVET-Standorten der AGES, zuständig für die Überwachung von Tierseuchen in Österreich. Wir übernehmen aus Westösterreich zehntausende Proben von Nutz- und Wildtieren jährlich, ein ziemlich breites Spektrum, aber für uns Routine. Meine Mitarbeiter:innen sind in der wichtigen Labordiagnostik, mein mittelfristiges Ziel ist, zusätzlich eine Epidemiologiegruppe aufzubauen, um den Mehrwert aus den Labordaten weiter zu steigern.
VETMED: Sie beschäftigen sich mit Infektionsdynamik und Früherkennung – was klappt gut und wo gibt es Lücken?
Nigsch: Sehr viele Abläufe sind ab dem Zeitpunkt des Seuchen-Verdachtsfalls durch Gesetze geregelt. Ausbaufähig ist meines Erachtens die Früherkennung, die letztlich von der disease awareness draußen in den Ställen abhängt. Das ist vor allem eine Frage der Kommunikation. Was bei einem Wildtier auftritt, kann ein Nutztierthema werden, und beim Menschen ein echtes Problem. Da müssen wir schneller und durchlässiger werden. Corona hat das Thema One-Health hoch auf die Agenda gesetzt. Ein praktisches Beispiel für die Umsetzung wäre: Weiß ein Hausarzt, dass in seinem Bezirk Tularämie/Hasenpest bei Hasen oder Zecken nachgewiesen wurde, denkt er bei einem Patienten mit geschwollenen Lymphknoten differentialdiagnostisch auch daran. Wenn umgekehrt eine Person die Diagnose Tularämie bekommt, müssen wir reagieren und uns fragen, wo sie sich angesteckt hat, um weitere Fälle zu verhindern.
VETMED: Sie waren fünf Jahre selbständige Beraterin. Jetzt arbeiten Sie in einer behördennahen Agentur – worin liegt für Sie der Reiz?
Nigsch: Die Entscheidung habe ich getroffen, weil ich meine Arbeit als Expertin auf den Boden bekommen möchte – dafür ist die AGES der richtige Platz. Wir müssen uns zukünftig intensiver mit Wildtieren und Vektoren beschäftigen und brauchen Kolleg:innen, die sich sektorübergreifend bei Themen der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt auskennen. Deshalb unterrichte ich auch am FIWI. In der AGES baue ich neben meinen Führungsaufgaben gemeinsam mit Kolleg:innen aus verschiedenen Institutionen, auch der Vetmeduni, die One-Health-Überwachung aus. Dazu laufen ein nationales Stechmücken- und Zecken-Monitoring sowie die gezielte Überwachung von Vogel- und Schweine-Influenzaviren, die von der WHO, ECDC und EFSA als prioritär eingestuft wurden.
Alarmbereitschaft als tägliches Arbeitsumfeld: Wie gehen Sie damit um?
Nigsch: Als ich im Jänner begonnen habe, habe ich alle Mitarbeiter:innen zum Kennenlerngespräch gebeten. So wie ich arbeiten hier ganz viele „because it matters“. Permanente Alarmbereitschaft gehört dazu. Man kann es auch so sehen: Da ist Energie dahinter und die tut gut.
Das Interview hat Astrid Kuffner geführt.
VETMED: Wollten Sie immer Tierarzt werden?
Martin Appelt: Ich hatte immer und habe noch mehrere Interessen: die Feuerwehr, einige Zeit war ich stark beim Bundesheer involviert und die veterinärmedizinische Expertise bei der Seuchenbekämpfung. Bei genauerem Hinsehen haben sie Gemeinsamkeiten: die Idee des Helfens oder auch regelmäßig mit einer überraschenden Situation konfrontiert zu sein, die man analysieren und lösen muss. Das spiegelt schon meine Neigungen wider. Ich war immer interessiert an Tierhaltung, weil ich die Sommer oft bei der Verwandtschaft mit Nutztieren verbracht habe. Als ich abgerüstet habe, war meine neue Vollzeitbeschäftigung das Studium. Daneben habe ich immer etwas gearbeitet, z.B. habe ich in Wien Falschparker abgeschleppt.
VETMED: Wie kam es zum Wechsel nach Kanada? War das schon lange Ihr Traumland?
Appelt: Mich hat die Liebe nach Kanada geführt. Wie das Leben so spielt. Ich war nach dem Diplom in einer landwirtschaftlichen Nutztierpraxis tätig, wollte aber ein Doktorat machen, also habe ich mir einen passenden Job für meine Spezialisierung auf Tierschutz und Tiertransport gesucht. Ich war zum Zeitpunkt der laufenden Beitrittsverhandlungen an der tschechischen Grenze als Amtstierarzt im Einsatz, damals eine EU-Außengrenze. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis es meinen Job nicht mehr geben würde. Ich hatte durch die Tätigkeit beim Heer und in der Seuchenbekämpfung einiges über „One Health“ gelernt und wollte in dieser Sparte weitermachen. Es ist vielleicht ein Persönlichkeitsmerkmal: Ich habe eine Abneigung gegen Positionen, wo ich mich eingesperrt fühle, ohne Möglichkeit für Aufstieg und Weiterentwicklung. 2001 fiel also meine Entscheidung mit nach Kanada zu gehen.
VETMED: Kanada ist bekannt dafür, qualifizierte Arbeitskräfte bevorzugt als Staatsbürger:innen anzuheuern. Lief alles glatt?
Appelt: Einwanderung als qualifizierte Arbeitskraft ist im nationalen Interesse, aber bei hoch reglementierten Berufen wie Veterinär- oder Humanmediziner:in, steuern die Berufskammern mit. Sie setzen Standards für die Profession, um die Qualität sicherzustellen und begrenzen dadurch den Zuzug. Ich habe fünf Jahre für die kanadische Lizenz gebraucht, um in meinen Beruf zurückzukehren. Das war viel Lernaufwand und eine große finanzielle Hürde.
VETMED: In einer Bundesbehörde, der Canadian Food Inspection Agency CFIA, haben Sie hingegen sofort Fuß gefasst. Eine beachtliche Leistung für einen „Zugroasten“?
Appelt: Ich hatte einen Kontakt in die CFIA bevor ich nach Kanada gegangen bin. Mir war klar, dass ich mich nicht sofort als Tierarzt würde niederlassen können. Das Doktorat in Tierschutz und Tiertransport war entscheidend, um als Spezialist angeworben zu werden. Die Bundesveterinärbehörde kümmert sich um Tiergesundheit, Pflanzenschutz und Lebensmittelsicherheit. In den vergangenen 20 Jahren habe ich mich vom technischen Spezialisten zum Senior Executive hinaufgearbeitet. Von den 250.000 Mitarbeiter:innen im Kanadischen Bundesdienst sind nur 2 % Executives. Da kann ich also durchaus stolz sein.
VETMED: Was umfasst Ihr Aufgabengebiet als Senior Director im Animal Health Program?
Appelt: Ich habe ein Team von 45 Veterinär:innen und wissenschaftlichen Spezialist:innen, die sämtliche Protokolle für die Tierseuchenbekämpfung entwickeln. Es geht um das gesamte Spektrum von Krankheiten, die man nicht einschleppen möchte, bis zu denen, die da sind und die man managen muss. Für die Einfuhrkontrollen arbeiten wir mit anderen Einheiten wie Zoll oder Polizei zusammen. Wir machen Notfallpläne und exekutieren diese, wenn erforderlich. Eine mittelbare Bundeverwaltung wie in Österreich, gibt es in Kanada so nicht. Die Bundesbehörde vereint im Haus die Mitarbeiter:innen: von der Planung bis zu den ausführenden Organen, die Maßnahmen wie Quarantäne, Keulen oder Hygiene vor Ort durchführen.
VETMED: Sie haben schon angedeutet, dass sie kein Schreibtischtäter sind. Ein Kollege schreibt auf Linkedin über Sie: verlässlich und professionell, leading people and getting stuff done. Was vereint Ihr Verwaltungsjob alles?
Appelt: In meiner Rolle kann ich das Büro verlassen und an die Frontlinie fahren – das tue ich auch. Es hilft immer, wenn man die Auswirkungen seiner eigenen Pläne erlebt. Die Verwaltung tickt in der Mentalität insgesamt anders. Als gelernter Österreicher hatte ich eine Vorstellung, wie eine Behörde mit ihren Vorgaben und Regeln funktioniert. Im kanadischen System passiert viel im Konsens, obwohl das Gesetz die CFIA als zuständige Behörde ausweist. Hier wird in vielen Vorgesprächen mit allen Beteiligten das Vorgehen abgestimmt bevor es eine Vorschrift wird. Es gibt weniger den Hierarchie-Hammer und mehr amikale Gespräche mit Partnern und der Wirtschaft über den Plan, die Ziele und das Vorgehen. Dieses betont konsensorientierte Arbeiten war neu für mich.
VETMED: Über die Hürden bis zur Lizenz haben wir schon gesprochen. Wie gut hat sie die Ausbildung an der VetMed insgesamt auf Ihre Tätigkeiten vorbereitet?
Appelt: Die Ausbildung hat sich seit den 1990ern bestimmt verändert. Ich war im klinischen Jahr in Dublin an der Universität also in das angloamerikanische System eingebunden. Da wirst du praktisch gedrillt, um als Tierarzt gewisse Tätigkeiten sicher ausüben zu können. Du hast fix einen Platz im Praktikum und musst gewisse Standards erreichen. Es ist im Vergleich ein sehr verschultes System, mit Klassengemeinschaft und einem persönlichen Verhältnis mit den Lehrenden. An der Vetmed damals ging es um Eigenverantwortung, Planung, Vorausdenken und sich einen funktionierenden Lehrplan zu erstellen. Das fordert ein gewisses „Aufgewecktsein“, ist aber wesentlich anonymer. Ich habe ganz sicher von beiden Systemen profitiert.
VETMED: Auf ihrem Profilbild tragen sie einen Feuerwehrhelm. War es einfacher hier Fuß zu fassen, als bei der Anerkennung als Tierarzt?
Appelt: Ich habe mit 12 Jahren bei der Feuerwehrjugend begonnen. Meine Eltern dachten, das wäre nur eine Phase. Meine Engagement in Krems aufzugeben, war schwierig für mich. In Ottawa habe ich zunächst in einem Museumsverein historische Objekte restauriert. Im Stadtkern von Ottawa gibt es eine Berufsfeuerwehr, die umliegenden Gemeinden haben jeweils eine eigene Feuerwehr mit Teilzeitkräften, die heute über eine Handy-App organisiert sind. 2005 haben meine Frau und ich uns ein Haus am Stadtrand von Ottawa gekauft. Ich war unterwegs dorthin mit einem neuen Kühlschrank auf einem Anhänger, aber mein erster Weg führte mich zum Aufnahmegespräch für die Feuerwehr Ottawa „Rural Division“, wo ich mittlerweile Offizier (Lieutenant) bin. Grundaufgabe der Feuerwehr ist die unmittelbare Gefahrenbeseitigung z.B. leisten wir erweiterte Notfallhilfe bei lebensbedrohlichen medizinischen Notfällen, kommen nach Verkehrsunfällen und, natürlich, bei Bränden. Naturgefahren sind ein Thema: Überflutungen, Flurbrände und ein Tornado war auch schon dabei. Die Entfernungen sind im Vergleich enorm.
Was vermissen Sie an Krems?
Appelt: Abgesehen von Familie und Freunden? Die Mehlspeisen der Konditorei Raimitz.
Das Interview hat Astrid Kuffner geführt.